Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen ...

Liegt seit Tagen in meinem Scanner, jetzt steht sie aber endlich im Forum: Eine Karte zur Orientierung. Im Westen sind die Proportionen aber etwas verschoben.

[size=150]Saint-Tropez[/size]

Sans trop de pèse. St. Tropez, der einzige Schickimicki-Ort, den die Franzosen selber entdeckt haben, zudem der einzige, der von Anfang an ein Urlaubszentrum des Sommers war und nicht wie Nizza oder Cannes des Winters.
In der Unwissenheit, ob wir überhaupt einen Fuß auf den Boden kriegen würden, fuhren wir kurz nach 10 Uhr los. Wie 2009 erwarteten wir verstopfte Straßen und belegte Parkplätze. Wie ein Wunder jedoch war dem diesmal nicht so, und der Grund war offensichtlich: Es war kein Markttag, sondern Donnerstag. Gut, die Parklücke war dann doch etwas eng, wir stiegen durch das Schiebedach aus.
Am Hafen mit den Mega-Jachten, immer den Touristenströmen nach ging es in Richtung Innendorf. Eine Sache faszinierte mich und zugleich habe ich noch nie etwas so lächerlich gefunden wie das. Jeder Tourist, der uns begegnete, und es waren zweifellos Touristen, hatte sich herausgeputzt. Die Mädchen und Frauen trugen Sommerkleider, modische Sonnenbrillen und eine perfekt gestylte Mähne. Und Schmuck natürlich. Die Männer ausnahmslos Flipflops, Hemd oder Polo-Shirt mit hochgschlagenem Kragen (die BWL-Montour, wie man sie an der Uni nennt) und verspiegelter Sonnenbrille. Was erwarten diese Leute? Nicht aufzufallen als Tourist? Dass man sie mit Reichen verwechseln könnte? Dass sie „entdeckt“ werden? Wie lächerlich. Wenn ich sie nicht sowie schon getragen hätte, hätte ich demonstrativ meine Touristenuniform angelegt. Geschmacklose aber bequeme grüne Karo-Shorts, farblich dazu passend ein rotes T-Shirt, weiße Socken und abgelatschte, blaue Wildlederturnschuhe, Knipskiste in der Hand, Plastiksonnenbrille.

An solchen Tagen präsentiert sich die Hochprominenz bestimmt nicht in St. Tropez. Was man sehen konnte, waren maximal Neureiche, die gerne vor Touristen posen, sich mit einem Mercedeskleinbus an den Hafen chauffieren lassen um dann auf einer Tankerjacht zu verschwinden, die 6 Millionen Euro kostet und 800 Liter Diesel pro Stunde Vollgas schluckt, wie wir in Erfahrung bringen konnten. Als wir auf der berühmten Mole standen und einen Überlick über die Bucht mit dem dunkelblauen, wilden Wasser und den kleinen Hafen hatten, musste ich beim Beobachten der Bööööööötchen unwillkürlich an Guido Westerwelle denken. Wenn etwas spätrömisch dekadent ist, dann das hier! Jachten, die höher sind als die höchsten Häuser der ersten Reihe. Nichts gegen ein bisschen Luxus. Aber es ist eine Frage des Maßes. Und was wir da sehen konnten fällt ganz klar unter Maßlosigkeit.

Dabei ist St. Tropez ein wirklich wunderschöner Ort. Das hätte ich gar nicht gedacht. Ich hatte gedacht, es wäre überall wie am Hafen mit diesen Luxusboutiquen und Touristenströmen. Es war aber nicht so. Das „St. Tropez der zweiten Reihe“, wie ich es ab sofort nennen werde, ist einfach nur ein außergewöhnlich hübscher, typisch südfranzösischer Ort mit kleinen Gassen, blumenbewachsenen Fassaden, einer bunten Kirche als Zentrum und Markenzeichen und einer an sich traumhaften Lage. Nur dass in den Abflussgittern am Straßenrand neben den üblichen Zigarettenstummeln auch Zigarren liegen.

