In diesem 2018 erschienenen Sachbuch analysiert der Historiker Eric Alary das Leben französischer Zivilisten im Ersten Weltkrieg. Schwerpunkte seiner Untersuchung sind die gesellschaftlichen Umbrüche 1914, die Rolle der Frauen, die Situation von Flücht-lingen und von Zivilisten in von Deutschen besetzten Gebieten, wirtschaftliche und sozia-le Entwicklungen, Streiks und Meutereien in den Jahren 1917/1918,die Spanische Grippe am Kriegsende und die Probleme des Neubeginns nach dem Krieg in einer völlig verän-derten sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Situation. Dabei geht der Autor auch auf die problematischen Beziehungen zwischen den leidenden Soldaten und ihren im Zivilleben vor völlig neue Herausforderungen gestellten Frauen ein, die notgedrungen in die traditionell von Männern dominierte Arbeitswelt vordringen und damit auch ein neu-es Selbstbewusstsein entwickeln. Die ursprünglich ansatzweise erkennbare Kriegsbe-geisterung, die aber schon früh mit Ängsten und Trauergefühlen verbunden war, weicht schnell einem immer deutlicher wahrnehmbaren Gefühl des Leidens. Der Krieg ist ge-prägt durch Probleme hinsichtlich der Beschaffung von Lebensmitteln und die teilweise Rationierung vieler Güter des täglichen Bedarfs, eine stark ausgeprägte Inflation und die Verschärfung sozialer Gegensätze, Hassgefühle bezüglich vom Kriegsdienst freige-stellten Männern und sich allmählich oft entwickelnde Entfremdungsgefühle vieler Sol-daten, die auch anlässlich ihres Heimaturlaubs den emotional positiven Kontakt zu ih-ren Frauen nicht wieder erneuern können. Nach Kriegsende haben viele traumatisierte oder durch physische Verletzungen belastete ehemalige Soldaten oft große Schwierig-keiten, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Aber auch andere Teile der Gesell-schaft müssen sich neuen Herausforderungen stellen, die sich zu einem großen Teil aus dem Krieg ergeben haben. Die fundierte Analyse Alarys ist gut dokumentiert und enthält sowohl ein Literatur- und Quellenverzeichnis, das auch zahlreiche persönliche Berichte von Betroffenen einbe-zieht. Auch wenn Alary, was er auch selbst einräumt, nicht alle historischen Fragen zur Situation von Zivilisten im Ersten Weltkrieg beantwortet bzw. selbst die Allgemeingül-tigkeit mancher historischer Werturteile bezweifelt, bleibt festzuhalten, dass seine Analyse sehr informativ ist und eigentlich auch ein Plädoyer gegen den Krieg.