In stiller Dankbarkeit für Ferrats herrliche Lieder:
Nacht und Nebel
(Jean Ferrat / dt. D. Kaiser)
Sie waren zwanzig und weit mehr,
es kamen Tausende her,
in diesen Waggons mit Gittern,
nackt und mager, voll Zittern.
Die Nachtruh zersägten
ihre trommelnden Nägel.
Es kamen Tausende her,
sie waren zwanzig und weit mehr.
Menschen waren’s mit Kummer,
doch sie waren nur noch Nummern.
Schon lang hatten Würfel
ihr Schicksal entschieden.
Wenn die Hand zeigt, ja der,
ist er so gut wie verschieden.
Ihm war dann nie mehr
ein Sommer beschieden.
Die monotone Flucht,
die ohne Hast versucht,
den Tag zu überleben,
eine Stund’ zu erstreben.
Wie lang läuft das Rad noch,
hält an und wieder fährt,
ohne inne zu halten
doch wieder Hoffnung nährt.
Sie hießen Jean-Marie,
Samuel, Natascha.
An Jesus glaubten sie,
Vichnou und Jehova.
Andre beteten nicht.
Gott im Himmel gab es nie.
Sie wollten einfach nicht
mehr runter auf die Knie.
Es trafen lang nicht alle
am Ziel der Reise ein.
Können Entkommene dann
noch wirklich glücklich sein?
Sie suchen zu vergessen,
erstaunt, dass mit den Jahren
ihre Venen unterdessen
so blau geworden waren.
Es bewachten sie Deutsche
oben hoch von dem Turm.
Der Mond blieb dabei stumm,
so wie Ihr bliebet stumm.
Weithin schweifte ihr Blick,
nach draußen ging ihr Blick.
Dann war euer Körper zart
für die Hunde der Wacht.
Diese Worte sagt man heut,
die sind wert keinen Deut.
Ich soll nur Lieder singen,
die aus Liebe erklingen.
Und Blut schnell trocken wird,
wenn es Geschichte wird,
und dass es nichts mehr bringt,
wenn meine Gitarre erklingt.
Wer will Manns genug sein,
mir zu sagen “Halt ein“?
Menschlich wurde der Schatten,
nun, da wir Sommer hatten.
Ich bezwinge das Wort,
wenn Zwang denn sein muss,
damit die Kinder mal wissen,
wer Ihr wart, Dienst beflissen.
Ihr wart zwanzig und weit mehr.
Ihr kamt zu Tausenden her,
in diesen Waggons mit Gittern,
nackt und mager, voll Zittern.
Die Nachtruh zersägten
eure trommelnden Nägel.
Ihr kamt zu Tausenden her,
Ihr wart zwanzig und weit mehr.