Wir liefen ein Stück am Meer entlang und bogen am Ende ab, die Straße hoch zur Zitadelle, von wo aus alle diese Bilder gemacht wurden, die St. Tropez durch Pinien hindruch malerisch vor dem blauen Wasser zeigen. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz am neuen Hafen, nochmal durch das Dorf hindurch, stelle ich fest, dass St. Tropez und ich versöhnt sind. Doch gut, dass ich mitgekommen war. Auch wenn meine als Ersatz geplante Wanderung zum Cap Lardier ins Wasser gefallen ist. War sowieso zu warm an diesem Tag.

P.S.: Einen vom Tourismus überverwöhnten Ort erkennt man daran, dass das Touristenbüro Stadtpläne nicht mehr gratis abgibt, sondern 2€ für den Wisch verlangt. St. Tropez ist Nummer 2 auf meiner Liste. Nach Porquerolles.


Am Hafen


Vom Hafen weg


Wo sind sie denn plötzlich, die Touristen und Möchtegernreichen?


Kirche

Oh ja, es ist sehr hilfreich, wenn man weiß wann und wo Markt ist. :wink:

Ich war vor Jahren in St. Tropez und fand den Ort sehr hübsch, vor allem, wenn man sich vom Hafen entfernte.

[size=150]Bonjour Tristesse[/size]

Was macht man an den letzten beiden Urlaubstagen? Noch einmal alles rausholen, wandern und durch die Gegend fahren bis zum Umfallen? Faulenzen und die Sonne genießen? Oder sich schonmal auf die bevorstehende Tristesse des Nach-Urlaubsloch vorbereiten, das einen trifft, wenn die Organisation seiner eigenen Zukunft nebst Prüfungsstress bevorsteht? Ehe man sich entscheiden kann, ist man dann schon mitten drin in einer wilden Mischung aus allem drei. Erst faulenzen und durch das Dorf streunern. Sand als Erinnerung sammeln, Samen für künftige, verzweifelte Züchtungen, die ein Stück des Südens in den Alltag transportieren sollen und Souvenirs für die beste Freundin kaufen. Die fand ich ausgerechnet in dem Laden, den ich die ganze Woche über gemieden hatte. 2009 trafen wir dort auf einen unfassbar grimmigen und unfreundlichen Verkäufer. Aber diesmal war alles anders und ich war ganz perplex. Statt wieder unfreundlich zu sein und sich über die nervigen Touristen zu ärgern (die seinen Laden finanzieren), hielten wir diesmal einen netten Plausch darüber, dass so viele euopäische Jugendliche Französisch lernen, und über Émile Zola. Tatsächlich. Welch eine Bestätigung des französischen Klischees. Das wahre Land der Dichter und Denker, in dem jeder alle Klassiker kennt, während die Deutschen maximal über Dora Heldt oder Charlotte Roche diskutieren…
Leider warf mich dieses kleine Gespräch gleich zurück in meine Depression. Mit dem Tag der Rückkehr müsste ich mit der Vorbereitung der mündlichen Prüfung weitermachen und zugleich alles organisieren, was ich für die neue Uni brauche. Mich trennen von meiner Heimat. Und dann arbeiten, arbeiten, arbeiten.

Sarkozy, der seinen Urlaub in Le Lavandou verbrachte, war sowas wie unser Running Gag der Woche. Bei einem letzten Shopping-Besuch in Le Lavandou dann der letzte, der allerletzte. Einer aus unserer kleinen Kaffeefahrttruppe wollte günstige Turnschuhe kaufen, aber die Auslaufmodelle waren nicht in seiner Größe.
„Kaufen die Franzosen nur kleine Schuhe, oder was?“
„Ja, hat Sarkozy verfügt.“

Am letzten Morgen, dessen Dunst die Îles d’Or verschwinden ließ, machten wir uns dann mal auf, um der Sommerresidenz des Präsidenten, dem mysteriösen Fort Brégançon, zumindest aus der Ferne einen Besuch abzustatten und auf dem Sentier du Littoral ein paar Stunden zu wandern. Dass Sarkozy an jenem Tag aber nicht mal an der Küste war, merkten wir nicht an der seit einigen Tagen erstmals mangelnden Polizeipräsenz überall, sondern abends am Fernsehen. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA an jenem Tag und die Meldung, dass Sarko und Merkel in Berlin darüber Kaffee trinken und Kuchen essen, waren die wichtigsten Themen.

