Ist Frankreich immer noch ein Rechtsstaat?

Die Frage darf man sich nach dem Polizeieingriff in einer Mittelschule in Marciac (Südwesten) stellen.

:wink:

Bonsoir,

ich habe den Artikel gelesen. Die Handlungsweise ist sicherlich zu verurteilen. Aber wir können das Umfeld bzw. die näheren Umstände nicht beurteilen. Deswegen Frankreich die Rechtsstaatlichkeit abzusprechen halte ich für unberechtigt.

Einige Drogendealer würden sicher noch unsanfter mit zahlungsunfähigen « Kunden » umgehen. Und leider kann kein Einsatzleiter vorher erkennen, was ihn erwartet oder ob die Informationen verläßlich waren, die zu dem Einsatz führten.

Für die zu Unrecht Betroffenen sicherlich ein zu verurteilender Übergriff. Einsatzkräfte sollten mit etwas mehr Gefühl und ohne Emotionen an solche Überprüfungen herangehen.

Man könnte auch ganz anders an die Frage herangehen: mit welchem Recht maßt sich der Staat an, zu entscheiden, was legale (Tabak, Alkohol, Glücksspiel) und was illegale Drogen sind? Sollten wir nicht die Illusion von der drogenfreien Gesellschaft aufgeben? Hatte nicht schon Ötzi Drogen in der Tasche? Schicke ich meine Kinder in die Schule, damit sie dort von wildgewordenen Polizisten terrorisiert werden? Steht der Aufwand dieses Einsatzes in irgeneinem vernünftigen Verhältnis zum möglichen Ergebnis? « Rechtsstaatlich » ist das vielleicht schon - da kenne ich mich nicht aus -, aber was ist das für ein Staat, in dem so etwas Recht ist? Und du glaubst doch nicht im Ernst, napoleon, dass sie im Klassenzimmer einen Dealer schnappen? Und selbst wenn, was ist schon so ein Dealerchen, solange die Drogenmafia unangefochten die Drogenströme über die Grenzen lenkt?
Also ich würde sowohl als Mutter wie als Lehrerin wie als Staatsbürgerin gegen eine solche Aktion protestieren.

Ich weiss nicht ob das Wortspiel in Deutsch richtig wäre, so :

Ja, Frankreich ist ein „Etat de droite“.

Aber es gibt keine Überraschung für der die Politik seit mehrere Jahr beobachtet. Sarkozy hat sich nicht umzogen. Nur Xavier Darcos ist überrascht (oder er täuscht vor).

(Le Monde)

Hallo cri-zi,

ich will Dir nicht wiedersprechen, Du hast Recht.

Aber - Recht ist dehnbar, wir beide wohnen vielleicht in gemäßigten oder befriedeten Regionen, ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Ich kenne auch nicht die Situation der Stadt in Frankreich. Nur wenn ich an einige Vorstädte denke, in F und D, akzeptiere ich vertretbare Härte, natürlich keine Gewalt oder sexuelle Belästigungen, ohne wenn und aber.

Und eine Abgrenzung zu finden zwischen legalen Drogen (Alkohol, Tabak) und illegalen Drogen (Rauschmittel und stärker) ist schwierig. Ich würde sicher mehr verbieten, Tabak und Alkohol mit mehr als 12% Alkoholanteil würde dazu gehören. Aber unsere Staaten wollen die Steuern auf diese Produkte und machen sich somit auch ein bischen als « Drogen- Dealer » schuldig.

Aber es ging ja auch weniger um Drogen als um die zu Recht zu verurteilende Gewalt. Härte ja, aber Gewalt nein!

