Ich hoff ja das Auto, das am Wunschkennzeichen hängt ist nicht das Wunschauto. Ein eleganter Franzosenrücken etwa eines 407ers würde mehr französischen Flair ausstrahlen als ein franz. Kennzeichen
Der Statthalter des Präsidenten ist also allein dem Präsidenten untertan, eine sehr exklusive Exekutivstellung. Weil…
Präfekt und Zweigstellenleiter der Ministerien werden ja wohl auch eigene Finanzen verwalten und eigene Entscheidungen treffen müssen (und nicht nur Befehle aus Paris ausführen), etwa Entscheidungen ordnungspolitischer Art: Wenn da z.B.: mal ein paar Demonstranten zu Nahe kommen und pfeiffen, wie in St. Lo dann entscheidet also einzig der Präsident ob es rechtens war? Und all die anderen Stimmen, die man jetzt auch innerhalb der UMP hört, verhallen in den Gängen der Nationalversammlung? Gibt’s denn da echt keine parlamentarische Kontrolle ?
Es gibt natürlich einen Rechnungshof, der die Ausgaben prüft, es gibt Verwaltungsgerichte, die den Gebietskörperscahften und dem Zentralstaat auf die Finger schauen, und es gibt ein Verfassungsgericht, das die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen prüft, und es gibt natürlich ein Parlament, aber es gibt keine (rigorose) parlamentarische Kontrolle.
Und niemand prüft die Verhältnismässigkeit von präsidialen Entscheidungen, die laut Verfassung die alleinige und freie Wahl des Präsidenten sind, wie eben die Ernennung und Versetzung eines Präfekten.
Das Parlament hat ohnehin nicht die finanziellen Mittel für eine sorgfältige Kontrolle der Regierungsgeschäfte, der Opposition wiederum fehlt die Macht. Sie müsste schon die Regierung über ein Misstrauensvotum (mit der nötigen Stimmenmehrheit) zum Rücktritt zwingen. Damit träfe sie aber nur den Premierminister, nicht den Präsidenten.
Der Präsident bezieht seine Legitimation alleine aus der Volkswahl und steht laut Verfassung über den Institutionen als deren „Garant“ (obwohl er selbst die Politik macht).
Die Entscheidungen des Präfekten können von den Bürgern durchaus angefochten werden (über die Erfolgsquote weiss ich nichts ).
Zuständig ist das Verwaltungsgericht des Départements, letztinstanzlich der Conseil d’Etat, der Staatsrat in Paris, in seiner Funktion als oberstes Verwaltungsgericht der Republik.
Um Dir nochmal seriöser zu antworten: Find ich in der Tat auch faszinierend, welches Grundvertrauen in die Leistungsfähigkeit und die „Rechtschaffenheit“ des Staats der französischen Verfassungstradition zugrunde liegt.
Im Grunde entzieht sich der Zentralstaat (nicht die Politiker ) der Kritik, als der Hüter und Garant der republikanischen Werte ist er niemandem Rechenschaft schuldig.
Das Gegenteil von Deutschland, wo nach dem Krieg das Territorium gezielt wieder in seine Einzelteile zerlegt wurde um jedes neue „Experiment“ mit einem mächtigen Zentralstaat zu verhindern.
Für diesen „föderalistischen“ Ansatz aber gab es eine lange Tradition, auf die Deutschland zurückgreifen konnte, die Frankreich mit seiner ganz andern historischen Erfahrung fehlt.
General de Gaulle unternahm einen ersten Versuch, das Territorium gegenüber dem dominanten Paris zu stärken. Er schuff Wirtschaftsregionen als neue administrative Einheiten für die Industriepolitik, die zu Vorläufern der späteren politischen Regionen wurden. Er scheiterte aber Ende der Sechziger Jahre in einer Volksabstimmung mit dem Versuch, den Départements und Regionen auch eine politische Identität zu geben. Die verlorene Volksabstimmung besiegelte sein politisches Ende.
Die Zeit war erst reif mit der Machtübernahme der Sozialisten anfang der Achtziger Jahre. Gaston Defferre, der langjährige Bürgermeister von Marseille und neue Innenminister wurde von Präsident François Mitterand mit der Aufgabe betraut.
Die Départements wurden nun aufgewertet zu Gebietskörperschaften, sie erhielten einen Generalrat (conseil général), der nicht mehr nur beriet, sondern auch exekutive Funktionen übernahm. Und die Regionen traten als neue Gebietskörperschaften erstmals überhaupt in Erscheinung (und nur langsam ins öffentliche Bewusstsein). Sie erhielten einen Regionalrat (conseil régional).
