Erst gestern hat der Reporter gesagt wie gut sich die beiden verstehen, der Schleck und der Contador.–
Welcher Reporter denn? Der vom ZDF?
Es gibt keine echte « Freundschaft ». Schonmal deswegen nicht, weil Contador nur Spanisch und ein paar Brocken Englisch spricht. Vielleicht verstehen sie sich blind und ohen Worte?
Vielleicht aber definiert der Spanier Freundschaft schon als alles, was besser ist als seine Beziehung zum Armstrong.
Die Schlecks und Contador haben sich diesen Frühling zufällig auf den Tourmalet beim Training getroffen und das soll so gewesen sein « Hi… ähm… du auch hier? Na so ein Zufall! Wir müssen dann mal weiter… »
Luchon, 19.Juli 2010, 15.Etappe: Pamiers - Bagnères-de-Luchon, 187,5km
Von der heutigen Etappe werde ich erst morgen berichten, ich muss in meinem kleinen Hirn erst noch was ausbrüten.
Aber es gibt einen Spruch, der meine Etappe heute fast perfekt zusammenfasst:
Er klettert wie eine Gemse, aber er fährt ab wie ein Landbriefträger. (Hans Blickensdörfer über Federico Bahamontes)
Und morgen wird es wieder Fotos geben
Du kennst die Szene aber inzwischen aus dem FF. Zukünftig werd ich nimmer auf ARD und ZDF hören. Immerhin sei erwähnt, dass dereinst selbst der große Amerikaner brav auf den braven Deutschen gewartet hat als der kopfüber in einen Bach gefallen war. Als echter Champion hat er ihn dann eben am nächten Berg in Grund und Boden gefahren
Und umgekehrt.
Ich fand die Attacke heute auch sehr… unschön. Ich glaube aber nicht, dass Contador groß nachgedacht hat, er macht nicht den Eindruck, als wenn er überhaupt viel nachdenkt. Kaum einer weiß, was das überhaupt für ein Typ ist, er redet fast nicht (außer Phrasen à la Kimi Räikkönen in der Formel 1, „Ich weiß nicht“ oder „Frag das Team“) und hat dieses Jahr vor der Tour erst 21 Renntage absolviert. Ein normaler Fahrer hat fast dreimal so viel. Und dann taucht er einfach auf, fährt und denkt nicht und taucht wieder ab. Deshalb wundert mich seine Aktion von heute auch wenig. Jede Wette, dass er dazu sagen wird „Ich habe nichts gemerkt.“
…hat er.
Pau, 20.Juli 2010, 15.Etappe: Pamiers - Bagnères-de-Luchon, 187,5km + Bagnères-de-Luchon - Pau, 199,5km
Pyrenäen Pyrenäen hochfahren: oder: Tour de la philosophie
Meine Sturzwut aus den Alpen hat sich nicht bis in die Pyrenäen halten können. Auch nicht meine Tour-Euphorie. Während Simón immer bessere Laune hat und jeden Abend cocktailschlürfend in den Hotelgärten sitzt, fällt mir alles immer schwerer. Meine Muskeln haben sich gut entwickelt, das muss ich sagen. Meine Kondition wird aber immer schlechter. Langsam wird es frustrierend, immer abgehängt zu werden (was heißt immer - in den letzten drei Tagen), gerade weil ich der Kapitän meiner Mannschaft bin. Die Alpen waren lausig im Vergleich zu den Pyrenäen. Ich fahre auf dem Zahnfleisch. Einige sagen mir, ich solle froh sein, dass ich nicht noch krank bin, sonst würde mir noch elender sein. Ich kann diese Tatsache zur Zeit nicht würdigen.
Das Fahrrad ist ein kurioses Vehikel. Sein Passagier ist zugleich sein Motor. (John Howard)
Die Pyrenäen sind was für Pyrotechniker, diejenigen, die feurige Attacken fahren können und dessen Räder auf den Abfahrten Funken schlagen. Und für Touristen, die durchweg grünes Hochgebirge mögen. Die Täler sind unfassbar schön, hier ließe es sich gut aushalten.
Die Vorzeichen dieser Etappe (Montag) für mich standen auf Minus, nach meinem Ausreißversuch Sonntag war ich den ganzen Tag müde und kaputt und habe daher schon vor dem Start mein Grupetto gebucht und das Leiden während der Etappe versucht mit Ablenkung zu vertuschen. Ich habe an Lieder gedacht und an Aphorismen. Das tun übrigens sehr viele Fahrer im Feld. Wir waren ein richtiges Literaturgrupetto mit fast sechzig Mann. Worte können unglaublich motivierend sein.
Irgendwann endet jeder Mal im Autobus. Vom kleinsten Fahrer bis zum Größten. (Francois Lemarchand)
Ich mach es kurz: Ich bin gestern Letzte geworden, aber ich habe das Zeitlimit geschafft.
Nur das Fernsehen hat mich mal wieder geärgert. Ich kam mit über 35 Minuten Rückstand im Ziel an und wurde sofort von Reportern umlagert. « Gestern nach Ihrem Ausreißversuch sind Sie heute schon wieder so früh im Ziel und sehen ganz frisch aus, wie geht das? »
Das fand ich eine Frechheit. Eine Dame sieht immer frisch aus, auch wenn sie eigentlich nicht frisch aussieht. Es liegt im Auge des Betrachters und niemand sollte jemals behaupten, dass eine Dame nicht frisch aussehe! Das habe ich auch genau so gesagt! Der Beitrag wurde nicht gesendet.
