Ian Kershaw ist ein britischer Historiker , der als Autorität auf seinem Gebiet gilt.
In seinem neulich erschienenen Buch (z.D : Höllensturz), erklärt er :
Bis vor kurzem hätte ich das auch so empfunden. Mittlerweile glaube ich, dass sich Deutschland nicht so sehr von den anderen europäischen Ländern mit Rechtsruck unterscheidet. Ich nehme wahr, dass das (einfache) Volk gewisse Werte, die sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelt haben, in Frage stellt und das sehr lautstark. Die moralische Bremse, die in dem Satz « Das sagt/macht man einfach nicht » zum Ausdruck kommt, fällt immer häufiger weg. Diese Menschen empfinden die Auflösung dieser Hemmschwelle als Befreiung. Für mich ist es eine Bedrohung.
Ich bin ganz Avonleas Meinung. Ein wesentlicher Satz meiner Kindheit war « Was du nicht willst das man dir tu, das füg auch keinem andern zu »… Wenn sich da mal jeder dran halten würde, dann hätten wir doch keine Probleme, oder?
Mir macht die Entwicklung hier in Deutschland Angst, meine Eltern beide in den 1920ern geboren, haben mir viel vom Krieg erzählt, vor allem meine Mutter. Es war wohl ihre Art das Erlebte zu verarbeiten. Und wenn ich an diese Berichte denke, dann kann ich überhaupt nicht verstehen wie es Parteien mit rechten Parolen so weit nach oben schaffen können… Ich meine wir haben doch alle in der Schule die Naziherrschaft durchgenommen, bei uns endetet der Geschichtsunterricht hier. Danach kam nichts mehr, wir haben jahrelang das Thema durchgenommen, Filme geshen, Bücher gelesen usw. Wie kann man da die Augen verschließen und rechte Parolen brüllen??? Aber eine Frage ich bei uns immer wieder auftauchte: Wie konnte ein Mensch wie Hitler so groß werden??? Ich fürchte mittlerweile weiß ich wie…
Weil die Menschen heute nicht mehr die Verbindung herstellen zwischen dem Schrecken der Naziherrschaft und den „Gefühlen“, die sie heute haben (Wut, Abgehängtsein, Überfremdung, „Die da oben“ etc.). Die Naziherrschaft wird m.E. heute sehr beschränkt wahrgenommen auf zwei Themen:
- Holocaust
- Weltkrieg
Beides finden heute 99% der Menschen falsch, selbst die Neu-Rechten in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft. Von denen will keiner mehr Juden umbringen oder Krieg gegen Frankreich führen.
Das Lernen aus der Geschichte hätte aber viel weiter gehen müssen und das ist nicht passiert: Das Abstrahieren und als Wert verinnerlichen. Ich denke da gerade an das Vorwort zum Jugendroman „Damals war es Friedrich“, das ich in der 6. Klasse gelesen habe. Sinngemäß steht da: Damals war es Friedrich, morgen sind es vielleicht die Christen, Muslime, Atheisten, Asiaten, Schwarze…
Und ich fürchte fast, es ist jetzt so weit.
Ich kann dir leider nur Recht geben Avonlea…
Das erinnert mich an einen Satz von Martin Niemöller
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte“
Es gibt auch eine andere Version, ich weiß nicht mit Sicherheit, welche die richtige ist.
„Als sie die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen - denn ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialisten und Gewerkschafter geholt haben, habe ich geschwiegen - denn ich war ja keins von beiden. Als sie die Juden geholt haben, habe ich geschwiegen - denn ich war ja kein Jude. Als sie mich geholt haben, hat es niemanden mehr gegeben, der protestieren konnte“.