Wie viele Menschen (schätze ich!), nutze ich die Ausgangssperre aus, um mehr zu lesen, und insbesondere, um Bücher zu lesen, die mir in den letzten Jahren geschenkt wurden aber die ich aus Zeitgründen noch nicht lesen konnte. Darunter befindet sich also « la disparition de Stephanie Mailer » von Joël Dicker.
Joël Dicker ist ein Genfer Schriftsteller, der 2012 durch « La vérité sur l’affaire Harry Quebert » weltweit erfolgreich wurde. Vom Le Livre des Baltimore hatte ich auch berichtet. Und ich würde fast sagen, es reicht, beide Präsentationen zu lesen, um sich ein Bild vom « la disparition de Stephanie Mailer » zu machen…
Das Buch ist sehr dick (835 Seiten im Taschenformat) aber wieder wahnsinnig spannend.
Stephanie Mailer ist eine Journalistin in der lokalen Zeitung einer Kleinstadt an der Nordostküste der USA (Dicker scheint diese Region besonders zu lieben). Sie erzählt einem Polizisten, Rosenberg, dass er den falschen Mörder erwischt hatte, als er vor 20 Jahren in einem 4x Mord ermittelte. Damals, am Eröffnungsabend des lokalen Theaterfestivals, wurden der Bürgermeister, seine ganze Familie und eine Joggerin ermordet. Stephanie hätte Beweise und würde bald alles veröffentlichen, sobald ihre eigene Ermittlung fertig ist. Leider verschwindet sie am selben Tag. Rosenberg glaubt sie zwar nicht, aber möchte der Sache nachgehen. Er entscheidet sich schliesslich, gemeinsam mit seinem früheren Kollegen, den alten Fall wieder zu ermitteln, als er versteht, dass Stephanie Mailer nicht zufällig verschwunden ist.
Eins muss man sagen: Dicker hat die Gabe, Spannung zu schaffen. Eine Ereignissreiche Geschichte, mit vielen Überraschungen, neuen Elementen, die tröpchenweise und zum richtigen Zeitpunkt verraten werden… Man muss einfach weiter lesen. Die Spannung liegt nicht nur in der Lösung des Falles (oder der Fälle) sondern auch in der Frage, in wie fern alle Figuren, die wir kennen lernen, mit den Morden verbunden sind. Alle einzelne Geschichten führen, langsam aber sicher, zur diesjährigen Eröffnungsvorstellung des Theaterfestivals…
Dieses Mal überzeugen die Figuren aber nicht wirklich. Wieder oft irgendwie Stereotypen aus dem amerikanischen (Klein)stadtleben. Auch viele Szenen wirken wie déjà-vus aus irgendwelchen amerikanischen Filmen oder Serien.
Wie im « Livre des Baltimore » ist der Stil katastrophal… Schlecht geschrieben, mit holprigen bis unkorrekten Formulierungen. Ein unpassender Gebrauch des passé simple, (gehobener Zeit in einem Stil niedriger Qualität), sehr unecht wirkende Dialoge… Offensichtlich privilegieren Dicker und sein Verlag die Geschichte, die Strukturierung des Romans und die Entwicklung der Erzählung, und vernachlässigen die Sprache. Schade, aber vielleicht lesen die Krimileser_innen eher eine Geschichte als einen Stil ?