Es gab ja auch andere Themen. Die Contador-Menschow-Sanchez-Attacke zum Beispiel. Mit einem Tag Abstand muss man die Sache differenzierter sehen, Schleck hat Pech gehabt und Contador Glück. Trotzdem hat letzter dem ersteren ganz klar den Fehderadhandschuh vor die Füße geworfen. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass diese Szene die Tour entscheidet, dafür werden sie übermorgen schon noch sorgen. Wer allerdings hofft, die Schleck-Kette demnächst ersteigern zu können, den muss ich enttäuschen. Nein, ich habe die Kette nicht ergattert. Es ist komplizierter: Saxo Bank fährt mit SRAM-Komponenten, da jedoch die SRAM-Ketten schnell verschleißen und außerdem schleifen, nutzt man stattdessen eine Kette des Konkurrenten Shimano, obwohl die nicht Ausrüster des Teams sind. Das machen auch Hobbyradler und andere Profiteams. Blöd wäre es dann nur, wenn gerade diese berühmte Kette jemandem in die Hände fallen würde. SRAM wäre not amused. Dann hätten wir den Technikteil für diese Tour auch abgehandelt und fahren fort mit der Tourismuskategorie.
Heute morgen fühlte ich mich wieder ein keines bisschen besser, Luchon als Kurort hat ganze Arbeit geleistet. Die Pyrenäenluft im Tal ist fantastisch und es tut gut, mal wieder Platanenluft von großen Boulevards zu schnuppern. Luchon wird als die „Königin der Pyrenäen“ bezeichnet und liegt in einem Tal, kaum zwei Kilometer von der spanischen Grenze entfernt. Gegründet wurde es von den Römern 76 vor Christus. Einer der Soldaten damals litt an einer Hautkrankheit und wurde wundersam geheilt. Voilà, Luchon muss Heilwasser haben. Im 19. und 20 Jahrhundert weilten hier viele berühmte Persönlichkeiten, darunter Gustave Flaubert und Stéphen Liégeard. Das ist der, der der Côte d’Azur ihren Namen gegeben hat.
Vier Anstiege sind heute zu bewältigen, zwei der ersten und zwei der Hors Catégorie. Direkt nach dem Start in Luchon geht es den Col de Peyeresourde hoch, mein großer Lieblingspass! Er ist grün und nicht zu steil. Hier bin ich noch nicht abgehängt worden. Lance Armstrong macht seine Drohung wahr und flüchtet, er will noch eine Etappe gewinnen. Die Fans und Zeitungen spotten seit Wochen mittlerweile über seinen Absturz, dass einfach alles Pech, was er in sieben Toursiegen abgeschüttelt hatte, ihn jetzt einholt. Einige gradierten ihn gar zum „Touristen“ der Tour herab. Das ist er dann aber doch nicht. Zitatmaschine Jens Voigt (Saxo Bank)dazu: „Wenn man ihn als Touristen bezeichnet, was bin ich dann mit mehr als doppelt so viel Rückstand? Ein Doppel-Tourist?“. Und was soll ich dann erst sein?
Hundert Jahre Tour de France und die Pyrenäen - ich fühle mich mindestens genauso alt.
Aber Berge sind fantastisch anzuschauen. Ich sehe dort Land, wo bei mir zu Hause schon der Himmel ist.
Das soll der Anstieg zum Peyresourde sein…
Der Feind Nummer 1 am Berg ist das Gewicht. (Eddy Merckx)
Ich fühle mich auch doppelt so schwer wie ich eigentlich bin. Irgendetwas zieht mich permanent nach unten. Am Anstieg gefällt mir das genauso wenig wie in der Abfahrt. Einige Fahrer machen bei 80km/h auf der Abfahrt noch Lockerungsübungen und ich mache mir beinahe in die Hose vor Angst! Ich entscheide, dass meine Angst vor Steinschlägen niedriger ist als die vor dem kürzesten Wegs ins Tal und fahre immer so weit es geht am Felsen. Es gibt Leute, die Abfahrten trainieren. Ich mache das auch, aber zu Hause auf der Rolle ist das nicht so wirkungsvoll.
Erstmals seit wir in den Bergen fahren, in den Alpen wie auch in den letzten Pyrenäentagen wird es auf dem Gipfel recht kühl, sodass es für die Abfahrten wieder gratis Zeitungen gibt. Auch ich habe eine davon unters Trikot verschwinden lassen. Zwei Leute in meinem Grupetto lachen deswegen, grapschen sich auch eine und sind dann auf und davon, mit 80 Sachen den Berg hinunter. Mein Ruf als schlechteste Abfahrerin eilt mir voraus. In der Tat ist bei mir die Zeitung unterm Trikot überflüssig, mein Fahrtwind reicht nicht mal aus um die Schweißtropfen im Gesicht wegfliegen zu lassen. Die Zeitung wärmt mich noch zusätzlich. Die Abfahrt ist eh schon ein Schweißbad für mich, und so flattert der Figaro von gestern ins Tal.
Ein seltenes Bild:Leitplanken auf der Abfahrt! Das war gestern. Simón hat dankenswerterweise die Reste meiner Schürfwunden aus den Alpen wegretourchiert.
