Markus Spiegelhalder - Paris: Lichte Straßen im Abglanz der Zeiten
250 Seiten, Provinz-Verlag 2016, 23€
„Paris ist die Stadt, wo nichts aufhört, wo das Vergangene dauernd mitlebt. Paris ist immer zugleich Gegenwart und Erinnerung“, schrieb Franz Hessel einst und Markus Spiegelhalder hat sich auf den Weg gemacht, das zu beweisen. Paris – Lichte Straßen im Abglanz der Zeiten baut diese Weltstadt vor den Augen des Lesers auf, Schicht für Schicht, von der Antike zur Moderne und ist damit eine äußerst interessante Paris-Biografie.
Sie ist ein feines Nachschlagewerk, das man jedoch ebenfalls als Ganzes lesen und entdecken kann. So ist es zwar nützlich und spannend, den Aufbau von Beginn an zu verfolgen, dennoch liegt die Stärke des Buches darin, dem Leser jede spontane Frage, die er in Bezug auf Paris haben kann, verständlich und wortgewandt zu beantworten. Was bedeutet die Seine für die französische Hauptstadt? Welche Spuren hat die Revolution von 1789 hinterlassen? Welche Geschichte erzählt Notre-Dame? Dieses Buch bleibt keine Antwort schuldig.
Antworten, die passenderweise eingebettet sind in die Betrachtungen des Flaneurs, des Entdeckers, der am Ende jeder Besucher ist. Diese Perspektive ist es auch, die dieses Buch besonders macht. So scheint durch den Text eine frische Neugierde hindurch, die manchem Wissenschaftler abhanden gekommen sein mag. An keiner Stelle wirkt es belehrend oder wie ein Fachtext, sodass man auch getrost Fehler in den Zitierregeln außer Acht lassen kann (Wikipedia-Quellen z.B.).
Einem Fachtext fehlt das, was ein Essay wie dieses im Überfluss bietet: Inspiration. Der kundige Paris-Besucher und Kultur-Interessierte findet in diesem Porträt Denkanstöße und willkommene Anreize zum Abschweifen. Baudelaire kommt einem in den Sinn, dem Meister des Flanierens, der dem Flüchtigen das Ewige entreißen wollte. Ebenso Zola mit seinen Betrachtungen zum Leben im Zweiten Kaiserreich, welches die Grundsteine für das moderne Paris und dem Aufstieg zur Welthauptstadt zugleich legte. Leider kommen sowohl Baudelaire als auch Zola nicht oder nur am Rande vor in Markus Spiegelhalders Paris-Porträt, was äußert schade ist.
Als Schwäche muss man herausstellen, dass die umfassenden Betrachtungen nach Haussmanns Umgestaltung enden. Jener Baron mag zwar der Letzte gewesen sein, der das Stadtbild von Paris architektonisch verändert hat, aber er war nicht der Letzte, der es prägte. Die Menschen der Belle Epoque mit ihren Erfindungen und ihrem Reichtum, dem Fortschrittsstreben und schließlich auch der Revolution der Fortbewegung, kommen nicht vor. Zuletzt vermisst man auch eine zumindest kleine Würdigung der Künstler, welche die Café-Kultur perfektionierten, die Paris noch heute so gerne zeigt. Sartre und Beauvoir beispielsweise, die hier unbeachtet bleiben genauso wie jenes von Maupassant noch so verspottete und nun von allen geliebte Wahrzeichen: Der Eiffelturm wird nur am Rande erwähnt.
Markus Spiegelhalder Vorhaben, sich dem „Riesengebilde Paris“ zu nähern, ist durchaus gelungen und strebt an, umfassend zu sein. Der einzige Vorwurf, den der Leser dem Autor machen kann, ist es, dieses Vorhaben nicht bis zum Schluss umgesetzt zu haben: Dieses schöne und lesenswerte Buch ist zu kurz.