Untertitel: Wie ich lernte, mich in Frankreich nicht zum Horst zu machen.
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Es ist erst das zweite Sachbuch über französische Lebensart, das ich gelesen habe, das andere war von Ulrich Wickert. Die Messlatte lag also sehr hoch. Tanja Kuchenbecker ist Journalistin und Korrespondentin für verschiedene deutsche Zeitungen und Fernsehstationen, seit 1991 lebt sie in Paris, zuvor war sie in Norddeutschland heimisch. Auf gut 220 Seiten gibt sie Frankreichliebhabern oder denen, die es noch werden wollen, Tips wie sie sich in Frankreich verhalten sollten um kein Außenseiter zu sein. Sie analysiert die französische Lebensart vom richtigen Klamottenstil über Konversationsstandards bis -natürlich- zum Essen. 14 Kapitel reserviert sie für ihr « Leben als Französin », wie das Buch auf dem Buchdeckel angekündigt wird.
Gleich zu Anfang weist sie darauf hin, dass sich alles zwar nur in Paris abgespielt hat, aber sie ist überzeugt, dass « viele Szenen in Paris (…) sich auch in Lyon, Marseille oder auf dem Lande so abspielen können ». Das glaube ich nicht. Und der Grund ist eben, dass Paris wohl doch anders ist als die Provinz. Das fängt damit an, dass sie das Buch um sich und ihre beiden besten Freundinnen aufbaut, und die sind einmal in der Unternehmensberatung tätig und einmal Lifestyleredakteurin. Die Kritik dazu folgt gleich. Erstmal zum Inhalt.
Gleich ihre Ankunft sei ein Kulturschock gewesen, sie musste feststellen, wie schwer es ist in Paris eine Wohnung zu finden, weil man erst ein Konto braucht, ein Konto aber nur bekommt, wenn man einen Wohnsitz hat. Voilà. Über Umwege kam sie dann aber doch noch zu einer kleinen Bude und erzählt auch gleich, dass die Franzosen mit sehr viel weniger zufrieden sind als die Deutschen. Selbst die teuersten Appartements seien bodenständig eingerichtet und eher renovierungsbedürftig. Nachbarn grüßen nicht und wenn, muss es immer beim « Grand Blabla » bleiben, tiefsinnige Gespräche könne man vergessen. Hat man aber doch Freunde gefunden, schleppen die einen alsbald in die schönsten Restaurants und führen einen ein in die Lebenskunst der Franzosen. Da wäre zum Beispiel das Kellnerproblem. Sie schreibt: « In Frankreich ist nicht der Kunde König, sondern der Kellner. Der französische Kellner will hofiert werden und der Pariser Kellner ganz besonders ». Freundin Julie demonstriert, wie man mit dieser Sorte fertig wird: Am Essen rummäkeln. Gut gefällt der Autorin die Kochkunst der Franzosen allgemein, gleich mehrere Kapitel beschäftigen sich mit der Küche, dem Ideal der schlanken Französinnen und wie man ein richtiges Dinner zubereitet: Gilt eine Einladung zum Abendessen, gehen die Gäste auch direkt nach dem Essen. Einen gemütlichen Mädchenabend mit ein bisschen Pasta und Quatschen hatte die Autorin noch nie, ihre Eingeladenen halten sich streng an diese Regel. Dazu gehört natürlich auch ein stattliches Dreigängemenü.
Und dann geht es ums Shoppen. Ja, Paris als Shopping- und Modemetropole. So wie selbstverständlich jede Frau hundert Paar Schuhe hat, kennt sich auch jede mit der Modewelt aus und ist top gestylt. Ausführlich berichtet Kuchenbecker von ihren Bemühungen, auch so zu sein. Reichlich Papier geht an den Dresscode der Pariserin, die selbstverständlich stellvertretend für alle Französinnen ist… Am Ende des Kapitels « Lagerfeld und die Mode à la française » zieht sie Bilanz: « Einen großen Teil des Stils à la française habe ich mir über die Jahre in mühevoller Arbeit angeeignet. Was hat sich also für mich verändert und was nicht? Ich bin immer noch dunkelhaarig, keine Strähnchenbrünette oder Blondine wie so viele hier. Ich greife zu Make-up - aber nur, wenn ich es muss. Meine Augenbrauen sind schmaler als vorher, und ich trage außer zum Sport nie grelle Farben. Doch nach Jahren in Frankreich hält ab und zu mal wieder der alte Schlendrian Einzug. Dann laufe ich wieder in Turnschuhen herum, denn Stöckelschuh-Französin zu sein, ist auch die Dauer einfach verdammt ermüdend ».