Pau - die Bäume an den Boulevards sind eckig geschnitten. Quadratisch lustig. Zuvor in Eaux-Bonnes waren mir auch die Blumen an den Laternen aufgefallen. Auch mitten im Rennen hat man plötzlich für sowas ein Auge, wenn man kurz vor der Ohnmacht stehend noch versucht, alles in sich aufzusaugen, aus der Mondlandschaft der Pyrenäen kommend.
Als wir mit achtzig Radlern in Pau ankommen, sind die Zuschauer schon nach Hause gegangen und der Gewinner Fédrigo sitzt schon bei Kuchen und Kaffee in der Presskonferenz. Meinen Grupettoristi und mir sind unsere Platzierungen egal, der Tag ist gelaufen.
Sich für den neunten Platz noch das Weiße aus den Augen zu fahren, ist nicht das Gelbe vom Ei. (Rudi Altig)
P.S.: Morgen ist der zweite Ruhetag. Das Fernsehen wird kommen und eine Hotel-Homestory drehen. Außerdem werde ich Postkarten schreiben.
Classement de l’étape
-
FEDRIGO Pierrick BBOX BOUYGUES TELECOM 5h 31' 43"
- CASAR Sandy FDJ 5h 31’ 43" + 00’ 00"
… - AVONLEA AVONLEA 6h 08 ’ 55’’
Classement général
-
CONTADOR Alberto ASTANA 78h 29' 10"
- SCHLECK Andy TEAM SAXO BANK 78h 29’ 18" + 00’ 08"
… - AVONLEA AVONLEA 81h 58’ 33’’
Da haben wir den Senf von Contador. Allerdings muss erwähnt werden aus „ZDF videotext“. Interessant ist die Aussage, dass er gerade Attacke fuhr.
Pau, 21.Juli 2010, 2.Ruhetag
Hier wie versprochen eure Postkarten. Alphabetisch geordnet. Wenn sich jemand vergessen fühlt, dann bitte ich um Entschuldigung und werde demjenigen schleunigst aus Paris schreiben.
Lieber Al,
es ist Ruhetag in Pau und ich finde etwas Zeit, die unterwegs gesammelten Postkarten zu verschreiben. Deine habe ich gleich in Rotterdam gesammelt, als Fast-Niederländer müsste dir das entgegenkommen. Als wir an der niederländischen Küste enlangfuhren, gab es trotz Ebbe fast keine Algen! Ehrlich gesagt hatte ich die aber auch nicht erwartet. Es gilt ja der Spruch „Ostsee = grün und tanging, Nordsee =braun und schlammig“.
Der Norden ist bei der Tour schon längst durch, aber vielleicht kannst du noch etwas aus Paris oder Bordeaux für deinen Laden gebrauchen? Ich liefere exklusiv.
Mit freundlichem Gruß aus Pau
Avonlea
Lieber Aperdurus,
heute ist Ruhetag in Pau und ich verschreibe alle Karten, die ich unterwegs gesammelt habe. Ich weiß leider nicht mehr, woher diese ist.
Meine Tour ein voller Erfolg für die Vermarktung meines baskischen Walnusspuiddinggels, natürlich gekoppelt an die Rettung der drômischen Walnusswälder. Gleich drei Übertragungshubschrauber waren mir bei der Ernte behilflich und seit ich echte französische Walnüsse habe, funktioniert das auch mit den guten Platzierungen. Mein 89.Platz auf der 13.Etappe nach Revel war super. Da steckt ordentlich Kraft in der Walnusspampe!
Gibt es in Pau irgendetwas, was es in Valence nicht gibt und was ich kurz rüberschicken könnte?
Liebe Grüße
Avonlea
Lieber Cristobal,
deine Karte kommt aus… na, du siehst ja selber woher.
Die Tour ist sehr erholsam, ich musste mich fast gar nicht anstrengen. Toll, was klares Wasser so alles bewirken kann. Da macht es auch gar nichts mehr, dass ich vor der Tour noch 10kg Übergewicht hatte.
Soll ich dir was aus Bordeaux mitbringen?
Ansonsten:
Gruß aus Pau,
Avonlea Simón!
P.S.: Diese Karte hat Simón unter meinem Namen verfasst, der Drops! Frechheit. Ich werfe sie trotzdem ein, das Porto ist schon drauf.
Lieber edwin,
es ist Ruhetag in Pau (Karte umdrehen) am Fuße der Pyrenäen. Ich nutze die Zeit um mich von den anstrengenden Etappen zu erholen, bin es aber gar nicht mehr gewohnt, zu Fuß irgendwo hinzugehen. Das Rad kann ich heute aber auch nicht mehr sehen. Deshalb trägt Simón mich durch die Stadt. Wir haben überall eine Brauerei gesucht, die uns in ihre Küche ließ. Als alter Flensburger kennt Simon natürlich genaustens das Rezept von „flens“. Dieses Wort könnte auch gut ein französisches Wort sein! Ist aber noch unbesetzt.
Ob unser Klinkenputzen Erfolg hatte, wirst du übermorgen ja selber in Erfahrung bringen können. Ich gehe fest davon aus, dass du irgendwo zwischen Pau und Bordeaux an der Strecke stehen wirst. Wink dann bitte meinen Servicewagen heran (Winkzeichen: Mit den Händen ein A formen, dann ein V und so weiter.)Wenn Simon dann kommt, schmeiß die leere Flasche in den Graben und nimm mit Schwung die neue entgegen.