Beide Gremien sind gleich organisiert wie die französischen Gemeinderäte und verzichten wie diese auf klare Gewaltentrennung: Der Präsident der Exekutive leitet zugleich die Geschäfte des Parlaments.
Diese sogenannten Dezentralisierungsgesetze hatten Auswirkungen auf die bisherige Verwaltungsstruktur.
Ursprünglich hatte der Präfekt die alleinige Exekutivgewalt und sämtliche politischen Vorhaben in seinem Gebiet mussten ihm schon zur Vorkontrolle vorgelegt werden. Mit der Schaffung von eigenständigen Räten in Départements und Regionen hat der Präfekt diese Vorkontrolle verloren, was den (engen) Kompetenzbereich betrifft, der den neuen Institutionen übertragen wurde.
Die Geschäfte der Räte des Départements bzw. der Region müssen ihm erst nach Beschlussfassung vorgelegt werden. Der Präfekt kann sie weiterhin beanstanden aber nicht mehr alleine kraft seines Amtes annullieren. Er kann das Verwaltungsgericht anrufen, das über die Rechtmässigkeit entscheidet.
Die Kontrollfunktionen des Präfekten über die zahlreichen Zweigstellen der zentralstaatlichen Verwaltung in Départements und Regionen (« services déconcentrés de l’Etat ») dagegen, wurden mit den Denzentralisierungsgesetzen noch verstärkt.
Zwanzig Jahre später, 2003, lancierte Premierminister Raffarin seine « Mutter aller Reformen ». Diese sollte die Kompetenzen der neuen Gebietskörperschaften etwas erweitern und vor allem klarer gegeneinander abgrenzen. Ausserdem liess Raffarin die Region in die Verfassung einschreiben und erlärte Frankreich zur « dezentralisierten » Republik.
Frankreich hat seit der Schaffung der Gebietskörperschaften zwei parallele Verwaltungsstrukturen in seinem Territorium:
jene des Zentralstaats (« Etat ») dh. die Zweigstellen der Ministerien unter der Leitung des Präfekten, welche die hoheitlichen und die Mehrzahl der andern öffentlichen Aufgaben behalten.
jene der neuen dezentralisierten Départements und Regionen (« collectivités territoriales »), die noch immer nur über sehr beschränkte eigene Mittel verfügen.
Die Gebietskörperschaften sind dabei nicht etwa hierarchisch geordnet dh: die Region hat keine Weisungsbefugnis oder Kontrolle über die Départements in ihrem Territorium, diese nicht über die Gemeinden in ihrem Territorium. Die Gebietskörperscahften stehen « nebeneinander » und sind im Prinzip mit jeweils eigenen Aufgaben betraut.
Die Regionen haben Aufgaben im Bereich des öffentlichen Regionalverkehrs erhalten und sind verantwortlich für den Bau der Gymnasien und der Berufsschulen. Sie nehmen auch Einfluss auf Wirtschaft, Kultur und Tourismus. In den Gebieten mit Regionalsprachen ist die Förderung derselben ausschliesslich ihre Aufgabe.
Die Départements sind zuständig für die Auszahlung der Sozialhilfe, sie sind verantwortlich für den Bau der Mittelschulen, nehmen Einfluss auf die Organisation des öffentlichen Nahverkehrs und ebenfalls auf Wirtschaft, Kultur und Tourismus.
Viele Kompetenzen bleiben unscharf. Nicht selten sind mehrere Gebietskörperschaften plus Gemeinden, plus Gemeindeverbände plus die Dienste des Präfekten an öffentlichen Vorhaben gemeinsam beteiligt.
Es besteht inzwischen Einigkeit darüber, dass Doppelspurigkeiten vermieden werden könnten, wenn die Aufgaben besser verteilt und die Verantwortlichkeiten klarer zugewiesen würden.
Aber es besteht keinerlei Einigkeit darüber, welche Ebene mit welchen Aufgaben idealerweise betraut werden sollte und wieviele Kompetenzen der Staat (‹ Etat ›) überhaupt an seine Gebietskörperscahften abtreten kann, ohne das oberste Prinzip der Republik, die Gleichheit, zu gefährden.
Präsident Sarkozy hat die Verwaltung beauftragt, nach solchen Vereinfachungen (und Einsparungsmöglichkeiten…) zu fahnden.
Es zirkulieren - heftig kritisierte - Vorschläge, die bis hin zur Abschaffung des Départements gehen.
