Patrons als Geiseln

viele arbeiter kommen mit ihrem lohn oder gehalt gerade so zurecht, das arbeitslosengeld ist weniger und läuft zeitlich begrenzt, nicht alle haben ein haus das schon bezahlt ist, oder die mieten steigen. und krankenversicherung? meine frau arbeitet hart, darf aber jetzt für ihre dritten zähne über 6.000 € selbst bezahlen, als anteil gibt die krankenkasse 500€ dazu. mach das mal als arbeitsloser. und stell dir doch mal die frage, warum es in vielen städten kostenfreie essenvergabe an bedürtige gibt.

mir fällt da auch noch was aus den siebzigern ein, passt auch irgendwie:

ein unternehmer heisst unternehmer weil er etwas unternimmt
ein arbeiter heisst arbeiter weil er arbeitet

wenn der arbeiter aber mal etwas unternimmt

dann muss der unternehmer arbeiten

Ich sag mal so mislep… eine sehr romantische Sicht der existenziellen Dinge… das ist die Leichtigkeit der Jugend …später wird daraus dann vermehrt eine existenzielle Sicht der romantischen Dinge… später… mit Familie, Kinder, Schulden fürs Haus, Finanzkrise und einen verlorenen Arbeitsplatz…

Es geht hier um Frankreich, und die Arbeitslosen sind in Frankreich krankenversichert. Sie verdienen natürlich weniger als ihren ehemaligen Lohn, aber das ist besser als gar nichts.
Die Ausbildung der Kinder kostet nichts (in bestimmten Gemeinden werden sogar die Schulhefte gegeben !) und es gibt verschiedenen Stipendien, auch vor der Matura.

Also auch wenn man Arbeitsloser ist, ist das Leben nicht zu Ende. Ist zwar kein Luxus, aber es geht immer noch weiter…

Und die Fabrik zu verbrennen wird nichts verbessern. im Gegenteil. Die Arbeitert kriegen damit die Garantie, Arbeitslos zu werden, und das Geld bekommen sie sicher nicht. Und wenn die Krise vorbei ist, kriegen sie auch nichts, weil das Unternehmen alles neu bauen muss, wenn es noch hier baut…

Und was die « neue armut » betrifft, mach dir keine Sorge, ich kenne sie ziemlich gut…

@mislep

darf ich die frage stellen, was du beruflich machst?

ich kenne eine alleinerziehende mutter mit zwei kindern, beide in der schule. leben können die von der arbeitslosenhilfe (knapp 800,–€) nicht, da geht man noch putzen (für einen hungerlohn) und so weiter, man trägt second-hand kleidung, kein auto, kein fahrrad, kein urlaub und die zahnkorrektur der grössern tochter (10J.) kostet ohne krankenkassenanteil noch 2500,–€. woher soll sie es nehmen?

ich würd es mal so ausdrücken… keiner würd die Fabrik in die Luft sprengen justement pour le plaisir… er geht ja auch ein « kleines » Risiko dabei ein. Insofern denk ich, dass man auch in Frankreich nicht besonders glücklich ist arbeitslos zu sein. Mir sind die Franzosen ansonsten noch nicht als übermäßig gewaltbereit entgegen getreten insofern geht es also um mehr, als die Freude an der Gewalt

einen Sommerjob. in den letzten 2 jahren habe ich als Sprachassistent in österreich gearbeitet, und ab Oktober fange ich mit dem Studium wieder an. (ich bin 22).

Ich kann nur wiederholen, was ich gesagt habe. Mit Arbeitslosengeld lebt man nicht im Luxus, aber man lebt immer noch.
Und solche Geschichte kann man leider überall finden. Das ist traurig, aber das Verbrennen einer Fabrik wird die Zahnkorrektur eines Kindes nicht bezahlen…

so wie ich gestern abend den tv-bericht verstanden habe, sind dort in der fabrik ersatzteile und zubehör für renault und noch ne franz. marke hergestellt (auf bestellung) und dann nicht abgenommen worden. die firma ist bankrott, den arbeitern droht die arbeitslosigkeit.

sie haben keinen arbeitsplatz mehr zu verlieren, der ist schon weg.

das ist keine freude an der gewalt, das ist verzweiflung, der kampf ums überleben.

@ mislep… Rein historisch gesehen sind solche Luxusgüter wie Sozialversicherung, Arbeitslosengeld, geregelter Arbeitstag, « humane » Arbeitsbedingungen Urlaub etc… aber nicht das Ergebnis der Zufriedenheit mit den Patrons, ihren freiwillen Gaben und der Gnade des Arbeitslosengeldes, sondern das Ergebnis harter Kämpfe - evtl. auch deiner Vorfahren… Insofern leben wir - du und ich - auch gut von ihren gewaltigen Taten… und dabei ging mehr als eine Fabrik in Flammen auf…

sei mir bitte nicht böse, aber so richtig hast du eigentlich noch nicht gearbeitet, ich meine hart körperlich, über jahrzehnte, und steuern und versicherungen etc. bezahlt, das haben eher andere für dich getan, oder bezahlst du dein studium selbst? wer hat deine schulausbildung bezahlt?

