Dieser vielschichtige Roman von Serge Joncourt, der 2020 mit dem Prix FEMINA ausgezeichnet wurde,behandelt am Beispiel der südfranzösischen Bauernfamilie Fabrier ökologische, wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklungen Frankreichs im Zeitraum 1976 bis 2000. In diesem Roman werden viele auch heute noch aktuelle ökologische Probleme in einer oft emotionalen Form in Verbindung mit prägnanten Werturteilen erfasst, z. B : Atomkraftwerke, Autobahnbau, extensive Landwirtschaft und Massentierhaltung, Ölpest, Unwetterkatastrophen im Zeichen des Klimawandels, Fehlentwicklungen der Konsumgesellschaft, Lebensmittelskandale. Drei Generationen der Bauernfamilie Fabrier erleben die gewaltigen Veränderungen der Lebens-bedingungen und reagieren darauf auf höchst unterschiedliche Weise. Während Alexandre Fabrier trotz vieler Kompromisse und langwieriger Erkenntnisprozesse sich immer mehr die Grundsätze einer umweltschonenden biologischen Landwirtschaft zu eigen macht, distanzieren sich seine 3 Schwestern(Caroline, Vanessa, Agathe) allmählich vom Landleben und ziehen das Leben in Städten vor. Eine Zwischenposition nehmen die Eltern Alexandres ein, die nur ein ansatzweises Umweltbewusstsein entwickeln. Der Druck der in der Stadt lebenden Schwestern wird schließlich zu einem Existenzproblem für Alexandre. Politisch relevante Personen wie die Präsidenten Giscard d’Estaing und Mitterrand stehen im Zentrum vieler Entwicklungen und Diskussionen. Eine interessante Figur ist auch der alte Bauer Joseph Crayssac, der als enga-gierter Umweltaktivist mit seiner Kritik an der Konsumgesellschaft und an fragwürdigen neuen Agrarmethoden nach Meinung Alexandres schließlich in vielen Dingen Recht hat, sodass Alexandre sich nach dessen Tod als sein Nachfolger betrachtet. Dass der Autor auch Humor hat, kann man an seiner Darstellung des Werbemanagers Edouard sehen, der anlässlich der Herstellung eines Werbespots für Fleisch auf dem Bauernhof einige besondere Probleme hat . Der Roman ist aber auch eine rührende und dramatische deutsch-französische Liebes-geschichte zwischen dem Bauernsohn Alexandre Fabrier und der aus der DDR stammenden Studentin Constanze. Die Biologie- und Jurastudentin Constanze, die Alexandre in der WG ihrer in Toulouse studierenden Schwester Caroline kennenlernt, ist die große Liebe Alexandres, die Constanze auch erwidert. Trotz ihrer Kontakte z. T. gewaltbereiten linksorientierten Umwelt-aktivisten(Anton, Xabi) distanziert sich Constanze weitgehend von politischer Gewalt, sie animiert jedoch Alexandre, sich an illegalen Aktionen zu beteiligen. Obwohl beide die Liebe zur Natur und zum bäuerlichen Leben teilen, wird ihre Liebesbeziehung vor allem belastet durch das ausgeprägtes Freiheitsbedürfnis Constanzes , ihr Reisebedürfnis und ihre humanitäre Grund-einstellung, die sie schließlich veranlasst, im Auftrag einer Hilfsorganisation in Indien eine ökologisch orientierte Entwicklungshilfe zu leisten. Die über Jahre hinweg gelegentlichen Treffen Constanzes mit Alexandre führen nicht zu einer dauerhaften Lebensgemeinschaft. Während Alexandre, der trotz vieler Selbstzweifel weiterhin Kontakte zu z.T. gewaltbereiten Umweltak-tivisten hat, 1999 schließlich mit einem spektakulären Plan sein Leben als Bio-Kleinbauer, immer noch in der verzweifelten Hoffnung auf eine Zukunft mit Constanze, vorbereitet, scheint Constanze sich immer mehr von ihm zu entfernen. Zu bedauern ist, dass der Autor den politischen Widerstand in der DDR völlig ausklammert, was auch mit der kritischen Persönlichkeit Constanzes nicht vereinbar scheint. Insgesamt ist der Roman aber sehr lesenswert.