Eben noch aus echtem Holz geschnitzt. Und doch wie in einem Agentenkrimi. Mädels, da sind sie noch, die wahren Männer
Mir fällt dazu nur wieder mal nur der Verkehr in Paris ein. Einjeder Betrachter denkt sich das kann doch gar nicht funktionieren und es läuft doch. Weil es dahinfließt und fließt das bordel, drum überborde(l)t es nicht. Und wegen ein paar kleinen Dellen mehr am Kotflügel, wer regt sich da drüber auf
Ich hab das nochmal aufmerksam durchgelesen, wusste ich gar nicht: Defferre war Bürgermeister von Marseille und gleichzeitig Besitzer von zwei Tageszeitungen (eine links, eine rechts) in seiner Stadt!* Das nennt man wohl klare Machtverhältnisse!
Eigentlich erstaunlich, dass er am Schluss den Wahlmodus ändern musste, um nochmal gewählt zu werden
Eine Späzialität von Südostfrankreich ist nämlich die Wahlmanipulation und die politische Unehrlichkeit… sowohl links (deferre) als auch rechts (pasqua)… Sogar der heutige Frankreichmeister Jean Tiberi (ehemaliger pariser Bürgermeister) ist aus korsischer Herkunft
Mir gefällt besonders Tiberis Frau, Xavière (auch Korsin ). Man erinnert sich (nicht?), das ist die, die sich einst einen dubiosen Bericht über die Frankophonie teuer vom Staat bezahlen liess.
Und jetzt am Prozess über die auf wundersame Weise aufgeblasenen Wählerlisten (« faux électeurs ») in Tiberis Arrondissement, war sie hell und lautstark empört, dass überhaupt der Verdacht aufkommen konnte, irgendwas sei nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Andererseits: Der waschechte Pariser (und « Wahlcorrèzer ») Jacques Chirac war ja auch nicht von Pappe, was die phantasievolle Parteienfinanzierung und das Pöstchenverteilen unter Freunden betrifft…
Faux électeurs, emplois fictifs, financement du rpr… Zur Zeit Chiracs war Paris eine große Konkurrentin des Südosten…
auf nouvelobs.com gerade gelesen „unter den 11.921 Wähler, die im 5. pariser Bezirk (Tiberis Bezirk) 1997 und 1998 aus der Wählerliste gestrichen wurden, waren 5.609 von der Steuerbehörde unbekannt“ Ich kann die nächste Wahl kaum erwarten… dass er endlich gefeuert wird, und damit das alte chiracsche system endgültig vorbei ist !
Diese Woche beim Überfliegen der SZ bin ich kurz über die neue Verwaltungsstrukturreform in F gestolpert. Es soll ja jetzt wieder alles ganz anders werden und die Regionen neu gemischt. Also aus Nieder- und Obernormandie wird Normandie und auch die große Insel soll davon nicht verschont bleiben. Allerdings soll es Widerstände geben (von denen wohl, die sich inzw. mit « ihrer » bisherigen Region angefreundet haben und schon von ihrem neuen KFZ-Kennzeichen träumen).
Für den Südwesten - also dem Kissouland - ist man sich allerdings noch nicht im klaren wie der Mix aussehen soll.
Ja, die sogenannte Kommission Balladur (benannt nach ihrem Leiter, dem ehemaligen Premierminister) hat ihre Vorschläge unterbreitet. Doch die Widerstände sind derart, dass Sarkozy erstmal nichts überstürzen will. Über den Vorschlag, Paris etwas über den Peripherique hinaus zu vergrössern und mit den unmittelbar angrenzenden Départements zu verschmelzen, soll erst später diskutiert werden. Und auch was den ganzen Rest betrifft, soll vorerst ein paar Monate « nachgedacht » werden…
Sarkozy hat dabei schon klargemacht, dass Zusammenschlüsse von Regionen nur auf « freiwilliger » Basis durchgeführt würden. Und dass er nichts hält von der Idee, eine hierarchische Ordnung ins Gefüge zu bringen (etwa: die Gemeinden den Départements unterstellen, diese den Regionen). Das bisherige Nebeneinander wird also auf alle Fälle weitergehen.
Fürs Erste deutet also eher wenig darauf hin, dass durch die Kommission Balladur nennenswerte Bewegung in die französische Verwaltungsstruktur kommen wird.
Anschauungsmaterial (auf französisch) darüber, wie die Reformvorschläge in Frankreich diskutiert werden, gibts übrigens drüben bei allemagne-au-max. Anstoss war die Frage ob das Elsass und Lothringen zu einer einzigen Region verschmolzen werden sollen, können, dürfen. Daraus hat sich unter unseren französischen amis eine leidenschaftliche Debatte über die Gebietsreform entwickelt: allemagne-au-max.com/forum/n … t4337.html