Pressefreiheit

Ein leider zu kurzer Artikel in der deutschsprachigen « Riviera-Zeitung », der mich etwas überrascht hat. Minderheitenmedien in anderen Sprachen als Französisch werden in Frankreich systematisch benachteiligt, in erster Linie aus dem « einfachen Grunde », dass es « offiziell » in Frankreich keine Minderheiten gibt. Deshalb hat die Pariser Zentralregierung auch bis heute nicht die Europäische Minderheitencharta sowie die Europäische Charta der Regionalsprachen ratifiziert.

rczeitung.com/index.php/serv … reich.html

Dass gerade Frankreich besonders rückständig ist, was Pressefreiheit angeht, ist nichts Neues. Mir fallen da die fast regelmäßigen Berichte bei Rue89 von Prozessen gegen Journalisten oder von Klagen von Journalisten ein. Aber offensichtlich scheint es niemanden richtig zu stören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Rubikon-Anruf von Sarkozy bei einer großen Zeitung für Wirbel gesorgt hätte. Vermutlich hat Sarko sich halbtot gelacht, als er von der Wulff-Bild-Affäre hörte.

Dass es aber ein Verbot für Minderheitenzeitungen gibt, wusste ich nicht und ich halte es für überaus rückständig, fast noch mehr als die Nicht-Unterzeichnung der Charta für Regional- und Minderheitensprachen. Die Angst, dass das Land an Pluralismus auseinanderbrechen könnte, klingt nach 19. Jahrhundert. Es wird nie wieder passieren, dass sich eine Gruppe entwickelt, die nur noch ihre Sprache spricht und kein Französisch mehr und die nur noch ihre eigene Zeitung etc. hat. Nicht in Frankreich, das ist nicht realistisch. Langsam sollte mal in Paris durchsickern, dass ein Mensch mehr als nur eine Identität hat und dass sie sich äußerst selten widersprechen.

Gefährlicher ist eher die Annahme, dass die deutschsprachige Leserschaft der Rivierazeitung keine Gefahr für den Zusammenhalt des Landes darstellt. Wenn sich das mal nicht als falsch herausstellen sollte… :wink:

Die „Minderheit“ der deutschsprachigen Leserschaft der RZ ist eher gutbetucht-bürgerlich, zufrieden, wenn sie die Vernissage eines Edelklecksers besuchen und danach in einem Meerblickrestaurant dinieren kann, und damit in der Tat keine Gefahr für den Zusammenhalt Frankreichs. Gleiches würde für die „französische Minderheit“ in Kampen betreffs des Zusammenhalts Schleswig-Holsteins gelten. :mrgreen:

Endlich wissen wir alles über Woolito, Leute!
Journalistisch exakt auf die Pointe hin ausgearbeitet und er tritt rein.