Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen ...

Ich kann mich nur anschließen, bin aber selber noch nicht wirklich hier angekommen und habe meine Eindrücke noch im Kopf. Deshalb kann ich nicht mehr dazu sagen.

Ts ts, was für eine Ausrede. Du willst dich nur vor dem Verfassen deines Reiseberichts drücken, mit dem man dir demnächst in den Ohren liegen wird. :stuck_out_tongue: :mrgreen:

:astonished: Ich bin schockiert! Das traust du mir zu??? :laughing:

Schreiben tu ich ja eh. :wink:

Moin,

sehr schöner, interessanter Bericht. So manches Mal musste ich schallend lachen, ich war ja selbst gerade in der Hochsaison unten. :smiley:

Wobei wir aber auf der Hintour über kleinste, engste und bergigste Departementales gefahren sind. Da gab es keine Staus, im Gegenteil. Ich wurde da oben stellenweise von wildgewordenen Franzosen überholt. :smiley:

Etwas anders sah es dann kurz vor Guejan-Mestras usw. aus. Da gab es dann das allerfeinste chassé-croisé. Die Jungs waren mit dem Rad schneller in Guejan und Arcachon als ich mit dem Auto. :smiley: :smiley:

Auf der Rückfahrt hat es sich dann gerade an den « péages » als absoluter Glücksfall erwiesen, dass ein « Télépéage-Badge » im Auto war. Kein chassé-croisé für uns, wir konnten so durchfahren. Der Rest stand. :smiley:

LG,

Oliver

[size=150]Le Lavandou und Giens[/size]

Montag, 1. August. Der Juli endete in Frankreich mit einem am Berghang eiskaltem Abend, am Wasser hingegen lau und angenehm. Sonntagabend hat sich unsere kleine Reisegruppe in Le Lavandou umgesehen. So sollte jeder Juli enden, mit einem touristischem Bummelspaziergang am Touristenjachthafen in einer Touristenstadt. Le Lavandou, das ist anderer Tourismus als im alten Bormes. Es gibt zwei Straßen Altstadt als Fußgängerzone direkt hinter der Promenade mit zugegebenermaßen tollem Strand, an dem man auch abends noch gut weilen und quatschen kann, zwei Schritte von le Grand Bleu entfernt, mit Mittelmeerwind in den Haaren. Die winzige Altstadt von Le Lavandou ist vollgestopft mit Restaurants, die ihrerseits vollgestopft sind mit Leuten, die Fußgänger wie uns beobachten. Ich hasse das. Das Petit Casino, das als einziger Laden in der Umgebung Sonntagabend geöffnet hatte, war vollgestopft mit Leuten. Der Bouleplatz war vollgestopft mit Leuten. Eine Konzentrierung von Leben, die mir tagsüber zu viel ist, mir an so einem Abend aber nichts mehr ausmacht.
In einem kleinen Gemüseladen besorgen wir drei Südfrankreich-Pfirsiche (Ein Drittel davon halb matschig. Wenn man sich sein Essen einmal nicht aussuchen kann, bekommt man gleich Ramsch untergejubelt. Überall das selbe), Tomaten und fantastische Basilikum-Oliven.
Es fällt schwer zu glauben, dass Le Lavandou einst ein kleiner Fischerort war und Zufluchtsort für die Elite der deutschen Schriftsteller während der 1930er. Kurt Weil, Walter Hasenclever, Bertold Brecht. Wie sich die Welt verändert hat…