Mit freundlichem Gruß und Prost
Avonlea
Liebe Fee,
für meinen treuesten Fan habe ich eine besonders schöne Karte ausgewählt. Auf der 12.Etappe kamen wir an den Cevennen vorbei. Das Tempo im Feld war irrsinnig hoch und ich wurde abgehängt. Als ich schließlich in Mende ankam, hatten alle Läden zu, nur die Tankstelle nicht. Weil Simón am Aufbau meines Dixieklos scheiterte, ging ich dahin. Für den Warengutschein kaufte ich diese Karte.
Die Tour ist wahnsinnig anstrengend, aber mittlerweile dürfte ich die Kondition haben, um zum nächsten Forumstreff ins Rheinland zu fahren. Aber der neuste Stand ist ja, dass ihr eine geheime Wattwanderung an der Kanalküste mit anschließendem Karneval plant. Da überleg ich mir das noch mal.
Möchtest du noch was aus Pau, Bordeaux oder Paris haben?
Liebe Grüße
Avonlea
Liebe Gretchen,
für meinen treuesten Fan habe ich eine Karte aus meinem Lieblingsort ausgesucht, den ich bei der Tour entdeckt habe. Châtillon-en-Bazois. Das war auf der sechsten Etappe bei Kilometer 146. Alle haben da ein bisschen gebummelt und ich hatte zufällig auch noch einen Reifenschaden. Während Simón den Schlauch geflickt hat, setzte ich mich in so eine Eisdiele mit kombiniertem Touristenladen und da sah ich diese Karte. Ich kann mich kaum davon trennen, denn seitdem denke ich an nichts anderes als daran, einmal im lieblichen Burgund eine Bootstour zu machen. Vielleicht wäre das was als Forumsausflug? Du kannst ja schonmal auf der Spree üben.
Gerade sitze ich in Pau am Rand der Pyrenäen. Hier ist es auch schön. Ich muss jetzt Schluss machen, der Lenz guckt mir in die Karten.
Salutations,
Avonlea
P.S.: (steht im Adressfeld links neben der Briefmarke) Ich hoffe, ich habe nicht zu klein geschrieben, aber es gibt immer so viel zu erzählen, wenn ich in Frankreich bin.
Liebe Souris,
ich weiß, dass du auch gerade in Frankreich bist, aber ich schreibe dir trotzdem. Diese Postkarte habe ich in Sisteron erstanden, kurz vor dem Start der elften Etappe. Auch wenn du Camargue-Fan bist, vielleicht ist es noch nicht zu spät umzuschulen! Die Provence ist ganz reizend. Ich habe auch umgeschult vom Nicht-Sprinter zum Nicht-Rundfahrer und es hat funktioniert. Diese Tour ist sehr lehrreich für mich.
Die Frage, ob ich dir was aus Frankreich mitbringen soll, erübrigt sich. Nachher hast du zweimal Sel d’Aigues Mortes in der Küche stehen. Deshalb schicke ich nur ein bisschen Sonne mit.
Liebe Grüße an die ganze Familie,
Avonlea
[size=75]Bildquellen:
su-utrecht.nl/
visoterra.com/
germanistik.uni-freiburg.de/
jetztimg.sueddeutsche.de/
hotel-lauriersroses.de
leboat.it
web-provence.com/[/size]
Dieser Simon ein Schlawiner, aber er wird sich bestimmt was dabei gedacht haben, also sei gnädig mit ihm, auch wenn er die Portokasse belastet.
Bordeaux… da is ja noch hin … zumindest steht vorher noch 1 x der Tourmalet auf dem Programm. Drum wünsch ich mir, dass ihr auch ankommt dort und dann freu ich mich natürlich auf ein Photo von euch Beiden vor der „Colonne des Girondins“
na so ein netter und toller postsevice,da ist man ja fast gerührt
merci beaucoup
Salut Avonlea,
Dank für Deine Karte. Sie hat mich sehr gefreut. Ich will mich mit der Madeleine
aus Paris, wo ich gestern war, revanchieren. Ich bin vor 3 Jahren vom Iséran kommend über den Col de la Madeleine, dessen Bild Du mir schicktest, gefahren. Der war harmlos, hingegen anschließend der Col du télégraphe….der hatte es in sich. In Valloire war dann verdiente Ruhe.
Tja, Deine Etappe hat es heute in sich. Soulor und Marie-Blanque sind zwar nur Cat.1, aber der Soulor steigt im Anfang zweistellig, um dann bequemer zu werden, während es beim Marie- Blanque genau umgekehrt ist. Der geht in der 2. Hälfte ebenfalls zweistellig zur Sache, der Paß ist hinterlistig. Warum der bloß einen weiblichen Namen trägt?
Und dann noch der Tourmalet……! HC- hors catégorie! Bitte schone Dich heute, Platz 93 muß ja nicht sein. Das Wichtigste ist doch, daß Du heil auf den Champs-Elysées ankommst.
Hier wartet nämlich, wie ich gestern mit eigenen Augen gesehen habe, schon einer
auf Dich. Und es soll Dir bitte nicht passieren, wie seinerzeit einer Konkurrentin. Die rannte nach Ankunft in Paris, ohne die Ehrungen abzuwarten, schnurstracks durch die Tuilerien,
um in den erfrischenden Wässern um die Pyramide
Abkühlung zu suchen. Ein wahrer Spießrutenlauf.
Alles verschwamm ihr schon vor Augen. Gerade Linien wurden zu Wellen.
