Ich habe gerade einen interessanten Artikel gelesen, der die Diskussion aufgreift, ob man in Frankreich das Zahlen von Trinkgeld obligatorisch macht. Hintergrund ist eine Tendenz, die mir bisher gar nicht bekannt war: Restaurant und Hotelgäste geben immer weniger Trinkgeld. Nach einer Studie von Tripadvisor aus dem Jahr 2014 geben nur 15% der Franzosen regelmäßig Trinkgeld, 16% gar nicht. 35% geben zu, weniger zu geben als früher.
Jeder weiß, dass es üblich ist, 10-20% Trinkgeld in Restaurants und Cafés zu geben, jedoch beklagt sich das Servicepersonal heutzutage darüber, dass oft nur 2-3% gegeben würden. Gerade Aushilfskräfte wie Studenten sind auf das zusätzliche Geld angewiesen und konnten es früher als festen Teil ihres Gehaltes einrechnen. Heute ist dies nicht mehr möglich.
Gründe dafür sind sicher zahlreich: Bestellungen im Internet nehmen zu und bei denen ist ein Trinkgeld gar nicht vorgesehen. Geht man dann in ein Restaurant, erachtet man den Service als selbstverständlich. Eine weitere Vermutung: M.E. spielt das Recht eine immer größere Rolle in unserem Alltag. Wir bestehen auf die Dinge, die wir dürfen und machen nichts, was wir nicht müssen. Da in den Karten steht, dass der Service enthalten ist, bleibt die Geldbörse für alles Weitere eben zu. Außerdem ist der Gast von heute anspruchsvoll: Wer will sich schon gerne von einem Pariser Kellner anschnauzen lassen und dem dann noch Trinkgeld geben?
Auch eine französische Spezialität fällt mir ein: Das Trinkgeld wird nicht beim Bezahlen großzügig überreicht, sondern diskret auf einem Tellerchen liegen gelassen, bevor man sich erhebt. So ist der persönliche Kontakt geringer und damit auch die Hemmung, einfach ohne ein paar Münzen zu hinterlassen aufzustehen.
Man überlegt nun, den Inklusiv-Service abzuschaffen, sodass die Gabe von 10-20% Trinkgeld obligatorisch wird, so wie z.B. in den USA aber auch Österreich und England. Ob das Besserung bedeutet? Sollte man nicht lieber den Mindestlohn für Servicepersonal erhöhen und damit eine Teuerung der Speisen in Kauf nehmen? Spielt da Psychologie eine Rolle? Meinungen?
Wobei hinzufügen wäre, dass Franzosen selten ihre Rechnung bar begleichen. Es ist nicht wie in Deutschland, wo man beim Bezahlen aufrunden kann (« Stimmt so! »).
In Österreich ist das Trinkgeld nicht obligatorisch. Es wird erwartet, weil es Tradition ist, und es gilt als respektlos, kein Trinkgeld zu geben, aber Pflicht ist es nicht. 2 Kategorien von Menschen geben meistens kein Trinkgeld in Österreich: die jüngere Leute (Jugendliche und Studenten) sowie Touristen.
Ausserdem ist das « 10% Trinkgeld » mehr eine Legende als eine Realität. Fragt man die Leute, wieviel Trinkgeld man geben sollte, wird oft « 10% » geantwortet… Aber in der Tat wird nur sehr selten 10% gegeben. Man rundet einfach auf. Je höher die Rechnung, desto unwahrscheinlicher die 10%…
Vielleicht sollte man die Kellner einfach besser bezahlen, damit sie nicht vom Trinkgeld abhängig bzw besessen werden. Und die Gästen würden dann nur Trinkgeld lassen, wenn der Service wirklich tip-top war. (Warum mehr geben, wenn die Kellner schon gut bezahlt werden und nur mittelmässig arbeiten ?) Somit würden sich die Kellner mehr bemühen, gutes Service zu bieten. (Warum sich bemühen, wenn am Ende sowieso Trinkgeld kommt ?)