Jene Passage der Küste gehört zu den unberührtesten an der Côte d’Azur. Keine Hauptverkehrsstraße führt hier durch, das Parken am Straßenrand ist nicht erlaubt, nur zwei Weingüter überhaupt deuten darauf hin, dass hier, nur ein paar Kilometer vom Ferienort Bormes-la-Favière entfernt, Menschen leben. Sonst nur Felder, Gestrüpp, Korkeichen, Zikaden. Die Strände sind nur per Wanderung erreichbar und davon wollten wir uns jetzt überzeugen. 90 Minuten vom Plage de l’Estagnol zum Cap Brégançon und zurück. Einzelheiten dieser Tour gibt es nicht zu berichten. Es reduziert sich auf die Substantive Schönheit, Meer, Felsen, Strand, Menschen, Algenpolster, Mini-Buchten, Sonne, Neugier. Bewusst zu wandern gefällt mir wirklich gut und fühlt sich ganz anders an als meine Touren in den Jahren zuvor, wo die Wanderungen überraschend und unfreiwillig kamen.

Wir verlassen Bormes bei 17°C morgens um 8 Uhr, dicke und faszinierende Regenwolken hängen über Küste und den Bergen. Heftig regnet es in Orange, während Baden bei 20° unter der Abendsonne liegt. Die Melancholie hat mich zurück, wie ich feststelle, als meine traurige Lieblingsmusik anders als unter der Sonne des Südens wieder funktioniert und mich tröstet. Ab jetzt gibt es ja wieder etwas, das Trost brauchen kann. Und dann noch das Hessen-Happy-End: Um einem Stau bei Mannheim auszuweichen, fährt man kurzerhand mitten durch das beschauliche, ruhige, friedliche Hessen, vorbei an der Burg von Marburg im letzten Sonnenschein, durch kleine, hübsch herausgeputzte Fachwerkdörfer. Es wäre wirklich schade, wenn man Hessen ausbaggern und exportieren würde. Trotzdem jede Wette, dass ich meine Meinung wieder ändern werde, sobald die nächste Fahrt nach Frankreich ansteht und Hessen die Tour wesentlich verlängert.

Zu Hause sehe ich, dass das Wasser auf meiner Fensterbank steht. Dass die Pfützen der Straße wieder einmal über ihre Ufer getreten sind. Und dass der Rasen so hoch gewachsen ist, dass man ihm nur mit einem Mähdrescher beikommen kann. Egal wie sehr man es auch versucht, man kann sieben Tagen Regenwetter nicht entkommen.


Bäume. Und links der angenehmste Wanderuntergrund an diesem Tag. Später folgte die ein oder andere Kletterpartie über glitschtige Felsen


Mir gefällt die Farbkombination, die man an jener Stelle finden konnte. Rot, blau, grün in den schönsten und strahlendsten Versionen


Beobachtung am Wegesrand. Ja, das sind wirklich Wurzeln, so dick wie Wasserrohre


Das Cap Brégançon samt Fort

Links
Beschreibung und Impressionen dieser Wanderung bei Balade en Provence
Eine andere Wanderung auf dem Gebiet der Kommune von Bormes: Sentier du littoral von La Favière zum Cap

Ja, ja, ja! Die Farben. Jeden Tag und zu jeder Stunde immer wieder neu, obwohl die gleiche Stelle! Schön!

Schöner Bericht und tolle Bilder, danke Avonlea. :merci:

:merci: Herrlich die verkrüppelten Bäume an den Küsten geben immer prima Motive ab. Wie der einzelne in deinen Link :top:

Bäume sind die stummen Stars jeder Landschaftsfotografie!
Den hier habe ich auf der Giens-Wanderung gesehen:

Die eine Seite ist kaputt, aber trotzdem oder gerade deswegen habe ich selten einen Baum gesehen, der lebendiger und beweglicher wirkt als dieser.

P.S.: Souris, jetzt darfst du mit deinem Reisebericht beginnen! :mrgreen:

Jau, ich bin noch dabei die Fotos zu sortieren. :laughing:

:top: wenn ich die Bilder so sehe verspüre ich schon wieder so ein leichtes zucken in meinen rechten Zeigefinger :smiley:

Ganz toller Bericht mit schönen Bildern! Kompliment!

lg Susi

Merci beaucoup! :slight_smile: