Organisatorisch gehören die Präfekten zum Innenministerium.
Angesichts ihrer herausragenden Bedeutung in der französischen Staatsarchitektur werden sie aber - laut Gesetz: auf Vorschlag des Premierministers - vom Staatspräsidenten ernannt. Sie können tatsächlich ohne weitere Begründung versetzt bzw. abberufen werden.
Die Départements- und Regionalverwaltungen haben keinerlei polizeiliche Macht!
Vergiss sofort alles, was Du Dir aus Deiner deutschen Erfahrung unter Gebietskörperschaften vorstellst. In Frankreich funktioniert das ganz anders.
An der territorialen Gliederung lassen sich meines Erachtens sehr gut ein paar grundsätzliche staatsphilosophischen Eigenheiten Frankreichs verdeutlichen, die sich radikal von „unseren“ unterscheiden und die es auch kaum sonst irgendwo gibt (ausser vielleicht in einigen der unter französischem Einfluss geschaffenen Nachfolgestaaten der ehemaligen Kolonien).
Die französische Verwaltungsstruktur ist im Prinzip vierstufig. Es gibt:
Gemeinden (communes)
Départements (départements)
Regionen (régions)
Zentralstaat (l’Etat)
Daneben existieren Überseegebiete mit besonderem Statut und andere Gebilde, die aber keine ausdrückliche Verfassungsgrundlage haben, zB die in letzter Zeit an Bedeutung gewinnenen Gemeindeverbände in grösseren Agglomerationen oder die sogenannte « Pays ». Und es gibt Gremien, in denen einzelne Départements bzw. Regionen unter bestimmten Aspekten übergreifend zusammenarbeiten.
Die beiden Pole an den Rändern, also Gemeinden und Zentralstaat sind die (ge)wichtigsten. Die beiden mittleren, also Départements und Regionen, sind als politische Einheiten eine neue Erscheinung. Sie existieren als solche erst seit Anfang der Achtziger Jahre, haben zuletzt eine Anzahl von eher zweitrangigen Kompetenzen übertragen erhalten, suchen aber im Grunde noch ihren Platz in der institutionellen Architektur des Landes.
Frankreich zählt mehr als 36’000 politisch eigenständige Gemeinden, mehr als doppelt soviele wie Deutschland. Die Liste der Départements und Regionen hat tessi hier freundlicherweise schon mal zusammengestellt: bonjour-frankreich.com/forum … ht-22.html Die Départements sind auf der Karte erkenntlich mit ihren zweistelligen Verwaltungsnummern, die Regionen mit ihren ausgeschriebenen Namen (zB. Alsace, Picardie, Lorraine).
Dreh- und Angelpunkt für die Entstehung der Verwaltungsstruktur ist die französische Revolution. Damals setzten sich die - jakobinischen - Kräfte durch, die die Leitideen der Revolution, die Freiheit und Gleichheit, so radikal formulierten, dass sie a) sämtliche historischen Regionen und Fürstentümer aufhoben und sie b) ersetzten durch neue, völlig gleichförmige Départements, die keinerlei politische Autonomie hatten, sondern reine Verwaltungsbezirke des neuen Zentralstaats waren.
Die neuen Gebilde erhielten streng neutrale Namen, nichts sollte mehr an die alten Machtstrukturen erinnern, zumeist wurden sie nach Flüssen oder Gebirgszügen benannt und ihre Grösse definierte sich « mathematisch »: Der äusserste Punkt eines Départements durfte vom Hauptort mit seinen staatlichen Verwaltungsstellen und Gerichten höchstens einen Tagesritt entfernt sein.
So glaubten die Revolutionäre am besten den neuen, mündigen und gleichberechtigten « citoyen » heranbilden (und den neuen Staat kontrollieren ) zu können, überall im Land sollten die exakt gleichen politischen Rahmenbedingungen gelten.
So eine Liste mit Karte habe ich auf meiner HP auch, wir haben sie ausgedruckt und immer im Auto. So können wir immer gucken, von wo die Autofahrer denen wir begegnen so kommen. Aber erst mal raten wir natürlich, ob wir es nicht auswendig wissen. gg
Damit wird bald Schluss sein, jedenfalls in der jetzigen Form, denn Frankreich wird neue Nummernschilder einführen nach europäischen Vorgaben (die zB in Italien schon umgesetzt werden), auf denen die Nummern der Départements im Prinzip nicht mehr erscheinen (sollten).
Man könnte annehmen, dass das eigentlich ein sehr « französisches » Vorhaben sei, wo doch die lokalen Unterschiede hier nach dem Willen der Staatsgründer keine Rolle spielen (dürfen).
Doch interessanterweise gabs Proteste, denn ein Teil der Identität macht sich inzwischen an diesen streng gleichförmig gedachten Départements fest. Meiner Beobachtung nach fühlen sich viele Franzosen zu « ihrem » Département zugehörig, viel mehr als zB zu « ihrer » Region (n’est-ce pas, Kissou33? ). Und es gab Politiker, die dafür kämpften, dass die Départementsnummern auf den Autoschildern erhalten bleiben.
Das Innenministerium ist der Forderung schrittweise entgegengekommen: Zunächst hiess es, die Nummer werde völlig abgeschafft, dann hiess es, sie werde klein und fakultativ, nun heisst es, die Nummer werde klein und obligatorisch, aber die Wagenbesitzer könnten frei die eines beliebigen Départements wählen, zu dem sie sich besonders hingezogen fühlen.
Dabei bin ich doch noch kaum über das Vorwort hinaus
Wir fassen zusammen, was bisher geschah
Der französische Staat ist kein „Zweckbündnis“ von autonomen Gliedstaaten, die einen Teil ihrer Souveränität „nach oben“ an eine grössere, übergeordnete Struktur abgeben (müssen) wie etwa Deutschland oder die Schweiz. Der französische Staat ist seiner Geschichte und seinem Selbstverständnis nach ein „zivilisatorisches Projekt“, das von oben her das gesamte Territoirum durchdringt und mittels einer bienenwabenförmigen Struktur von Verwaltungsbezirken, den Départements, konsequent vereinheitlicht.
Die Übertragung von Kompetenzen „nach unten“ hätte zur Folge, dass sich Teile des Republik doch wieder unterschiedlich entwickeln könnten. Damit aber wäre die Kernidee des „zivilisatorischen Projekts“ in Frage gestellt, die égalité, die Gleichheit aller Bürger.
Der Zentralstaat behält deshalb alle Macht bei sich.
Napoleon übersetzt die Prinzipien der Revolution in Gesetze, er lässt ein einzigartiges Zivilrecht schaffen, das europaweite Ausstrahlung haben wird und das allen (männlichen) Bürgern Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz des Eigentums und Gewerbefreiheit garantiert und die Kirche strikt vom nun streng laizistischen Staat trennt. Es gilt in seinen wesentlichen Teilen noch heute. Und er gibt dem neuen Staat auch einen leistungsfähigen Beamtenpparat, dessen zentrale Figur zur Verwaltung und Kontrolle des Territoriums der Präfekt ist.
Und was dieser Präfekt so alles macht, erfahren wir in der nächsten Folge unserer kleinen Reihe…
Was das wieder kostet… Und schade ist es natürlich auch.
Mein Göttergatte hat sich im letzten Jahr ein neues Auto zugelegt und hat sich da nicht zwischen zwei Départements entscheiden können. Nun hat er auf seinem Nummerschild 13 (Bouches-du-Rhone) und 30 (Gard)
Tu es au top collègue. Ne t’empêche pas d’ecrire +&+
und vor allem wohl wollte die Revolution auch verhindern, dass bei zu viel Dezentralismus sich irgendwo im hintersten Winkel (dies ja zu Pferde zu Hauf gab) ein paar Dorfpfarrer und Altadelige zu Konterrevolutionären hochschwingen. Man kennt ja den alten Spruch von Lenin: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser…
Insofern ist ein Präfekt natürlich sowas wie ein Garantieschein auf eine gute Zukunft.
Dann warte ich mit meiner dringenden Frage zum Präfekten noch bis zur nächsten Folge
Ich weiß ja jetzt was der Schweizer von seinem Staatsgebilde hält (dass übrigens das einzige mir bekannte ist wo mind. 3 verschiedenene Ethnien seit Jahrhunderten friedlich zusammenleben)
Bei uns war der Zweck ja eher eine Läuterung. Dass zu viel Zentralstaat und Durchdringung von oben nach unten, das Tür- und Toröffnen erleichtert für etwaige unliebsame Zeitgenossen. Insofern ist der franz. Ansatz in meinen deutschen Augen sehr optimistisch.
Einem mec wie Napoleon - einem kleinen Diktator (obwohl er ja den Menschen in Europa die positive Werte der Revolution durchaus vermittelt hat - allerdings mit zuviel Pulverdampf) - war der Zentralstaat natürlich Hilfe genug, um seinen kaiserlichen Traum schnell Realität werden zu lassen…
Naja an irgendwas muss sich der Mensch ja Klammern und wenns nur Kfz-Kennzeichen sind
Blague à part. Es fällt mir zumindest in meinen Kreisen schon schwer auf, wie die Franzosen den regionalen Charakter mehr und mehr betonen. Regionale Produkte, regionale Geschichte, ja sogar regionale Sprache. Das steht für mich eigentlich in direktem Widerspruch zum zentralistischen Staatsziel. Ich glaub ich werde im Anschluss an diesen Thread mal eine SONDAGE starten…
Ich geh jede Wette ein, dass in Paris dann die Hälfte der Autos mit der [size=150]wilden[/size] [size=200]13 [/size]fährt
lasst den Staat doch auch noch was verdienen. Jetzt wo er es so dringend braucht um den Unternehme(r)n ein anständiges „Harz 4“ auszubezahlen
Wie soll man den Ausländern vorwerfen, dass sie die deutsche Geschichte ständig auf die Nazis (und die Folgen) reduzieren, wenn ihr das selber macht?
Ts,ts, dass ausgerechnet ein Bayer so schlecht über den ollen Näpi spricht - ihr wart doch damals seine besten Freunde
Ich will ja gar nicht bestreiten, dass die edlen Ziele dann und wann [size=75]ein klein bisschen [/size][size=150]missbraucht[/size] wurden und dass sich ein derart omnipräsenter Zentralstaat (auch) wunderbar eignet für Kontrolle und Unterdrückung (und als Aufmarschgebiet für grosse Feldzüge).
Aber man muss meines Erachtens den positiven Teil der aufklärerischen „Erweckung des Menschengeschlechts“ und der „Gleichheit“ unbedingt im Auge behalten, der sich im französischen Staat und dessen Gliederung ausdrückt weil er a) tatsächlich eine entscheidende Rolle gespielt hat und weil b) dieses ursprüngliche Selbstverständnis bis heute mächtig in die politischen Auseinandersetzungen hineinspielt und erst nachvollziehbar macht, warum die Diskussionen zB um Dezentralisierung in Frankreich in einer Weise kontrovers geführt werden, wie das uns durchgehend „föderalisierten“ Ostlichtern unfassbar erscheint.
Aber klar, auch bei dem Streit um die Dezentralisierung gehts dann und wann um niederere Werte wie Macht und Pfründe und Blockaden und schnöde ökonomische Vorteile bzw. Verteilkämpfe, klar, aber eben nicht nur. Es geht auch um „une certaine idée“ de la France.
Logo, wenn Du immer nur bei Deinen Regionalisten am Rand der „Grande Nation“ rumhüpfst… frag mal ein paar linke Gewerkschafter des öffentlichen Diensts, was sie von der Regionalisierung halten.
Nein, Du hast Recht, es gibt taufrische Umfragen, die in der TAt besagen, dass eine klare Mehrheit der franzöischen Bevölkerung tatsächlich mehr regionale Eigenständigkeit wünscht. Auch wenn damit noch nicht klar ist, was genau sie darunter verstehen.
