La mafia d’Etat Vincent Jauvert 2021 Obwohl der provokative Titel dieses 2021 erschienenen Buchs des Journalisten Vincent Jauvert manchen Leser irritieren könnte und es ihm erschwe-ren könnte, die Ausführungen Jauverts nachzuvollziehen, ist dieses Buch ein seriöser und quellenmäßig gut belegter Versuch, die große Macht sowie die Bereicherung einer kleinen Elite hochrangiger Beamter in ihren Verbindungen mit der wirtschaftlichen Elite darzustellen. Den Begriff Staatsmafia (mafia d’Etat) definiert der Autor als eine nicht kriminelle Kaste höherer Beamter, die nach außen abgeschottet und verdeckt handelt und ihre eige-nen (vor allem finanziellen) Interessen und Privilegien in einer aus demokratischer Sicht falsch verstandenen Solidarität über Parteigrenzen hinweg verteidigt. Jauvert konzentriert sich auf das Phänomen der Pantouflage, das sich trotz mancher politischer Kontrollversuche vor allem in den letzten 60 Jahren als typisch französische Tradition entwickelt und verschärft habe. Dabei schlägt der Autor einen Bogen von Mitterrand bis zur Regierung Macron. Unter Pantouflage versteht der Autor den finanziell sehr lukrativen Wechsel aus dem höheren Staatsdienst in wirtschaftliche Führungsposi-tionen unter Nutzung eines Netzes von Beziehungen und Kenntnissen aus dem Staatdienst. Die oft exorbitant hohen Gehälter dieses Personenkrei-ses und die damit verbundene Sicherung eines üppigen Ruhestandsgehalts sind meist den Absolventen der Elitehochschulen (vor allem ENA) vorbe-halten. Trotz der Abschaffung der ENA und der stärkeren sozialen Öffnung der Ersatzinstitution durch die Regierung Macron existiert der sozial exklusive Zugang zu höheren Positionen in Wirtschaft und Verwaltung immer noch in hohem Maße. Die von Jauvert als „camarades” charakterisier-ten Eliten wehren sich seiner Meinung nach mit allen legalen Mitteln im Rahmen ihres persönlichen Beziehungsgeflechts, ohne ein Bewusstsein für die moralische und politische Fragwürdigkeit ihres normalerweise legalen Handelns zu entwickeln. Die fachliche Kompetenz der Elite analysiert oder bestreitet der Autor in der Regel nicht. Den Vorwurf einer populistischen Anschwärzung des demo-kratisch-präsidialen Systems Frankreichs kann man dem Autor angesichts seiner konsequenten Quellenangaben und des ausdrücklichen Hinweises auf vorbildliches Verhalten mancher hochrangiger Beamter, die die Pantouflage anprangern, nicht machen. Vielmehr erkennt der Autor die ersten ernst-haften Versuche zum Abbau dieser Missstände durch die Regierung Macron durchaus an. Sein Buch, das er Präsident Macron hat zukommen lassen, versteht der Autor auch als Rat und Appell für den zukünftigen Präsidenten. Insgesamt ist dieses Buch eine interessante und oft gut belegte Analyse der Rolle der französischen Elite, auch wenn viele Fragen offen bleiben. Nicht alle Interviewpartner des Investigativjournalisten waren kooperativ. Warum trotz jahrzehntelanger politischer Kontrollversuche sich nichts Wesentliches geändert hat, wird trotz der zähen Verteidigung von Privilegien durch eine Elite nicht abschließend geklärt.