Mit der Rugby-Weltmeisterschaft beginnt heute in Frankreich eines der größten Sportereignisse der Welt. Die Top-Favoriten kommen aus Ozeanien, aber auch der Gastgeber will in sechs Wochen im Finale stehen. Titelverteidiger England scheint chancenlos.
Frankreichs Rugby-Nationalteam bläst im eigenen Land zur Jagd auf die Supermacht Neuseeland. Von morgen an bis zum 20. Oktober kämpfen die 20 weltbesten Teams bei der sechsten Weltmeisterschaft in Frankreich, Wales und Schottland um den Webb Ellis Cup. 42 Begegnungen werden in französischen Stadien ausgetragen, vier in Cardiff und zwei in Edinburgh. Unter den Teilnehmern sind auch solche Sportexoten wie Samoa, Tonga und Fidschi. Eröffnen wird das Turnier Gastgeber Frankreich im Spiel gegen Argentinien.
Bei den Franzosen ist alles auf den Titel fixiert. Nationaltrainer Bernard Laporte sperrte seine Stars Anfang Juli für sechs Wochen in ein Trainingscamp, um anschließend Weltmeister England zwei bittere Testspiel-Niederlagen zuzufügen. Für die Franzosen spricht die Konstanz. Das Team gewann drei der vergangenen vier „Six Nations“, jährlicher Vergleich der sechs besten Mannschaften Europas. Dennoch heißt bei den Buchmachern - wie vor jeder WM - der Top-Favorit Neuseeland. Außer bei der Premiere 1987 im eigenen Land konnten die „All Blacks“, die ihre Gegner vor jedem Spiel mit dem berühmten Haka-Tanz einzuschüchtern versuchen, der Rolle allerdings nie gerecht werden.
Somit lastet ein immenser Druck auf den Spielern von Neuseelands Trainer Graham Henry. Der studierte Lehrer zog bereits am 1. Januar 22 gesetzte Spieler von ihren Clubs ab und machte klar, dass er die Tür für potentielle Nachzügler gar nicht erst öffnen will. „Da müsste schon Superman kommen“, sagte Henry, dessen Team im vergangenen Jahr nur eines von 14 Spielen verlor. Nicht zuletzt wegen der regelmäßigen Skandale im Lager ihrer Hauptkonkurrenten stehen Frankreich und Neuseeland recht einsam an der Spitze der Favoritenliste.
Zuletzt machten Australiens Stars Lote Tuqiri und Matt Dunning mit einer nächtlichen Kneipentour im Trainingslager auf sich aufmerksam. Ihr Verband reagierte mit einer offiziellen Verwarnung und einer mitternächtlichen Sperrstunde während des Turniers. Die „Wallabies“ sollte man jedoch allein wegen ihrer eindrucksvollen WM-Bilanz nie abschreiben. Zwischen 1991 und 1999 hat Rekordweltmeister Australien zwei seiner drei Finals und in der Cup-Geschichte sagenhafte 24 von 29 Partien gewonnen.
Dagegen bleibt Titelverteidiger England nach vier schwachen Jahren wohl nur die Rolle des Außenseiters. Seit dem Triumph 2003 in Australien plagen sich die Stars von der Insel mit Verletzungen herum. Besonders schwer traf es Strafstoß-Spezialist Jonny Wilkinson, der England 2003 fast im Alleingang zum ersten Titel geführt hatte. Im Halbfinale gegen Frankreich (24:7) erzielte er alle englischen Punkte. Im Finale (20:17) zeichnete er für den entscheidenden Treffer gegen Australien 26 Sekunden vor Ende der Verlängerung verantwortlich. Seither hat der 28-Jährige Probleme mit Knien, Schultern, einem Arm und einer Niere. Die Wahrscheinlichkeit, als erstes Team den Titel erfolgreich zu verteidigen, ist für die Engländer deshalb nicht sehr groß.
fsc/sid
Quelle : Der Spiegel