Abendstimmung am Hafen in Le Lavandou

Dann der Montag. Ferien für die Regierung, Sarkozy traf an der Küste ein. Doch statt drei Wochen auf Staatskosten im Fort Brégançon zu verbringen, das als traditionelle Sommerresidenz des Präsidenten fungiert, schnorrt er sich einen Urlaub im Haus der Familie seiner Frau am Cap Nègre von Le Lavandou. Seit dem Morgen sind überall Polizisten, in Hyères, wo wir morgens waren, in Le Lavandou und in Bormes. Die Frage ist: Was machen wir jetzt mit unserer Bombe? Mit so einer Polizeipräsenz hatten wir nicht gerechnet. Fahren wir also nach Giens, einem kleinen Dorf auf der gleichnamigen Halbinsel. Giens ist heute Teil des Gebiets von Hyères und liegt am bergigen Ende der Halbinsel. Man schätzt, dass die Verbindung zum Festland erst um die Römerzeit angeschwemmt wurde. Jener Teil wurde früher zur Salzgewinnung genutzt, heute wird es als „Kleine Camargue“ bezeichnet, Flamingos bevölkern die flachen Becken, Zugvögel machen hier im Winter Rast. Surfer finden ihr Paradies auf Erden an der Westküste, einem fünf Kilometer langen Sandstrand. Auch die Botanik erinnert stark an die der Camargue, ich hatte die vielen Pinien, deren Wurzeln die Straße anheben, die gigantischen Oleanderhecken und die bambusartigen Gräser, deren Namen ich nicht kenne, vermisst.

Nach Giens fuhren wir einmal aufgrund der Beschreibung in einem Wanderführer, den ich vorher studiert hatte. Unser erster Wandertag sollte die Westseite des Endes der Halbinsel erkunden, der zahlreiche kleine Inselchen vorgelagert sind und wo keiner mehr wohnt außer Zikaden und Eidechsen. Außerdem las ich in der Zeitung in Achern auf der Fahrt eine Vorschau, die den Artikel „Geheimtipp Giens“ ankündigte. Meine Reisebegleitung befand: „Da müssen wir unbedingt noch hin, bevor ab Dienstag die Baden-Würtemberger einfallen!“. Gesagt, getan. Das Dorf Giens bietet zwei Straßen mit einer kleinen beigefarbenen Kirche und einer Bougainvillea davor. Am Ende der Hauptstraße finden sich die Ruinen eines Châteaus. Das heißt: Es gibt eine Mauer, die irgendwie alt aussieht und oben drauf eine Aussichtsplattform, von der aus man eine tolle Sicht auf die Salinen, auf Hyères und Toulon sowie auf Porquerolles hat. Ein Zebra-Schmetterling, den ich noch nie vorher gesehen habe, ein überaus großes und schönes Exemplar, flattert mir vor der Nase rum. In Giens starb der Literaturnobelpreisträger Saint-John Perse vor 36 Jahren.

„Et c’est un chant de mer comme il n’en fut jamais chanté, et c’est la Mer en nous qui le chantera:
La Mer, en nous portée, jusqu’à la satiété du souffle et la péroraison du souffle,
La Mer, en nous, portant son bruit soyeux du large et toute sa grande fraîcheur d’aubaine par le monde.“ (aus dem Prosa-Gedicht „Amers“)

Das Meer ist an diesem Tag wirklich von erstaunlicher Bläue. Keine Wolke, kein Wind und folglich keine Wellen. Bevor wir zur Wanderung aufbrechen, stärken wir uns in einem Bistro. Meine Mitreisenden bekommen Salat auf Tellern serviert, ich kriege mein als „Sandwich Jambon“ deklariertes halbes Baguette in einer Brottüte vor die Nase gesetzt. In das Glas Orangina nieselt es auf einmal rein, nur mit einem „Pfffffffffff“ als Vorwarnung. Das kommt mir bekannt vor. Wieder ein Restaurant, das seine Gäste zurück nach Hamburg versetzen möchte, indem man sie mit Wasser besprüht. Ich verstehe den Kick daran nicht. Abkühlung bringt das keine, sondern sorgt lediglich für klebrige Haut und dass Essen und Getränke verdünnt werden. Vielleicht ist die Funktion auch die eines Rauschmeißers: Wenn das Glas wieder voll ist, ist es Zeit zu gehen!

Machen wir. Wandern im Westen der Insel. Vorbei am kleinen Campingort und Mini-Freizeithafen von La Madrague und kurz vor militärischem Sperrgebiet. Wieder einmal. Alle guten Orte der Küste sind sinnloses Sperrgebiet. Die schöne Île du Levant, Giens und dann auch noch das tolle Cap Brégançon. Man könnte fast denken, dass das Absicht ist. Die Paradiese den militärischen Eliten! Wie war das noch mit den Privilegien in Frankreich? Jeder ist privilegiert und wir fangen bei den Staatsleuten an.
Die Erde im Westen ist orange und die Vegetation faszinierend. Wie die Natur an die Trockenheit angepasst ist. Wer baden möchte, muss steile Felsen hinunterklettern und im Wasser auf seine Knie und Füße aufpassen. Doch wer das geschafft hat, hat sichtlich Spaß: Der kann sich von den Wanderern beobachten lassen beim Toter-Mann-Spielen oder beim Rüberschwimmen zu den steinernen Inseln. Auch in dieser nicht gesperrten Zone finden sich militärische Zeugnisse. Ein Betonklotz steht am westlichen Ende des Wanderwegs und zielt in Toulon. Das muss eine Schießvorrichtung aus dem Zweiten Weltkrieg gewesen sein und dient heute als Aussichtspunkt für Kletterfreudige. Man sieht Toulon so nah wie nirgends sonst, die Erdkrümmung, die Inseln und die Boote. Schön.


Weiß jemand, was das ist? Bis jetzt nenne ich sie Flötenputzer.


Anfang des Wanderweges im Westen der Halbinsel Giens


Ein Blick nach Toulon


Kleine Bucht, leider gerade anderweitig erobert worden, wie man sieht. Man beachte auch die Beschaffenheit des Wanderweges: Entweder geht man in der Rinne wie ein Model auf einem Catwalk, immer ein Füßchen direkt vor das andere oder man watschelt breitbeinig mit einem Fuß auf der einen und dem anderen auf der anderen Seite. Hinken geht natürlich auch und ist manchmal die richtige Wahl: Ein Fuß in der Schlucht, der andere oben.


Die Steinernen Inseln. So getauft von mir.

Mehr Informationen
Informationsseite von le Lavandou
Halbinsel Giens bei Wikipedia (frz.)

da erkenne ich einge winkel wieder,seuftz…
lang ist’s her…
:wink:

Hast du da mal gewohnt oder bist du nur gereist?

das waren meine anfänge,im var.
fast drei jahre in grimaud gewohnt und die küste unsicher gemacht… :mrgreen:

Willst du nicht mal Reiseführer schreiben? Ich würde sofort ein Exemplar kaufen. Oder am besten gleich mehrere zum Verschenken :top:

:merci:

Karminroter Zylinderputzer

baumkunde.de/Callistemon_citrinus/Bluete/

Zylinderputzer! Das passt doch. Danke, Souris.

Ist das eine offizielle Vorbestellung? Dann drucke ich die aus und löse sie ein, wenn es so weit ist. :mrgreen:
Nee, ich glaube ein Reiseführer ist nicht mein Ding. Dafür muss man doch in jedem schlechten Hotel gewesen sein und sich in jeder Frittenbude durch das Programm gefuttert haben. Da bleibe ich lieber bei Reiseberichten. Als ich 16 war, habe ich aus einer zweiwöchigen Reise nach Nizza ein ganzes Buch gemacht, selbst gedruckt und selbst gebunden (natürlich schief festgeleimt) und zu Weihnachten an meine Eltern verschenkt. Das war toll, sein eigenes Buch in der Hand zu haben. Der beste Moment meines Lebens. 140 Seiten, Schriftgröße 9, um Platz zu sparen. Schade, dass ich es nur noch elektronisch habe. :frowning:

Klasse Bilder und super nett geschriebener Reisebericht, danke dir dafür :wink:

Ich will ja gar nicht alle schlechten Hotels und alle ungenießbaren Pommesbuden-Angebote kennen, mir reicht schon eine zuverlässige Empfehlung für ein gutes Hotel und ein oder zwei gute (lecker mit vernünftigem Preis-Leistungsverhältnis) Restaurants.
Wenn ich dann noch Tipps zur Staubeschäftigung passend zur Umgebung bekommen kann, habe ich doch alles was ich brauche :smiley:

Mal gucken, was sich machen lässt in den nächsten Jahren. Wie heißt es? Traue keinem unter 30? Ich muss also noch ein paar Jahre warten, bis man mich einen Reiseführer schreiben lässt. :wink:

[size=150]Notre Dame de Constance /Bormes[/size]

Wandertag Teil 2: Auf 324m Höhe liegt eine kleine Wallfahrtskirche und ihr gegenüber ein Aussichtspunkt, von dem aus man aus luftiger Höhe auf das Dorf, in die Umgebung und bis zur Montagne Sainte-Victoire in Aix-en-Provence schauen kann. Der Beginn des Weges liegt am Ende des Dorfes bei der sich in Privatbesitz befindlichen Burg. Am Abend zuvor hatten wir uns da schon den Startpunkt angeschaut. 35 Minuten laut Karte sollte der Aufstieg dauern. Die gut ausgebaute, asphaltierte Straße, die wir vorfanden, bestätigte unsere Schätzung, dass das locker zu machen sei und unser Morgen war verplant. Einzig ein Schild irritierte uns. Voie sans issue und Akupunktur? Was genau wächst da im Massif des Maures, von dem wir nichts wussten?

Doch es wäre zu schön gewesen, wenn die Straße zum Himmel, gewissermaßen ein Pilgerweg, wirklich asphaltiert gewesen wäre.
Am nächsten Tag brachen drei von uns zur Wanderung auf, davon zwei in Sandalen ohne Flasche und auch sonst ohne Plan und nur einer mit Rucksack, Wasserpipeline, Mini-Bonne-Maman-Gläser vom Frühstück für Bodenproben, Tüte und Pinsel für ausführliche Studien, Kamera zur Dokumentation, Anti-Schlangengift, Autan, Wechselklamotten und Rettungsseil. Wer das war, lass ich mal offen :mrgreen:. Unsere schöne Wanderstraße führte in die falsche Richtung. Der echte Wanderweg begann in einem Blumen- und Felsenbeet direkt daneben, gepflastert mit Hinkelsteinen, bewacht von Korkeichen, gekennzeichnet von weißroten Zeichen auf Steinen. „Wandern wir nach Polen?“, fragte es irgendwo hinter mir.

Schon nach zwei Minuten, in denen man sich gut an die Wanderbedingungen, den Untergrund, die Sonne und die Steigung gewöhnen konnte, war ich froh, dass es nicht die asphaltierte Straße gewesen war, die zum Ziel führte. Denn nur wenn man wirklich so in der Natur wandert, mitten im Massif des Maures mit seinem immer wieder faszinierend schimmernden Quarzgestein, zwischen diesen seltsam geformten Eichen hindurch und mit der gespannten Erwartung, was hinter der nächsten engen Kurve kommt, bekommt man ein Gespür für den Ort. Jeder Wanderweg fühlt sich so an, als wäre es etwas sehr Exklusives, ihn zu gehen. Auch wenn er angelegt wurde oder ausgelatscht ist, er ist immer der Zivilisation ein Stück entrückt und der Natur angenähert. Statt in dem Reich der Menschen, das sie sich der Umwelt abgetrotzt haben, ist man dann im Reich der Bäume und endeckt eine ganz andere Seite Südfrankreichs.