Aber es ist für die Arbeitsgeber natürlich einfacher zu verlangen, dass die Gäste Trinkgeld geben, als eine Gehaltserhöhung zu bewilligen…
Kann hier nur von mir reden.Wie die meisten Franzosen bezahle ich im Restaurant mit der Bankkarte. Hab aber den Geldbeutel in der Tasche und gebe der Bedienung 10 % der Summe und steck das Trinkgeld persönlich dem Kellner oder der Kellnerin in die Hand. Hier im Elsass ist niemand dabei erstaunt. ( Nähe an Deutschland ?)
Ernsthaft? Touristen? Das überrascht mich sehr, denn wenn man Gast in einem Land ist, sollte man sich doch umso mehr Mühe geben, sich zu benehmen.
Wenn der Service nicht inkludiert ist, kann man daraus gesetzlich natürlich nicht per se einen Trinkgeldanspruch ableiten, das ist richtig. Aber wenn beim Betreten des Restaurants darauf hingewiesen wird, etwa durch die Karte draußen, und nimmt der Kunde den Service dann in Anspruch und verweigert trotzdem die Bezahlung, erschleicht er sich Leistung. Bei der „Trinkgeldpflicht“ muss dieses am Ende also auch auf die Rechnung, damit ein Anspruch begründet werden kann.
Leider. In einer Eisdiele in meiner Nähe hat mir mal eine Kellnerin erzählt, dass sie verpflichtet ist, das Trinkgeld beim Chef abzugeben und davon nichts sieht. Wir haben dann auch nichts gegeben. Einfach, wenn man weiß, wo das hingeht, aber wer erzählt sowas schon? Eine der letzten Bezahlregeln, die auf Tradition und einer Form des Tausches beruht, wird so ausgenutzt und schreit gerade danach, geregelt und damit zerstört zu werden.
Die in dem Artikel vom « Le Parisien » genannte Person dementiert jemals etwas über obligatorisches Trinkgeld gesagt zu haben. lepoint.fr/economie/non-les- … 676_28.php
Wo jetzt die Wahrheit liegt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
Moment mal. Trinkgeld ist für dieses Gewerbe nur in so fern wichtig, dass es streng genommen schwarzes Geld ist. Damit habe ich grundsätzlich ein Problem. Wenn die Preise es nicht erlauben, das Personal zu bezahlen, so dass Lohn und Ausgaben legal sind, dann ist das Geschäftsmodel Scheiße.
Dass die Gastronomie einen so hohen Anteil des Lohnes wie möglich steuerfrei und frei von sozialen Abgaben und Rentenverpflichtungen halten will ist mir schon klar. Aber lesen Sie bitte den vorigen Satz nochmal ganz genau: Das ist die Definition von Kriminalität.
Deutschland ist in dem Bereich genau so heuchlerisch, nur etwas leiser.
Am Ende kommt es darauf an, wie man das alles betrachtet. Rechtlich gesehen ist es durchaus als Geldgeschenk zu werten, wenn der Service gemäß Rechnung schon inkludiert ist. Daran finde ich nichts Anrüchiges und der Staat auch nicht. Sonst wäre es schon längst extra besteuert worden.
Meiner Meinung nach sollte es Pflicht sein Trinkgeld zu geben. Andernfalls sehen die meisten wahrscheinlich gar nicht erst ein, wieso sie überhaupt ein Trinkgeld geben sollten. Die meisten die dieser Tätigkeit nachgehen sind aber eben Studenten etc. und sie sind auf das Geld angewiesen. Ich glaube nicht, dass sie aus Spaß neben dem Studium noch arbeiten gehen.
Und ich sehe es überhaupt nicht ein, warum ich Trinkgeld geben sollte wenn mich jemand unfreundlich behandelt. Wir geben immer Trinkgeld, wenn der Service eben nett war. Wie man in den Wald hinein ruft, so schllt es hinaus… Ein verpflichtendes Trinkgeld finde ich total daneben.