Sie schaffte es gerade noch, sich ihrer beengenden Radlkleidung zu entledigen, dann wars kurz vor ihrem ersehnten Ziel vorbei. Ungebadet und auf hartem Stein liegt sie im Angesicht des Louvre
heute noch—ausgemergelt, ausgepumpt , erschöpft……
Da tragen selbst die Sonnenschirme Trauer.
Ich frage Dich, geht es noch tragischer, ist dies ein vorderer Platz in der TDF überhaupt wert? Die Krone gebührt Dir ohnehin.
Einen schönen Gruß aus der Drôme
Aperdurus
PS: Ich habe hinten auf Deine Postkarte geguckt- komische Briefmarken habt Ihr in den Pyrenäen.
danke a-lea, für deinen lieben kartengruß!
für deine nächste schreibattacke
lege ich dir ein paar briefmarken bei.
leider sind die NICHT selbstklebend,
aber ich habe die gummierung extra für dich selbst
angerührt und so solltest du in paris ein miracle erleben!
ich warte dann nach deiner zeileinfahrt vor der hausnummer 101 auf dich…
Pau, 22.Juli 2010, 17.Etappe: Pau – Col du Tourmalet, 174km
Mythos Tourohweh
3D-Routenplanung: Von links nach rechts: Abfahrt vom Col de Soulor, die Schlucht Gorge de Luz, der Tourmalet.
Guckt euch das mal an!
Willkommen auf dem Tourmalet, willkommen zur finalen Schlammschlacht auf dem Festivalgelände. Bringen Sie Gaskocher und Ravioli bitte selber mit. Mehr als zwei Wochen hatten wir Hitze, jetzt ist Schluss damit. Ausgerechnet heute, wo es den letzten und schwersten Pass hoch geht.
Ich muss es jetzt sagen, es muss raus: Ich fürchte, dass ich schuld an dem Wetter war. Am Dienstag nach der Knüppeletappe mit vier schweren Pässen habe ich ein Gebet losgeschickt. Für Donnerstag bitte Schnee ab 1200m! Bitte bitte bitte! Es half nichts, wir mussten heute trotzdem hoch. Dafür habe ich 8°C und Dauerregen erwirkt.
Ruhetag im Lazarett Pau
Gut, dass gestern Ruhetag war. Nach drei schweren Pyrenäenetappen unverzichtbar.
Die Etappe Dienstag war extrem unübersichtlich für alle, das Fernsehen, Betreuer und für die Fahrer. Das trägt natürlich zur Legendenbildung bei. War es wirklich so, dass Eugène Christophe im Jahr 1913 zu Fuß den Tourmalet runterstampfte um in einer Schmiede seine gebrochene Gabel zu reparieren? Stimmt es wirklich, dass sich Jens Voigt (Saxo Bank) im Jahr 2010 nach einem Sturz auf der Peyresourde-Abfahrt ein Jugendfahrrad borgte, um die Abfahrt zu Ende zu bringen? Immerhin gibt es davon ein Foto. Harter Hund. Am Ruhetag bin ich mit dem Auto durch die Pyrenäen gekurvt und habe mir den Unfallort mal angeschaut. Er hat die Straße komplett zerstört:
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Der Ruhetag war mehr als nötig und ich konnte mich ein bisschen erholen. Ich habe Eis gegessen und am Pool gelegen. Man trifft die Fahrer in der Stadt in den Eisdielen. Eis ist erlaubt, zu diesem Zeitpunkt der Tour gilt es nur noch, möglichst viel Kohlenhydrate in den Körper zu bekommen. Es gibt kaum einen Fahrer mehr, der keine Verbände und Pflaster mit sich herumträgt. Dementsprechend sind auch die Hotel-Schwimmbäder leer.
Heute würde sich die Tour entscheiden. Die letzte Bergankunft bietet die letzte Chance für Andy Schleck (Saxo Bank), sich noch das gelbe Trikot von Alberto Contador (Astana) zu schnappen. Mein Hotel in Pau war beim Frühstück sehr parteiisch, die orakeln so:
Bin ich noch ganz (wasser)dicht?
Heute wetterbedingt keine Fernseh-Hubschrauber. Es ist unglaublich still im Feld, man kann sich unterhalten ohne zu schreien. Ich habe mich dann (als ich noch nicht außer Atem war) mal durchs Feld gequatscht.
- Gudentach, wie geht’s?
- Danke, den Umständen entsprechend schlecht. Und dir?
- Och, ich kann auch klagen.
- Na dann Hals und Beinbruch.
Alles klar, mach’s gut. Wir sehen uns später im Krankenhaus.
Ziemlich am Anfang ist Samuel Sanchez (Euskatel) gestürzt und da plötzlich unterband Contador eine Attacke im Feld. Das bestätigt meine Vermutung, dass er bei seiner Attacke gegen Schleck am Montag einfach nicht nachgedacht hat.
Es schüttet wir aus Eimern, ich hole Ölzeug und Gummistiefel raus. Das Cabriodach zumachen. Heißt: Eine Plastiktüte übern Helm stülpen. Das Motto des Tages also: Entweder nass werden oder totschwitzen.
Immerhin weiß ich jetzt, warum die Pyrenäen so grün sind. Wie Irland, nur auf 2000 Metern Höhe.
Bei diesem Wetter hat jedes Rad seine eigene Wasserfontäne.