Natürlich ist das jetzt nicht der Superwanderweg gewesen, wo man sich durch das Unterholz kämpft und weiße Flecken auf der Landkarte entdeckt, aber für unsere Zwecke reichte es. Hin und wieder kommt man an kleinen Kästen vorbei, in denen hinter Gittern eine kleine Figur steht. Die Heilige Maria wahrscheinlich. Wer will, kann diese Säulen auch als Stütze nutzen, dagegen sinken und beim Blick auf den noch zu bewältigenden Weg nach oben die Augen hervortreten lassen. Ich fand aber, dass der Weg zu bewältigen war und das sogar recht angenehm. Die 35/40min, je nachdem wie oft man sich umblickt und Fotos macht, kommen hin. Oben steht man dann vor einer recht großen, menschenleeren Kapelle aus dem 13. Jahrhundert und der begehrten Aussichtsplattform. Weil die Aussicht wirklich unbeschreiblich ist, wage ich auch keinen Versuch :wink:
Am Wegesrand der Kirche nehme ich dann eine kleine Sandprobe, authentischen Dreck aus dem Massif des Maures, und einen kleinen Wacker. Die Steine sind faszinierend. Man lernt allein durch ihre Betrachtung, warum das Massif des Maures als eines der ältesten Gebirge Frankreichs schon so weit abgetragen wurde im Laufe der Jahrtausende, dass die hächste Erhebung nur noch knapp 800m beträgt. Es bricht wie morsches Holz. Vielleicht ist die Steinlaus keine Erfindung von Loriot? Ein Stein glänzt rotgold, der andere braunsilbern, ein dritter sieht fast aus wie Marmor. Wie sehr man sich bei solchen Entdeckungen wünscht, mehr Geologie beigebracht bekommen zu haben!

Etwas Verwirrung kam beim Rückweg auf. Wo ist der Rückweg? Auf der Rückseite der Kirche gingen mehrere kleine, aber weniger felsige Wanderwege ab, einer davon sollte auf eine Straße treffen, die aus dem Massif heraus zurück nach Bormes führte. In der völligen Einsamkeit und ohne Ahnung marschierten wir einfach los. Nein, diesmal gab es keine Panne und wir fanden die Straße nach etwa einer Stunde, in der wir noch tiefer in das Herz dieses Gebirges vordrangen. Versteckt und umzeunt standen alle paar hundert Meter große, teilweise mit Graffiti beschmierte Wassertanks. Nicht nur Zeichen der „Zivilisation“, sondern auch mahnende Zeugen der stets präsenten Waldbrandgefahr in diesem fragilen Wald.


Einzige Richtung: Nach oben


Gute Aussichten für Wanderer: Die Krise ist vorbei

Mehr Informationen
Panorama-Fotos von der Aussichtsplattform

Was wurde eigentlich aus…

Erste und letzte Folge: Die Orange vor dem Polizeirevier. In meiner Reiseführer-Sektion berichtete ich unter dem Ratgeber-Punkt « Orangen » von zwei schönen Bäumen mit Früchten, die niemandem gehören, die niemand pflückt und die stattdessen jeder pflücken sollte, der eine will. Ich wollte eine. Gut, dass ich erst nachdem ich diese schöne Frucht, ein konzentriertes Stück des Südens, in der Hand hatte, merkte, dass es sich bei diesem öffentlichen Gebäude um die örtliche Polizei handelte. Sonst hätte ich das nie gemacht. Ist aber nichts passiert und ich trug das Obst wie eine Trophäe ins Hotel. Keine Festnahme im Urlaub.

Meine erste eigene Ernte, frisch und ungespritzt und richtig gut duftend. Nach einer sorgfältigen Pellaktion blieb nicht mehr viel Orange übrig. Mit der dicken Schale hätte man ganze Häuser isolieren können. Ein genießerischer Biss endete in einem Drama, das sich über zwei Tage hinziehen sollte. Sie war bitter, sauer und ungenießbar, alles drei in Superlativen. Wie schade. Die ganze Aktion umsonst?

