Le sursaut Franz-Olivier Giesbert

In diesem 2021 erschienenen Sachbuch analysiert der renommierte Journalist und Romanautor Franz-Olivier Giesbert die Präsidentschaft de Gaulles in Verbindung mit seinem persönlichen politischen Werdegang und auf der Grundlage einiger wesentlicher Quellen, wobei Giesbert nicht zögert, auch eigene politische Werturteile über die Ge-schichte Frankreichs nach der Präsidentschaft de Gaulles und die aktuelle politische Situation in Frankreich abzugeben. Der Autor beschreibt de Gaulle als eigenwilligen und geschickt manipulierenden Visionär, der oft richtige Entscheidungen getroffen habe, die unpopulär gewesen seien, insbesondere hinsichtlich der Bereitschaft de Gaulles, Algerien die Unabhängigkeit zu gewähren. Giesbert bewundert die aus seiner Sicht oft erkennbare Fähigkeit de Gaulles, kritische Stimmen zu respektieren und in seine politischen Entscheidungen einzubeziehen, obwohl er gegen manche seiner Gegner und Kritiker auch mit einer ausgeprägten Rachsucht vorgegangen sei. Der Autor schwankt zwischen Bewunderung für den Einsatz de Gaulles für das Allgemeinwohl und einer gewissen kritischen Distanz zu de Gaulle, die er z. T. auch schon als linkssozia-listischer Student empfunden habe, der den Mai 1968 schon damals in vielen Aspekten problematisiert habe. Trotz seiner Kritik an de Gaulle überwiegt bei Giesbert heute die Bewunderung für de Gaulle trotz der Fehler de Gaulles auch in seinen letzten Amtsjah-ren. Aus der Sicht des Autors haben die politischen und wirtschaftlichen Eliten nach der Präsidentschaft de Gaulles weitgehend versagt und Frankreich in eine schwer zu be-wältigende Dauerkrise geführt, weil sie sich kaum am Allgemeinwohl orientiert hätten und keine von Medien und Meinungsumfragen unabhängigen Visionen entwickelt hätten. Stattdessen seien Individualismus, Egoismus und mangelnde Kreativität und eine mangelnde Arbeitshaltung wesentliche gesellschaftlich-politische Normen geworden. Die medienkritische Einstellung de Gaulles billigt der Autor auch mit Bezug auf die heutige Rolle der Medien. Dieses Sachbuch, das auf einer beschränkten Quellenlage und persönlichen Erfah-rungen bzw. Einsichten Giesberts basiert, ist spannend und mit viel Engagement geschrieben . Es regt zum Nachdenken und zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Präsidentschaft de Gaulles und den aktuellen politischen Problemen Frankreichs an, aber die Vermischung persönlicher Werturteile mit der Analyse des Handelns de Gaulles setzt doch einen kritischen und historisch gebildeten oder bildungswilligen Leser voraus, der sich weiterer Informationsquellen bedient, um zu differenzierteren Wert-urteilen zu kommen.