Langsam finde ich per Ausschlussverfahren heraus, was ich kann. Ich kann nicht: Sprinten, abfahren, zeitfahren, rundfahren… und auch nicht freihändig fahren. Das ist jetzt ein Problem. Glücklicherweise erklärt sich einer der hinterherbummelnden Fahrer bereit, meinen Lenker gerade zu halten, während ich meine Regenjacke an- oder ausziehe. Immerhin gut, dass ich jetzt ein Carbon-Rad habe, mein alter Stahlflitzer wäre mir bei der Etappe unterm Hintern weggerostet.
Schlafenszeit am Col de Soulor
Mir ist schon beim ersten Anstieg schlecht. Nicht weil ich mich so anstrenge (ok, deswegen auch), sondern weil ich wieder Angst vor der Abfahrt habe. Bei dem Regen, mit profillosen Reifen (fährt man in der Formel 1 bei Regerennen mit Slicks? Nein!) und dann mit Tempo 80 und schlechter Sicht. Ich wünsche mir und allen anderen, dass sie heil die Berge hoch und runter kommen. Ich möchte heute keine Unfälle mehr sehen!
Col de Soulor, 15:50 Uhr: Schafe kreuzen den Weg, wie aus dem Nichts tauchen sie auf Fog, dem Nebel des Grauens auf. Das Hauptfeld bremst, die Motorräder stehen. Ich komme mir wirklich vor wie in Irland. Und wo wir schon bei den Motorrädern sind: Einen Riesenapplaus bitte für die Kameramänner vor allem auf den Motorrädern. Man muss sich vorstellen, dass diese Männer auf den Motorrädern stehen! Und das auch nicht selten auf den Abfahrten bei 80km/h und trotzdem liefern sie fantastische Bilder, an denen sich keine andere Rundfahrt messen lässt. Und schon gar nicht ein Fußballspiel.
Dann die Abfahrt. Simon sagte, im Fernsehen hieß es, dass keiner gestürzt sei. Ich wusste, dass ich ein Niemand bin. Es ging gerade runter, ich wollte den Regenschirm aufspannen und dann rutschte mir das Hinterrad weg. Übersteuert. Im Paradefluch mit zwei blauen, einem roten, einem weißen und einem orangenen Fahrer knallten wir auf die Straße. Zwei hingen am Straßenrand, der Rest, mich eingeschlossen, ist die Böschung runter. Nicht so, es war nicht schlimm tief und das Tempo sehr niedrig, es war auf den ersten Metern der Abfahrt. Es hat nur Zeit gekostet und mir wieder den rechten Ellenbogen aufgerissen. Immer wieder musste ich die Pflaster nachkleben, und am rechten Bein, womit ich quer über die Straße gesäbelt bin, hat es auch höllisch gebrannt.
Ab in die Hölle
Schließlich der allerletzte Berg der Tour. Der Tourmalet. Die Legende im hundersten Jahr nach der Erstbefahrung.
Oben am Tourmalet hat Sim gestern schon mein Sauerstoffzelt aufgebaut.
Diesmal brauche ich die Zeitung unterm Trikot schon beim Aufstieg, so kalt ist das. Ich atme, bis die Lunge blutet. Der Nebel zieht noch zusätzlich zur Höhe den Sauerstoff aus der Luft. Die Nase verstopft, die Schnappatmung setzt ein.
Ich hasse den Regen. Aber als Plattdeutsche kenne ich mich damit natürlich aus. Ich weiß, in welchem Winkel ich durch die Pfütze fahren muss, damit ich hinterher frisch geduscht bin. Aber Regen mag ich wahrlich nicht. Unter der Dusche singe ich immer „Why does it always rain on me“ (Travis) und daran denke ich heute auch. Wenn andere Fahrer an Bücher denken oder sich Geschichten überlegen, kann ich vielleicht ein Lied komponieren, eine französische Tourmalet- bzw. Tourohweh-Hymne. Über Funk schaltet sich der Backgroundsänger ein und Hund mimt den Dudelsack.
Die Zuschauer schreien so laut, dass ich den Funk nicht mehr verstehe, ich fahre einfach. Am Ende stellte sich heraus, dass wir das letzte Grupetto waren, hinter uns nur noch ein paar Nachzügler. Es war die Hölle. Menschen im Nebel, die einen einschreien. Der Nebel selbst, der einem die letzte Kraft aus den Lungen zieht. Was weiter vorne passiert, erfahre ich von Sim.
„Ich werd’ den Tourmalet hochfahren bis ich umfall’“, so A.Schleck nach der Kettenreaktion-Etappe. So ist es gekommen, aber sein Konkurrent Contador ist nicht umgefallen.
Simón hat Fernsehen im Auto, sein Kommentar zu heute:
„Wenn Schleck anfängt zu sabbern, dann ist der am Limit. Das war schon viereinhalb Kilometer vor dem Ende der Fall, der hätte nie und nimmer noch eine Attacke fahren können.“
Ganz Fachmann analysiert er weiter: Wenn die Sache mit der Attacke auf der Luchon-Etappe nicht passiert wäre, hätte Schleck heute trotzdem das Gelbe nicht mehr. Der Abstand wäre sogar noch größer, denn Contador hätte es sich in den letzten Pyrenäenetappen längst durch eine Attacke geholt. So musste er es nur verteidigen und der Abstand blieb gering."
Dem füge ich nichts hinzu.