Aber Gemach, Gemach, wir kommen dazu, gleich nach Napoleon und den Präfekten machen wir einen grossen Sprung über fast zweihundert Jahre zu den Herren de Gaulle und Mitterand und der Entstehung von Département und Region als politische Einheit.
Zwischendrin hat Frankreich zwar mehrfach das Herrschaftssstem gewechselt, aber was unser Thema betrifft, ist in der ganzen Zeit nichts Nennenswertes geschehen.
Ich hab das so verstanden, dass Dein Göttergatte einen französisch immatrikulierten Wagen fährt und gefragt wurde: welches Departementerl hättens gern?
Mit andern Worten nach diesem neuen System, das den Wagenbesitzern die freie Wahl lässt.
Ich war als Kind ziemlich blond und hab das so verstanden:
Das Auto wurde in D zugelassen und bei der Wahl des Kennzeichens - das man in D für einen geringen Obulus von 30 Oere oder so wunschgerecht gestalten darf - wurde darauf Wert gelegt, dass die beiden Lieblings-Reiseziele der Familie darauf repärsentiert werden. Also z. B.
Y-XZ 1330
Ich bin mir sicher, dass ich richtig liege, schließlich war ich nach Ende meiner Kindheit dunkelblond
Zurück zur Verwaltungsstruktur bzw. zum Präfekten.
Das heisst, eins sie noch nachgetragen (bzw. hierher verschoben):
Zur konsequenten Vereinheitlichung des Staates gehörte in Frankreich ganz zentral die Sprache. In einem Land, in dem vor der Revolution kaum die Hälfte der Bevölkerung im Alltag französisch sprach, verbannte der neue Zentralstaat sämtliche andern Sprachen aus der öffentlichen Sphäre, mit radikalen Methoden. An den Schulen der Republik (diesem wichtigsten Vektor für die Verbreitung der neuen Gesinnung) wurde selbst im Pausenhof den Kindern der Gebrauch anderer Sprachen (mit andern Worten: der Gebrauch ihrer Muttersprachen) untersagt. Auch trugen die Standesämter der Republik nur Vornamen ein, die französisch klangen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde - unter dem Druck der ersten Generation Regionalisten - dieses Regime etwas gelockert.
Er ist mehr als ein « Superpolizist ». Er ist der direkte Vertreter der Regierung, laut Verfassung: des Premierministers, im Département und ist als solcher verantwortlich für alle Belange der öffentlichen Ordnung, aber auch grundsätzlich dafür, dass die Gesetze der Republik und die Weisungen aller Ministerien ordnungsgemäss umgesetzt werden. Ausserdem koordiniert er die Politik der verschiedenen Dienste der Zentralverwaltung auf lokaler Ebene: sämtliche Ministerien verfügen über Zweigstellen in den Départements, die allermeisten sind der Präfektur unterstellt. Nennenswerte Ausnahmen sind einzig die Justiz und die Education Nationale, also die staatliche Schule.
Einzelne Präfekten haben auch militärische Verantwortung über die sogenannten Wehrkreise (« zones de défense ») in die Frankreich eingeteilt ist und die jeweils eine ganze Anzahl von Départements umfassen. Seinen Amtsitz hat der Präfekt im Hauptort des Départements. Er wird bei seinen Aufgaben unterstützt von Unterpräfekten (sous-préfets) in den verschiedenen Arrondissements, in die die Départements administrativ unterteilt sind. Der Präfekt des Départements, in dem der Amtssitz der Region angesiedelt ist, fungiert zugleich als Präfekt der Region. Die Hauptstadt nimmt (auch hier ) eine Sonderstellung ein: In Paris gibts einen besonderen Polizeipräfekten (préfet de police), der ausschliesslich für die öffentliche Ordnung zuständig ist.
Trotz seiner Amtsfülle bleibt der Präfekt ein Beamter, wenn auch der einzige, der ausdrücklich in der Verfassung erwähnt ist, und er handelt stets im Rahmen der Vorgaben aus Paris. Er wird vom Staatspräsidenten ernannt und kann jederzeit ohne Begründung von diesem versetzt oder abberufen werden. Organisatorisch sind die Präfekturen dem Innenministerium zugeordnet.