Es ist nicht das zuletzt gelesene Buch, aber für mich bisher das Buch des Jahres. Ich habe es im Mai gelesen und schaue seitdem immer wieder gerne rein.
Der Apfelgarten- Erinnerungen einer Glücklichen, von Adele Crockett Robertson
Der Apfelgarten ist kein gewöhnliches Buch, kein Roman und auch keine richtige Biografie. Vielmehr handelt es sich um ein Portrait. Die Autorin wuchs Anfang des 20.Jahrhunderts auf einer Farm in Ipswich/Massachussetts auf und kehrt im Alter von 31 Jahren dorthin zurück- nach dem Tod des Vaters und mitten in der Wirtschaftskrise, die die Familie gezwungen hätte, die Farm- mittlerweile ein Apfelgarten- zu verkaufen. Aus der Sehnsucht nach Erinnerungen und aus Hoffnung heraus, beschließt Adele « Kitty » Crockett, den Garten allein zu bewirtschaften, gibt dafür ihre Arbeit in einer Universitätsbibliothek auf und sieht mutig den Herausforderungen entgegen. Mit aller Kraft geht sie die landwirtschaftliche Arbeit an un erhält Unterstützung von lieb gewonnenen Menschen sowie des Familienhundes, der großen Dogge Freya, der ihr die Einsamkeit im Winter vereinfacht.
Es ist eine feine, poetische und bildhafte Sprache, die den Leser gefangen nimmt, die die kleinen humorvollen Geschichten im Ganzen sorgfältig zeichnet und darüber hinaus tiefen Einblick in die Empfindung der Autorin gewähren lässt. So öffnen sich die Blüten der Bäume, das Bild der Salzmarsch und des quadratischen Familienhauses mit salzigem Brunnen an der Argilia-Road.
Natürlich geht es um Äpfel. Doch wer weiß vor der Lektüre schon um den wahren Zauber der Baldwins, MacIntoshs, Rhode Island Greenings und Northern Spies? Der Leser spürt außerdem die Abhängigkeit von der Witterung, die über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, denn nach wie vor gilt es die Rechnungen des toten Vaters zu bezahlen.
Doch es ist nicht nur die Kraft der Natur, die erstaunt und beeindruckt, es ist vor allem der Mut und die Leidenschaft Kittys. Aus verrosteten Landmaschinen holt sie alles heraus was noch drinsteckt, ganz auf sich allein gestellt geht sie ihr Projekt an und mit einer positiven Verbissenheit verdient sie sich so zaghaften Ruhm, so auswegslos und ziellos das Unterfangen von Anfang bis zum -leider allzu realitätsnahen- Ende ist.
Erstaunlich erscheint es zunächst, wie die Autorin es schafft, Spannung zu erzeugen wo eigentlich gar keine sein kann, wie man bei dem Thema denken könnte. Selbst die kleinste Geschichte und das kleinste Detail scheint relevant zu es wert zu sein, alles gierig aufzusaugen. Es kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf, eher gehen die 250 Seiten viel zu schnell vorüber.
Ein durchweg gelungenes Buch, ein Portrait, das auf poetische und schlicht schöne Weise in Erinnerung bleibt.