In den nächsten zwei Tagen, die die sterblichen Überreste der Orange im Kühlschrank auf dem Zimmer verbrachten, sammelte ich fleißig Zuckerpäckchen vom Frühstückstisch um dann endlich wenigstens Orangensaft produzieren zu können. Mein eigener Saftladen!
Die Orange ergab im Glas genau zwei Zentimeter Fruchtsaft, mühsam mit beiden Händen rausgequetscht. Der Zucker machte das ganze zu einem Sirop, der anschließend 1:10 mit Mineralwasser verdünnt werden musste, um wenigstens halbwegs ordentlich davon nippen zu können, ohne dass die Bitterkeit wieder durchschlug. Ich wollte alles austrinken. Ich wollte nicht, dass diese Orange umsonst hat sterben müssen. Es war aber einfach zu viel. Je mehr man trank, desto mehr musste man den nächsten Schluck mit noch mehr Wasser verdünnen, am Ende wäre es bestimmt ein ganzer Liter Orangensaft geworden. Es landete im Ausguss und es tut mir heute noch Leid. Das waren die traurigsten Urlaubsminuten meines Lebens. :frowning:


…und was sagt uns das?:
DIESE Orangen benötigen keine lauernde Polizeistreife, Diebe werden von selbst bestraft :smiley:

Absolut. Gestohlene Früchte schmecken nicht.

so ein quatsch,man muss nur wissen [size=200]wo[/size] man/frau sie klaut
:mrgreen:

[size=150]Sanary-sur-Mer - La Ciotat - Cassis[/size]

Mittwoch. Urlaubshalbzeit. Man beginnt sich zu erholen und sich darauf einzulassen, dass der Süden ein Ort ohne Melancholie ist. Wo Sorgen keinen Raum mehr haben und auch die mitgebrachte Lieblingsmusik aus dem Noooooorden nicht mehr funktioniert. Zum Glück vielleicht. Es ist aber auch der Tag, an dem man so ganz leicht Dinge vermisst. Meine lieben Mitreisenden haben beim Frühstück Sehnsucht nach Wurst- und Käsebaguette und bestellen kurzerhand einen Teller mit Aufschnitt. An dem Blick der Bedienung wussten wir, dass sie uns von jetzt an verachten würde. Vorbei mit den Nettigkeiten und dem freundlichen Lächeln. Doch das Schlimmste kam noch. Einer meiner copains hat tatsächlich die Krümel auf dem Teller mit einer Scheibe Mettwurst aufgetupft und dann aufs Baeguette gelegt. Ich habe noch nie etwas gesehen, was so sehr das Siegel „Barbar aus dem Norden!!!“ verdient wie das. Ich hoffe, es hat keiner gesehen. Dieses Bild jedenfalls geht mir an diesem Tag nicht mehr aus dem Kopf.

Zumindest fast. Auf dem Plan steht nämlich eine wirklich atemberaubende Autotour entlang der Küste mit dem spektakulärsten Part zwischen La Ciotat und Cassis. Hatte ich wirklich gedacht, dass es eine lockere Autotour werden würde? Aus jenem Mittwoch ziehe ich drei Lehren: 1. Im Sommer platzt die Küste aus allen Nähten (zum 1000. Mal! Es stimmt.) 2. Fahre nie in ein Dorf, in dem gerade Markttag ist. 3. Fahre nie zu Strandzeiten Richtung Küste.
Unsere erste Station sollte Sanary-sur-Mer sein. Das war mein Wunsch. Es ist sowas wie die Hauptstadt der deutschen Exilliteratur zur Nazi-Zeit gewesen. Lion Feuchtwanger und Thomas Mann hatten hier Villen und Feuchtwangers Frau ist es zu verdanken, dass die tückische französische Küste nicht in einer Oktobernacht drei der bedeutendsten deutschen Schriftsteller jener Zeit den Tod gebracht hat: Als Brecht, Zweig und Feuchtwanger an einer Klippe Sternschnuppen beobachteten, rollte das hinter ihnen geparkte Auto geradewegs auf sie zu. Feuchtwangers Frau sprang dann todesmutig auf den Wagen und riss das Lenkrad rum. Zum Glück!