und ich glaube auch nicht das du kinder hast, denen du nach zwanzig tagen des lfd. monats erklären musst, das kein geld mehr da ist.

deine welt erscheint mir ein wenig rosarot gefärbt.

wenn ich mich irre…

Ob sie es wirklich zu tun wünschen? Ich kenne persönlich keinen Arbeiter, der sein Arbeitswerkzeug ( outil de travail) zerstören will. Mit den teuren Maschinen, die die Betriebsleitung gekauft hatte, verfügen sie über ein wichtiges Tauschmittel ,um eine Geldentschädigung für die Schließung der Fabrik zu erhalten. Warum sollten sie es nicht tun?

Ich finde es gut und richtig, dass man für seine Rechte einsteht, Gewalt ist eher nicht mein Ding, allerdings hat sich meine Sichtweise da auch etwas geändert seit ich Mutter bin.
Ihr habt das Wesentliche ja schon gesagt, dem kann ich mich nur anschließen.

Eben habe ich gehört, dass die Maschinen, die Renault und Peugeot gehören einige Millionen Euro wert sind, die werden sicher die Firmen nicht einfach so verbrennen lassen, das Ultimatum läuft bis Ende des Monats und ich denke, dass vorher auch nicht verhandelt wird.
Mir tut es wirklich leid, wenn man überhaupt keinen anderen Ausweg mehr sieht als Gewalt, um sein Einkommen und Auskommen zu haben… :frowning:

Ja, als Junge darf ich meine Meinung nicht ausdrücken… oder wenn ich das tue, dann zählt sie sowieso nicht. nur die « alten » wissen, wie alles geht… :smiley:

Die « alten » arbeiten für mich, aber ich werde für die zukünftige Generation arbeiten ! Und wahrscheinlich noch mehr, wie es jetzt aussieht… :wink:

Ich habe zwar nicht so viele Erfahrung mit der Arbeit, aber trotzdem ein bisschen. Und natürlich immer « précaire »… (ich habe jetzt einen Teilzeitjob, und verdiene weniger als ein Arbeitsloser, und krankenversichert bin ich nicht. Zum Glück darf ich bei meinem Vater wohnen, und habe in den letzten 2 Jahren gespart :slight_smile:)
Während meines Studiums in Paris habe ich gearbeitet.

Und ich kenne auch Familien, die in schwierigen finanziellen Situationen leben, und ihre Firmen nicht verbrennen… Ich kann dir sehr schöne Geschichten erzählen :smiley:

ich sagte ja, sei mir nicht böse…
aber du bist jung und darfst noch viel erleben. zum glück für dich.

ich habe den grossteil meines lebens hinter mir und sehe daher manche dinge anders.

das ist die freiheit, die wir haben.
übrigens ist sie eigentlich mit dem heutigen tag begründet.

Aber Maschinenstürmerei bringt es auch nicht. Wenn bestimmte Industriezweige überlebt sind und nicht mehr gebraucht werden, sollten sie nicht künstlich wegen der Arbeitsplätze am Leben gehalten werden. Wenn keiner mehr die Autos kaufen will, wozu sollen dann noch Ersatzteile für sie produziert werden? Das schadet nur ökologisch. Irgendwann müssen wir - ich wahrscheinlich nicht mehr - uns dem Problem stellen, dass Vollbeschäftigung nicht mehr möglich ist. Es wäre an der Zeit, dass sich kluge Leute Gedanken drüber machen, wie wir die Arbeit und das Geld gerecht verteilen. Mit ein paar Explosionen kommen wir da gar nicht weiter.

ich denke mal, die arbeiter haben den zeitpunkt und die aktion gut gewählt.

sie geben sich kampfbereit…

wie damals vor der revolution.

und das datum passt. den rest werden wir sehen und erleben.

Bei France Télécom ist gerade das andere Extrem hochbrisant: eine Häufung von Selbstmorden der Angestellten, weil sie den Druck nicht aushalten. (Sollte das besser ein neuer Thread werden?)
Schlimm, wenn man keinen anderen Ausweg mehr sieht.
Laut Le Monde (le-monde.fr/) sieht FT keine Veranlassung, die Umstrukturierungen und den Konkurrenzkampf zu stoppen. Dafür sollen die Betriebsärzte dann die « salariés en cas de fragilité » melden…
Dafür müssten die Betriebsärzte diese Angestellten erstmal kennen (ich weiß noch nicht einmal, wo ich unseren Betriebsarzt finde). Und wenn ich mit dem Druck in der Firma nicht klar käme, wäre der Betriebsarzt, der mich dann dem Management meldet, wohl der letzte, an den ich mich wenden würde. Durch diese Maßnahme wird der Druck m.E. eher noch verstärkt…

mehr kann sich der kapitalismus doch nicht wünschen…

das ist alles nur der anfang…
leider :frowning: