In diesem 2023 erschienenen Thriller schildert Jean-Christophe Grangé die Aufklärung von brutalen Frauenmorden durch den durch traumatische Kindheitserlebnisse belaste-ten unkonventionellen Polizeikommissar Jean-Louis Mersch und seine Helfer aus dem Pariser Studentenmilieu, Nicole und sein Halbbruder Hervé. Die Handlung konzentriert sich auf Paris, Indien und den Vatikan zur Zeit der Studentenunruhen 1968. Alle Haupt-personen werden in ihrer komplexen Persönlichkeit gut erfasst. Es wird bald deutlich, dass die Morde in Verbindung stehen mit mysteriösen Religionsgemeinschaften und Sekten in Indien und Frankreich, aber auch mit der tragischen Familiengeschichte der Halbbrüder Hervé und Jean-Louis. Beeindruckend an dem Roman sind für mich vor allem die meist gelungene Charakterisierung der Hauptpersonen, detaillierte Land-schaftsbeschreibungen, die durchaus oft realistische Analyse der auch an Utopien orientierten Pariser Studentenbewegung und der Reaktion der Pariser Polizeikräfte, die bemerkenswerte Nutzung vieler aussagekräftiger stilistischer Mittel sowie die kenntnis-reiche Beleuchtung des Milieus von Sekten und Religionsgemeinschaften vor allem in Indien. Der oft spannende Roman hat aber auch einige Schwächen, z. B. die exzessive Be-schreibung brutaler Gewalttaten, die z. T. doch sehr konstruierte Handlung bzw. Analyse des Verhaltens der Hauptschuldigen, die etwas zu pessimistisch geratene und abwer- tende Beurteilung der Pariser Studentenbewegung(zu naiv) hinsichtlich ihrer politischen Kohärenz sowie einige vermeidbare Längen. Dennoch ist dieser Roman ein psycholo-gisch und historisch interessanter Roman, der aber einen kritischen Leser voraussetzt.