Enttäuschung in Sanary

Was ich an diesem Mittwochmorgen dann in Sanary vorfinde, entzaubert diesen Ort vollkommen. Es entweiht ihn gar. Es ist Markttag, Straßen sind gesperrt und über die restlichen Straßen wälzen sich die Urlauber gen Strand und ins Zentrum. Es ist nicht daran zu denken, auch nur einen halben Parkplatz zu finden, um auszusteigen und diesem Ort zu huldigen. Sanary ist mit dem Badeort Six-Fours-les-Plages verschmolzen und beide beeindrucken durch ihre außergewöhnlich hässliche Architektur hinter der Promenade mit dem wirklich schönen Strand - rosa, gelbe, graue Pensionen mit Autos davor, die von der Straße gerade eine schmale Spur lassen. Ich frage mich, warum die Leute, die darin urlauben um nur an den Strand zu gehen und sich braten zu lassen, mit dem Auto und nicht mit der Bahn anreisen müssen. Warum? Alles was sie wollen, erreichen sie zu Fuß bequem: Strand, Bar, Klamotten- und Souvenirläden. Die Leute, die ich sehe, während wir durch Sanary fahren, kommen mir wie Ignoranten vor. Gegenüber diesem bedeutendem Ort. In Sanary war kein Fuß auf die Erde zu bekommen und wir verlassen diesen entweihten Ort in Groll und Trauer.

Die Fahrt durch Bandol ist sehr ähnlich - ausufernde Vorstädte, Blechlawinen und Neubau-Villen. Dabei hat es ein ganz nettes Zentrum, ein paar schöne Gassen und die Île de Bendor, die vor der Küste liegt und ein nachgebautes provenzalisches Dorf beherbergt. Erst im Hinterland, in La Cadière d’Azur kehrt sowas wie Ruhe ein. Man hört die Zikaden bei geschlossenen Fenstern im Auto. Unser vorläufiges Ziel ist La Ciotat. Es ist Essenszeit und auch sonst wollen wir uns ein bisschen stärken, bevor es auf die legendäre, für uns aber unbekannte Route des Crêtes geht, die Kammstraße ganz kurz hinter den höchsten Klippen Frankreichs.

Überraschung La Ciotat

La Ciotat ist eine verblüffend ruhige Kleinstadt und wir sind zu jener Zeit die einzigen Touristen, die sich ihren Weg durch die Altstadt runter zum Hafen bahnen. 40.000 Einwohner. Die Nähe zu Marseille ist zu spüren, La Ciotat hat nur noch wenig von Côte d’Azur, die alten Straßenzüge sind schäbig, die Straßen dreckig, so manche Gasse recht unheimlich. Die Leute, die in den kleinen Restaurants sitzen, sehen nicht aus wie Touristen und sie klingen auch nicht so. Im Zeitschriftenladen kaufe ich eine Postkarte für meine Sammlung und merke das erste Mal im Urlaub, dass mir meine Französischkenntnisse hier nicht weiterhelfen würden. Ich verstehe kein Wort von dem, was die beiden Kassierinnen miteinander plaudern, während ich bezahle.
La Ciotat ist der erste Ort am Wasser, den man von der Autobahn aus Aix Richtung Toulon kommend sieht. Beeindruckend ist da vor allem dieser große, runde, dunkelgraue Fels, der den Hafen dominiert und vor dem das Zeugnis einer Werftvergangenheit aufragt. Jetzt beim Essen am Hafen sitzen wir so nah dran wie nie zuvor. Wirklich ein beeindruckendes Hafenpanorama, das nicht schön ist, sondern einfach beeindruckend.

Zweier Erfindungen darf sich La Ciotat rühmen, das so unberührt vom Tourismus wirkt wie wohl sonst kein zweiter Ort an der Küste zwischen Marseille und Menton: Die des Kinos und des Pétanques. 1985 filmten die Brüder Lumière in La Ciotat die Einfahrt eines Zuges im örtlichen Bahnhof - und sorgten für Angst und Schrecken unter den Zuschauern, die diesen kurzen Streifen sahen. Man befand sich noch in der Zeit, als die Leute glaubten, dass der Zug auf der Leinwand auf sie zufährt und die aus Angst schreiend aus der Vorstellung rannten.
Die zweite Erfindung, Pétanque, ist von Jules Le Noir und gerade einmal 101 Jahre alt. Der von Rheuma geplagte Le Noir erfand eine Variante des Jeu Provençale, bei der man nicht 20 Meter Anlauf nehmen musste um die Kugeln zu werfen, sondern bei der man ganz bequem auf dem Fleck stehenbleiben muss. Gut für Rheuma.