Jetzt sitze ich die dritte Nacht in Folge in meinem Hotel** in Pau, aber immerhin gibt es deutsches Fernsehen (Kate & Leopold gucken )
Meine Wunden müssen abends offen bleiben, heilt besser (Die Erfahrung habe ich vor zwei Wochen ja schon gemacht) , und werden erst vor der nächsten Etappe zugebunden. Jetzt kann ich mich dann praktisch kaum bewegen. Wenn ich den rechten Ellenbogen auf den Tisch lege, brennt es, wenn ich den linken Arm zum Tippen auf den Tisch lege, brennt es. Also kann ich mittlerweile den linken Ellenbogen aufstützen und mit dem rechten Arm schreiben. Eine lange Hose kann ich auch nicht tragen, ohne dass da was im rechten Bein ziept. Über das Duschen mit Schürfwunden möchte ich nicht sprechen.
Gut, dass ich wenigstens aufm Rücken liegen kann.
Also es ist kein Vergnügen, diese Seite des Sportes. Aber die Profis sind mit der Zeit absolut abgehärtet. In diesem Sinne:
Bis morgen!
P.S.:Und noch ein Rätsel für euch: Was ist eine Passage Canadien? Findet man hier in den Pyrenäen überall.
P.S.II: Danke für all die aufmunternden Worte und die Bilder. Napoleon bekommt noch eine Karte nachgeschickt aus Paris. Ich war mir nicht sicher, ob er hier auch liest.
Classement de l’étape
-
SCHLECK Andy TEAM SAXO BANK 5h 03' 29"
- CONTADOR Alberto ASTANA 5h 03’ 29" + 00’ 00"
… - AVONLEA AVONLEA 5h 35’ 15" + 31’ 46"
Passage Canadien = Klauenfalle
Richtig
Danke für die schöne Karte!
Wie willst du denn die ganzen Einkäufe aus Bordeaux usw. transportieren? Bei Simon im Teamwagen, im Fässchen von Hund (da passt sicherlich auch Wein statt Schnaps rein) oder montierst du noch einen Gepäckträger?
Falls es morgen wieder regnen sollte, dann halte ich aus der Trikottasche heraus den Regenschirm.
hallo a-lea,
du bist so tapfer, ich bewunder dich.
hast du überhaupt noch ein gramm fett am leibe?
vorbeugend für deinen nächsten besuch in einer fallgrube
habe ich dir etwas aus einem berliner souvenirshop besorgt:
Quelle: ampelmannshop.com
Bisher hat sich keiner gemeldet, der noch was aus Bordeaux haben wollte! Damit erübrigt sich jeder Versuch, dieses Problem zu lösen.
Danke! Die Pflaster habe ich gleich heute ausprobiert. Ein Testbericht folgt später.
Mein Fett?
Ich muss sagen, ich war vor der Tour schon leicht untergewichtig, habe dann noch drei Kilo pro Tag abgenommen, aber auch vier Kilo Muskeln gewonnen. Diese Rechnung geht auf, weil ich ja auch allerhand Nahrungsenergie und Wasser in Schweiß, Wärme und Hubarbeit wieder umgesetzt habe. Dementsprechend bin ich nicht 19x1Kilo schwerer geworden sondern nur einen. Alles klar?
Bordeaux, 23.Juli 2010: 18.Etappe, Salies-de-Béarn - Bordeaux, 198km
Warum ist mein Sportabzeichen nur sieben Jahre lang am Sprint gescheitert?
Ich wollte ja alles ausprobieren. In meiner Sammlung fehlte noch ein Sprint und heute war die Etappe potteben, also perfekt für einen Sprint.
Es fing aber schon schlecht an. So am Ende des Feldes rumbummeln und die Landschaft angucken ist nicht. Ich fuhr also mittendrin, um bei dem hohen Tempo nicht abgehängt zu werden. Recht weit vorne aber war auch ganz schön Wind. Weite Felder da im platten Land. Meine Verletzungen schmerzten schon weniger als noch gestern, als ich sie mir zuzog, aber Pflaster müssen trotzdem sein. Gut, dass mir welche zugespielt wurden. Simón hat dafür gesorgt, dass sie unbemerkt ins Hotel gelangen konnten. Die zwanzig Stück reichten gerade für meinen rechten Ellenbogen. Bei dem Tempo und dem Wind heute hat das ganz schön geflattert.
Kurz nachdem Sim das selbstgebraute Flens einem winkenden Zuschauer zugeworfen hatte, musste ich mich zu seinem Wagen nach hinten fallen lassen, um die Pflaster mit je drei Stichen nähen zu lassen. Und da ist mir dann das Malheur passiert.
Mein rechter Bremshebel verfing sich im defekten Seitenspiegel des Mercedes und ich hing fest. Sim schrie „Merde!“ und schaltete fix den Autopiloten ein um dann einen Befreiungsschlag zu versuchen. Nichts ging. Ich hing bei 50 km/h am Auto fest. Es durfte nur keiner erfahren, denn erstens hätten alle gelacht, auch wegen des Zustandes meines Teamfahrzeuges (vor allem die Leute von Sky, die Jaguars fahren und meinen Mercedes übertrumpfen ) und zweitens hätte die Rennleitung mich bestraft, denn man darf sich weder im Windschatten seines Autos aufhalten, noch sich lange daran festhalten. Immer wenn eine Kamera oder der Chef Prudhomme mit seiner roten Tour-Limousine vorbeikam, habe ich wild in die Pedale getreten.