Ein deutsches Weihnachten gibt es in Paris nicht. Der Baum steht schon seit Anfang Dezember und soll bei Freundin Charlotte auch noch bis Januar halten. Tanja Kuchenbecker berichtet von ihrem Malheur, aus Versehen gegen den Nadelbaum gekommen zu sein und es rieselte ganz gewaltig. Kein Stollen, keine Plätzchen und keine Gemütlichkeit, das sind die traurigen Charakteristika einer Pariser Weihnacht, dafür trinken die Franzosen aber bei Feiern immerzu Champagner, Glühwein ist ihnen fremd, und der Vin Chaud könne nicht als echter Glühwein bezeichnet werden, findet die Autorin.
Und dann geht es -natürlich- auch um die französischen Männer, die weltberühmten « French Lover ». Die sich immer zu ihr auf die Parkbank setzen, auch wenn sie in Sportklamotten auf einer Parkbank liest. Oder sie malen sie im Freibad, und wenn sie geht, malen sie schon eine andere Frau. Ihre Freundinnen geben ihr dann den Tipp, wo man gute französische Männer findet: Im Bio-Supermarkt. Da werden einem Rezepte ins Ohr geflüstert von attraktiven, umweltbewussten, sportlichen Herren. Aber auch das fand sie irritierend. Was sie suchte war ein guter Kumpel, so wie in Deutschland: « Wo sind die Kumpel? Die, mit denen man zusammen lachen kann, und die einen trösten, wenn man einen schlechten Tag hat, und alles ohne Hintergedanken. Warum wird ständig geflirtet, können Franzosen und Französinnen nicht gute Freunde sein? (…) Ich musste dem Geheimnis auf die Spur kommen und fragte Julie: « Ihr flirtet immer mit den Männern, habt ihr keine männlichen Freunde? Meine besten Freunde in Deutschland waren oft Männer. Ich meine, trefft ihr euch nicht einfach mal so unverbindlich mit einem Mann? » « Schwierig. Meist knistert etwas mit. » Das hatte ich wohl schon bemerkt. »
Es folgen noch Kapitel über das Leben als französische Mutter (Ja, sie hat doch noch einen netten und unmachohaften Franzosen gefunden ) und mit der Schlussfolgerung, was ihr noch in Frankreich fehlt: Deutscher Humor und tiefgründige Diskussionen. « Gut, dass ich auch einige deutsche Freundinnen und Freunde hier habe, die das ähnlich erleben und trotzdem genau wie ich nicht zurückgehen wollen. Die wissen schon, was ich meine ».
Für wen ist das Buch? Es ist nicht umsonst pink und zeigt eine Tussi… ähm… eine elegante Frau mit Handtasche. Es ist klar an Frauen gerichtet, denn ihre Perspektive ist die einer Frau. Wobei es sicher nicht nur Frauen gefallen könnte, immerhin kann es für alle Frankreichliebhaber interessant sein, warum Französinnen so chic sind und wie man eine Diät à la française hält (=es gibt keine, einfach langsamer essen und immer rummäkeln). Dennoch hätte es dem Buch gut getan, wenn die Autorin ihre Figurprobleme weniger ausgeführt hätte. Gut sind auch verschiedene Infokästen, in denen sie manche Details journalistisch erläutert oder einfach Listen aufstellt zu verschiedensten Themen, etwas die häufigsten Menüs bei Großdinnern oder welche Ekligkeiten sich auf den Speisekarten verstecken (Bsp: Salade de gésiers - Salat mit Geflügelmagen). Die analysiert ihre Beobachtungen sehr genau und man nimmt ihr ab, dass sie sich in Frankreich gut eingelebt hat und de vielen Fettnäpfe mit der Zeit stilsicher umschifft. Sie erzählt im Plauderton, mit Augenzwinkern und nimmt sich selbst nicht zu ernst. Insgesamt aber ist das Buch keinen Meilenstein in der Literatur über Frankreich. Es ist aber gut für ungeduldige und nicht allzu anspruchsvolle Leser, die einfach mal etwas über das Leben in Paris erfahren möchten. Und da sind wir bei meinem größten Kritikpunkt. Das Leben in Paris, denn letztlich schreibt sie nur darüber, auch wenn sie es anders behauptet. Ich bestreite, dass die Landbevölkerung jeden Tag top gestylt durch die Welt geht und über die neuste Lagerfeld-Kollektion bescheid weiß. Das kann und will ich nicht glauben. Sind denn alle Franzosen Tussis? Letztlich hinterlassen die Französinnen, die Kuchenbecker beobachtet, nämlich genau diesen Eindruck. Sie erzählt sympathisch, lässt ihr Bild von den Menschen aber eher unsympathisch wirken. Auch ein anderes Milieu zu betrachten wäre weise gewesen, hätte wohl aber den Plauderrahmen von 220 Seiten gesprengt.
Infos vom Verlag, mit Leseprobe (links unterm Buch)
Wer wissen will ob sie top gestylt aussieht
Rezension