Insgesamt gefällt mir an La Ciotat vor allem, dass es ein authentischer Ort ist, dem man seine Industrievergangenheit zwar ansieht, die aber nicht so dominant ist, dass sie den südfranzösischen Charme verdrängt.

Atemnot am Cap

Die Route des Crêtes ist gut ausgeschildert und leicht zu finden. Direkt am nordöstlichen Ende der Innenstadt geht es links den Berg hoch - und von einem Meter auf den anderen erlebt man ungewöhnlich schleichende französische Autofahrer. Es wird klar, warum man die Straße bei starkem Wind nicht befahren sollte. Die Aussicht ist abenteuerlich, die Breite der Straße aber auch. Auf dem Weg nach oben, von wo aus man Cassis und die Calanques sehen kann, gibt es zahlreiche Haltebuchten, die man auch alle schön nutzen sollte, weil jeder Ausblick nach jeder Kurve etwas Neues und Spektakuläres birgt. Höhepunkt ist das Cap Canaille, jener rote Felsen, der die höchte Klippe Frankreichs bildet. Nach Cassis sind es von da oben nur noch 362 Meter - gerade runter. Interessant ist wieder einmal das Gestein. Von La Ciotat aus steht man irgendwann genau an der Grenze zwischen weißem Kalk und dem rotem Stein, aus dem das Cap Canaille ist. Bei so mancher Aussicht da oben muss man schon den Atem anhalten. Ein Geländer gibt es nur ein einziges Mal, der Rest ist eine natürliche, vor sich hinbröckelnde Grenze, zu der der Instinkt des Menschen automatisch einen gesunden Abstand hält.

Unsere letzte Station ist Cassis. Ein Ort, dem der große Dichter der Provence, Literaturnobelpreisträger Frédéric Mistral in zahlreichen Versen huldigte. An einem Denkmal am Rande des Hafens steht: „Umble émé l’umble e maifièr que lou fièr“ (Humble avec les humbles et plus fier que les fiers). Cassis hat einen netten Hafen und schöne Gassen, man merkt aber vor allem, dass es die erste Anlaufstelle für freizeitsüchtige Marseiller ist. Ich habe nie an der ganzen Küste einen Strand gesehen, der voller war als jener in Cassis am Hafen unterhalb der Burg. Nie. Wer dort einen Platz haben will, muss warten, bis jemand den Strand verlässt, sonst hat nicht mal ein Gästehandtuch Platz. Die Kulisse ist aber schon einmalig, das Cap Canaille beeindruckend. Eine kleine Familie sitzt zum Angeln auf der Mole. Noch während wir am Geländer oberhalb ihr stehen, zieht der junge Vater einen winzigen Fisch aus dem Wasser, lacht und der Junge bricht in kindlich überschwängliches Jubeln aus.

Ich nehme viele tolle Eindrücke von dieser Tour mit, vor allem aber auch einen negativen, der mir einen neuen Herzenswunsch eingepflanzt hat: Ich sehne die Zeit herbei, in der wir alle per IPhone reisen können. Nie wieder Stau, keine lästigen Autos an den schönen Straßenrändern, nie wieder Autosauna. Stressfrei, geräuschfrei, schnell, das wird die Beam-App bringen. Wenn es sie wirklich gibt, dann werde ich mir auch so ein Spielkind-Telefon anschaffen. Diese Innovation würde mich überzeugen.


Zwischen Himmel und Meer: Bandol in der Ferne


La Ciotat


Luft anhalten: Einer der Aussichtspunkte an der Route des Crêtes bietet diesen Ausblick. Ein Blick in die Calanques.


Cassis


Cap Canaille von unten