Une femme Annie Ernaux

In diesem 2012 erschienen kurzen autobiographischen Roman analysiert die diesjährige Litera-turnobelpreisträgerin das Leben ihrer alzheimererkrankten verstorbenen Mutter. Dabei stellt sie auch ihre widersprüchlichen Gefühle zu ihrer geliebten und in Frage gestellten Mutter in einer einfachen Sprache und oft sehr einfühlsam dar. Die Autorin, die unter dem Tod ihrer Mutter leidet und Schuldgefühle hinsichtlich ihres oft vergeblichen Versuches einer besseren Kommunikation mit ihrer Mutter hat, bemüht sich als Akademikerin, ihre aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Mutter in ihren sozialen und psychologischen Zwängen besser zu verstehen. Ihre Mutter erscheint ihr als eine lernwillige, ehrgeizige und an einem sozialen Aufstieg interessierte Frau, die sich sehr für das Wohlergehen und den sozialen Aufstieg ihrer Tochter einsetzt, aber in emotio-naler, geistiger und kommunikativer Hinsicht vor allem aufgrund ihrer Sozialisation in z. T. durch Rituale bestimmten Verhaltensweisen in ihrer kleinbürgerlichen Welt verbleibt und keine tiefere Beziehung zu ihrer Tochter entwickeln kann. Beeindruckend ist die Darstellung der Alzheimererkrankung der Mutter nicht nur hinsichtlich der Symptome dieser Erkrankung, sondern auch deshalb, weil die Autorin in dieser Lebensphase ihrer Mutter ein neues und positiveres Verhältnis zu ihrer Mutter aufbaut, um die sie trauert. Insgesamt ist dieses Buch vor allem wegen des einfühlsamen Stils der Autorin und ihrer sehr differenzierten Schilderung von Sozialisationsproblemen sowie Generationskonflikten sehr lesenswert.