Neulich hat eine andere Affäre von sich reden gemacht, in der man wieder mal von Amtsmißbrauch von Seiten der Polizei sprechen kann.Selbst in der erzkonservativen UMP haben sich Politiker „schockiert“ erklärt!:

Hier ein Artikel aus der taz.de mit ironischem Titel:

Seitdem Sarko an der Macht ist,vermehren sich solche Ereignisse.(Nicht vergessen, daß Sarko, bevor er an die Spitze kam,ein Innenminister war, der die Polizei besonders begünstigt hat).Heute haben wir die Konsequenzen davon.Die Herren fühlen sich, zu Recht oder zu Unrecht unantastbar.
:smiling_imp:

PS;den letzten Absatz des Artikels möchte ich besonders betonen.„Heimat der Menschenrechte“ sind wir längst nicht mehr!

seit über 30jahren kennen wir in f und d
die drogenproblematik und soziales elend
zuerst war es ein phänomen nur in den ganz grossen städten…mittlerweile ist es überall
es ist UNHALTBAR und SKANDALÖS diese scheinheilige misswirtschaft auf unsere kinder abzuwälzen :imp:

Ist Frankreich noch ein Rechtsstaat? Dazu sollten wir vielleicht klären, was darunter zu verstehen ist. Ich verstehe darunter in erster Linie, dass Staatsgewalt nur in Bahnen des Rechts ausgeübt werden kann. Da geht es besonders um die Gesetze, die die Befugnisse des Staates ausgestalten und begrenzen etc. Insofern ist Frankreich auch ein Rechtsstaat, es müsste also wohl eher im Speziellen um die Polizei gehen nicht um den Staat selber. Da legt das Polzeirecht Aufgaben und Befugnisse fest. Wie das in Frankreich ist weiß ich aber leider auch nicht.

Ob so ein hartes Vorgehen seitens der Polzei durchs Gesetz gerechtfertigt ist, finde ich aber eher zweitrangig.
Man muss sich fragen, was sie damit bezwecken wollten: Offensichtlich gab es keinen konkreten Verdacht, dass irgendeiner der Schüler was dabei hatte, was nicht erlaubt ist. Also wird es sich um eine Abschreckungsmaßnahme gehandelt haben. Was ist daran schlecht? Natürlich kann man etwas weniger ruppig vorgehen, aber es ist keiner zu Schaden gekommen. Trotzdem würde mich dieses Vorgehen auch ärgern, wenn ich betroffen wäre und man muss sich nicht alles gefallen lassen, wenn es unbegründet ist.
Wenn wir aber annehmen, dass sie wirklich Drogen gefunden hätten, dann sehe ich keinen Grund, warum man zu Gesetzesbrechern nett sein sollte.

Was die Festlegung betrifft, was nun erlaubte Drogen sind und was nicht, so hat man sich da vor langer Zeit nach der gesellschaftlichen Akzeptanz gerichtet. 60% der Bevölkerung rauchen Tabak und ich denke dass jeder auch mal Alkohol trinkt. Was das Glücksspiel betrifft, waren die Diskussionen schon schwieriger, und so ist es auch nicht überall erlaubt. Aber hier geht es ja um Geld, und überall wo viel Geld im Spiel ist, das der Staat haben kann, wird er sich das nicht selber verbieten.
Die Zeiten haben sich sicher geändert und andere Drogen sind populär geworden. Sollte man die jetzt legalisieren?
Da kann ich nichts zu sagen, wenn es nach mir ginge, könnte man auch Tabak, Alkohol außer zu medizinischen Zwecken und zum Kochen von Wein-Soßen und Glücksspiel verbieten. :slight_smile:

Besser kann mans nicht machen, wenn man will, dass sich der Hass auf die Polizei von einer Generation auf die nächste überträgt, sagte gestern ein Lehrer am Fernsehen…

Ich bin mit Dir einverstanden, so wie die Dinge liegen in einigen Vorstädten, braucht es auch harte und repressive Polizeieinsätze. Dass Sarkozy das ausgesprochen hat und der Polizei auch mehr Mittel gegeben hat, finde ich sogar verdienstvoll. Soweit so gut. Ich gebe aber gleichzeitig Michelmau Recht und kritisiere wie er das „ungesunde“ Klima, das Sarkozys Diskurs von Law and Order hervorruft.