Als wir an Cameron Diaz und Tom Cruise vorbei waren, die am Streckenrand standen um bei der Tour für ihren neuen Film Reklame zu machen, wagte Sim dann den nächsten Stunt und ging mit der Flex zu Werke. Gut, dass meine Radbrille getönt ist. Der Milram-Teamwagen hinter uns beschwerte sich über den Funkenflug, aber das Problem lösten wir. Für ihr Schweigen bot ich meine Helferdienste für den Sprinter Gerald Ciolek an. Ich wollte heute ja sowieso sprinten und wenn ich dann aus Versehen die Ziellinie übersehe, gewinne trotzdem ich und nicht er. Die Sache war also easy.
Die 40km-Marke vor dem Ziel. Während Hund in den Kurven lenkt und Simon ab und zu einen Schluck von dem Getränk im Fässchen verabreicht, macht Sim sich jetzt mit dem Hammer am Spiegel zu schaffen. Mein Bremshebel sieht schon sehr mitgenommen aus. Aber mitgehangen ist mitgefangen.
Noch 30km. Das Fernsehen und die Rennleitung fahren mal wieder vorbei. Ich entschließe mich dazu, meine Startnummer abzureißen und den Bordcomputer aus Angst vor Ortung herunterzufahren. Simon versucht jetzt eine Laubsäge.
Noch 20km. Die Carbonhebel sind zu robust für eine stumpfe Säge. Langsam beruhige ich mich und genieße den Fahrtwind. Ich lange selber durch das Fenster nach hinten in den Wagen und versorge mich mit Hühnerfrikassee und rühre mir eine Crème Brûlée an: In Simons Werkzeugkasten finde ich einen Bunsenbrenner.
Noch zehn Kilometer. Jemand aus dem Milram-Wagen wirft einen Schraubenzieher rüber, es wird langsam Zeit, den Sprint anzufahren, die Ausreißer sind so gut wie gestellt. Endlich aber doch schafft mein Mechaniker es, den doofen Bremshebel abzuschrauben und ich brause noch vorne ins Feld. Mich kann nun wahrlich keiner mehr bremsen. Und während alle schon nach über 170km vor Anstrengung schnaufen und hyperventilieren, ist bei mir alles ganz locker. Nur für die Kameras schütte ich mir noch schnell ein bisschen Wasser ins Gesicht. Nicht dass jemand mein schweißloses Gesicht falsch deutet
Im Feld ordnet sich alles, Columbia und Lampre machen das Tempo für Cavendish und Petacchi. Dann treffe ich auf G. Ciolek, stelle mich kurz vor und versuche überzeugend zu wirken: Na klar bin ich Sprinterin und trotz meiner eher windschattenlosen Statur die perfekte Anfahrerin!
Das Ende vom Lied: Ich sprinte wie wild dem Cavendish hinterher und komme bis auf hundert Meter ran. Ein Mega-Erfolg! 23. Platz! Mein bestes Ergebnis bei der Tour bisher. Ich juble und der Ciolek brüllt mir was zu. Ich habe nichts verstanden, aber ich lege es als Lob aus. Aber schon komisch, dass er gar nicht mehr versucht hat zu gewinnen. Das lege ich dann mal als großes Gönnerherz aus.
Dass meine Etappe 50km kürzer war als die der anderen hat bisher noch keiner gemerkt. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen und rechne nicht mit einer Zeitstrafe. Ganz beseelt von meinem tollen und erholsamen Tag spazierten Sim und ich noch durch Bordeaux und machten das von Cristo gewünschte Foto:
Wie Sie sehen sehen Sie uns nicht. Das heißt aber nicht, dass wir nicht vor diesem Momument gestanden haben wie gewünscht. Es war nur so, dass uns ja jemand fotografieren musste. Also hat Sim die Kamera dem erstbesten Japaner in die Hand gedrückt und machte sich dann daran, alle Leute zu verscheuchen. Als das gelungen war, wussten wir nicht mehr welcher Japaner unsere Kamera hatte und - lange Rede, kurzer Sinn: Wir stehen auf der anderen Seite des Koloss. Ein kleines Malheur. Schade auch, so kann man nicht sehen, wie schön ich gelächelt habe. Um Simóns schiefes Grinsen ist es nicht schade, aber mein zufriedenes Lächeln nach der Etappe wäre es wert gewesen, auf einem Foto verewigt zu werden.
P.S.: Das Rätsel um das Etagenbett bei Radioshack (siehe Eintrag vom 11.Juli) ist gelöst.Der ist ja ganz ausgebufft, der Klöden. Warum wundert mich das nicht?
Classement de l’étape (Morgen rechne ich mal wieder das Gesamtklassement nach )
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CAVENDISH Mark TEAM HTC - COLUMBIA 4h 37' 09"
- DEAN Julian GARMIN - TRANSITIONS 4h 37’ 09" + 00’ 00"
- PETACCHI Alessandro LAMPRE - FARNESE 4h 37’ 09" + 00’ 00"
- MC EWEN Robbie KATUSHA TEAM 4h 37’ 09" + 00’ 00"
… - AVONLEA AVONLEA 4h 37’ 09" + 00’ 00"
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CIOLEK Gerald TEAM MILRAM 4h 37' 09" + 00' 00"
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DE WEERT Kevin QUICK STEP 4h 37' 09" + 00' 00"