Montaillou ist ein kleines bedeutungsloses Dorf im Département Ariège, also in den Pyrenäen. 2007 wohnten nur 17 Menschen im Dorf. 7 Jahrhunderte früher war das Dorf jedoch viel größer mit geschätzten 200/250 Einwohnern. Und genau zu dieser Zeit (August 1308) ist etwas geschehen, dem das Dorf verdankt, in unserem Forum erwähnt zu werden.
Jacques Fournier, Bischof von Pamiers und zukünftiger Papst Benedikt XII., wird zum Inquisitor ernannt und lässt alle Einwohner des Dorfs gefangen nehmen, wegen Verdachts von Katharismus (in Okzitanien damals sehr verbreitet).
Um zu versuchen, sich zu retten und die Schuld auf andere zu wälzen, gestehen die Einwohner alles (aber wirklich alles !) und petzen sehr gern. Das ganze wurde sorgfältig protokolliert.
Der Historiker Emmanuel Le Roy Ladurie hat diese Protokolle untersucht und 1975 ein Buch geschrieben : Montaillou, village occitan de 1294 à 1324. [dt Titel : Montaillou, ein Dorf vor dem Inquisitor. Englischer Titel : Montaillou, the promised land of error…]
In diesem Buch rekonstruiert Le Roy Ladurie das Leben im Dorf um 1300. Soziale Verhältnisse, Alltagsleben, Berufe, Familien, Lebensbedingungen, Mentalitäten usw. Aber auch Privatleben… et c’est pas joli joli : Mordversuche, Vergewaltigungen, natürlich Ketzerei, Verrat, Rachen, Ehebruch und Unzucht aller Art, Bestechung, Hass und Kampf zw Familien usw…
Ein sehr spannendes Buch, sowohl für die « ernste » Geschichte als auch für die pikanten Geschichten.
Unentbehrlich für diejenigen, die sich für das Mittelalter interessieren, oder für Südwestfrankreich allgemein.
Zum Autor : Le Roy Ladurie ist 29 geboren und gehört zu den bekanntesten Historikern des Landes. Seine Forschungen betreffen vor allem Mittelalter und frühe Neuzeit und geographisch in erster Linie das Languedoc.
Er gehört zu der Annales-Schule, jener Gruppe von Historikern, die die frz Geschichtschreibung im 20. Jahrhundert stark geprägt hat, und die europäische sehr beeinflusst. Der Name leitet sich von dem ihrer Zeitschrift ab Annales d’histoire économique et sociale (1929), heute Annales. Histoire. Sciences sociales. Diese Historiker legen viel Wert auf nicht-politische Geschichte, also auch Alltagsgeschichte, Sozialgeschichte usw und stellen die Geschichte gern thematisch dar, lieber als chronologisch. Andere bekannte Vertreter sind zB Fernand Braudel oder Philippe Ariès.