So oder so kann die Polizei nur dann schlagkräftig sein, wenn sie es versteht, sich wahre Autorität zu verschaffen (nicht nur Furcht und Hass zu provozieren). Das aber geht nur, wenn sie auch Vertrauen herstellt. Durch Berechenbarkeit und Verhältnismässigkeit. Und Kontakt mit der Bevölkerung.

Doch genau das haben viele Junge in den Vorstädten bisher kaum gesehen. Die französische Polizei ist gewiss eine exzellente Ordnungspolizei (eine der besten wohl Europas), aber die permanenten Personenkontrollen ohne jeden konkreten Verdacht, die Präsenz in Kampfmontur und in gepanzerten Mannschaftswagen zur Abschreckung an den Eingängen der sogenannt „sensiblen“ Quartiere, die routinemässige Anwendung der Polizeihaft „garde à vue“ zur Einschüchterung, das Fehlen des Austauschs im „normalen“ Alltag mit der Bevölkerung als „Freund und Helfer“ - all das erscheint mit wenig hilfreich, um Vertrauen zu bilden. Genauso wenig wie eine Razzia mit Drogenhunden in einem Klassenzimmer bei 14jährigen.

Am 19 Mai kommen im Städtchen Floirac bei Bordeaux 6 Polizisten in Uniform in eine Grundschule , nehmen einen sechs- und einen zehnjährigen Jungen mit und verhören die beiden Buben zwei Stunden lang im Polizeirevier. Der Grund dafür? Eine Mutter behauptet, die beiden Jungs hätten das Fahrrad ihres Sohns geklaut (was sich später als falsch herausstellen wird!)
Selbstverständlich haben Eltern, Lehrer und Bevölkerung ihrer Empörung über ein solches Verfahren Ausdruck gegeben.(Mit Recht.)
Polizeigewerkschaften prangern eine sogenannte « Politique du chiffre! » an. Polizisten seien dazu gezwungen, so heißt es,immer aktiver vorzugehen in puncto Verhaftungen, Geldstrafen…usw.

.http://www.lejdd.fr/cmc/societe/200921/arretes-pour-rien-a-6-et-10-ans_210760.html :imp:

was lassen sich die leute NOCH gefallen… :smiling_imp: :smiling_imp: :nul:

ich habe gerade das buch (ulrich wickert) « vom glück ein franzose zu sein » zu ende gelesen. da wird die franz. polizei (seite 217 -222) genau beschrieben, auch aus der geschichte heraus. was erstaunt also?

Wenn ich mir das vorstelle… Mein Großer ist 6 und kommt im Sommer in die Schule, ich glaube so etwas würde einen sehr, sehr tiefen Kratzer auf seiner Kinderseele hinterlassen. :cry:

Ich verstehe auch die Mutter nicht, zuerst klärt man das doch mit den Kindern und deren Eltern selber.
Aber okay, ich kenne die Umstände nicht…

naja am Dümmsten steht am Ende der ganzen Aktion wohl die Mutter da… :laughing:
In so einem kleinen Kaff weiß je jeder gleich was Sache ist…

Natürlich war ich sowohl schockiert als empört, als ich las, wie die Polizisten Kinder vernommen haben, als wären sie super gefährliche Verbrecher…Aber dass angedeutet wird, Frankreich sei/wäre eventuell kein Rechtsstaat mehr, schockiert mich ebenso sehr.
Unsere Polizei muss Fortschritte machen. Ich finde es auch nicht normal, dass einige Mitbürger wegen ihres Aussehens ständig kontrolliert werden, dass Polizisten sich so ruppig benehmen. Es muss schon einiges getan werden, aber wir leben in einem Rechtsstaat, davon bin ich überzeugt.

Wieder was Lustiges aus Sarkoland! :smiley:

http://timescorrespondents.typepad.com/charles_bremner/2009/05/careful-what-you-say-about-president-sarkozy-.html

:wink:

Ohlala, wir sollten aufpassen was wir sagen… :confused: :tomato: