In einer anderen Sprache denken

Als ich für ein paar Wochen bei meiner Brieffreundin war, in deren Familie kein Mensch auch nur ein Wort Deutsch sprach, habe ich nach einer Weile sogar auf Französisch geträumt. Und gedacht wahrscheinlich auch. g
Wenn ich aus F wieder nach D komme, muss ich mich immer zwingen wieder Deutsch zu reden. Fängt schon in der Bäckerei morgens an, nicht mehr « Bonjour » zu sagen, kostet schon Überwingung. :confused:

Kenn das durchaus vom englischen, mein französisch ist noch bei weitem nicht so gut, wenn man dann noch auf der Arbeit englisch spricht und ne Freundin hat die auch gerne und gut englisch redet.
Kanns einem auch schonmal im Supermarkt passieren das man von hinter der Theke komisch angeguckt wird, weil man es gar nicht merkt, das man nicht deutsch spricht.

Träume deutsch, denke deutsch, bin in Deutschland in 5 Minuten wieder in meiner Muttersprache, rutsche aber nach drei Jahren Marseille in ähnlich klingende französische Ausdrücke, wenn ich mich mit spanischen Freunden unterhalte. :wink:

Moin,

ich kann von jetzt auf gleich von Deutsch auf Französisch ohne grosse Probleme umschalten. Zuweilen spreche ich auch absichtlich ein paar Brocken französisch mit meiner Ex, damit sie die Sprache lernt. Im Moment sind die Kenntnisse fast Null, lernen will sie jedoch. Kraftausdrücke fallen grundsätzlich auf französisch, dann klingen sie schön kräftig und kein Mensch versteht es. :smiley: :smiley:

Ein bisschen habe ich aber auch die Lebensart angenommen, ich sehe vieles sehr locker. Ich habe dieses « on verra, ca ira! » ziemlich tief verinnerlicht, ganz zu schweigen von meinem Fahrstil. :smiley: :smiley: Ich kann mich auch nach spätestens zwei Stunden in Frankreich in diese Denke und Art hineinversetzen, den dt. Touristen kauft man mir nicht ab. Umso schwerer ist es für mich, wenn ich wieder zurück in D bin. Dann habe ich massive Probleme, mich umzugewöhnen. Dann fehlt mir der ungezwungene Schwatz im Tabac oder an der übervollen Supermarktkasse, mir fehlt der chaotische Verkehr genauso wie das freundliche « bonjour! » in der Bäckerei. Ganz zu schweigen vom morgendlichen petit express in der Bar au coin mit dem ganzen Trubel und der Lebensfreude. Das fehlt mir alles so unendlich in Deutschland… Ich bin Deutscher mit wallonischem Nachnamen, aber Deutscher bin ich nur auf dem Papier. LEIDER…

LG,

Oliver

Es geht aber darum, ob man in einer anderen Sprachen denken kann, nicht ob man sie problemlos sprechen kann. Denn das ist leicht, weil es nach außen gerichtet ist, während das Denken nur für einen selbst ist und man das nicht mit anderen abstimmen muss.

Ich denke jetzt seit einigen Tagen nach, ob man eigentlich in einer anderen Sprachen denken kann, vor allem weil eigentlich unklar ist, was denn dieses Denken ist. Wie denkt der Mensch? Ich muss sagen, für mich ist nicht eindeutig, dass man in Worten denkt. Mir ist das bisher eher selten aufgefallen. Beim bewussten Denken ja, aber die meiste Zeit über „denkt“ der Mensch doch eher in einem Bewusstseinsstrom und er formuliert das nicht aus, wie es James Joyce in Ulysses versucht. Das ist interessant zu lesen und viele Menschen werden sich in dieser Art des Denkens wiederfinden, aber ich habe nicht das Gefühl, dass man so „denkt“.

Ein Problem der Sprache an sich ist nämlich, dass sie zu eng ist, sie ist nur ein Medium, ein Code um sich mit anderen verständigen zu können. Es gibt viele Wörter und man kann damit im Gespräch alles ausdrücken was man will und auch alles verwörtlichen, was man sieht. Dass das gewöhnliche Denken aber über die Sprache hinausgeht merke ich dann, wenn ich in Fremdsprachen Wörtern begegne, für die es im Deutschen oder in jeweiligen Vergleichssprachen kein Wort gibt, sondern man das umschreiben muss, weil hinter dem Wort ein Gefühl steckt. Im Walisischen zum Beispiel gibt es überhaupt sehr wenig Worte, so dass sie mehrfach mit einer Bedeutung besetzt sind - wenn man sie übersetzt. Der Muttersprachler übersetzt sie aber nicht. Daraus müsste resultieren, dass man nicht wirklich in Worten denkt, sondern in Gefühlen und Bildern und sie erst anschließend, wenn man sie sich bewusst macht, in Worte übersetzt. Generell ist es also möglich, auch Französisch zu denken. Das schwierige wird eher sein, das Denken vor dem Denken französisch zu machen, also die Wahrnehmung. Auch wenn man ein Land liebt und sich als Franzose fühlt, so haben wir definitiv einen deutschen Erfahrungshorizont und nehmen die Dinge so wahr, wie wir es gelernt haben.

Das möchte ich für mich mal persönlich unterstreichen.
Ich spreche zwar kein französisch, werde aber zwischenzeitlich häufig mit dem Englischen konfrontiert.Da bei mir auch diese Sprache nicht fließend von der Hand geht,denke ich deutsch und übersetzte im Anschluß ins Englische. :wink:

Hm, das meinte ich eigentlich nicht. Mir ging es um die Situation, wenn man eine Sprache schon sehr gut kann, und dann auch nicht um die Gespräche, sondern nur um das Denken. Ich würde schon behaupten, dass ich ein paar Sprachen recht gut sprechen kann und dann, wenn ich sie benutze, auch in der Sprache denke. Ich muss mir meine Sätze dann nicht im Kopf übersetzen und so sollte es sein, erst dann funktioniert ein Gefühl für die Fremdsprache, unabhängig von deutschem Erfahrungshorizont und der Wahrnehmung von Dingen.

Was ich meinte, und was m.E. auch Parisienne meinte, ist das Denken ohne das Sprechen. Also wenn ich durch die Weltgeschichte latsche und Alltagsdinge tue. Man denkt immer zweigleisig - einmal bewusst und einmal unbewusst. Das bewusste Denken lässt sich natürlich einer anderen Sprache machen, weil man dabei Sätze formuliert.
Das bewusste Denken kann man sicher in Französisch machen, eben weil es bewusst ist. Bei Bewusstsein gewissermaßen kann man alles beeinflussen, auch die Sprache - sofern man genug Vokabeln hat. Aber das unbewusste Denken bleibt für mich bisher sprachlos. Ich stelle es mir eher als rasend schnelle und ungeordnete Gehirnwellen von Bildern, Gefühlen, Bewusstseinsfetzen vor, während das Denken vorm Sprechen sie ordnet und in ein Korsett gießt, die Sprache. Welche auch immer.

Eine Sprache kann nur im Unterbewußtsein fließen, wenn man sie auch « perfekt » sprechen kann.Wie du schon erwähntest:Fehlen die nötigen Vokabeln, wird der unterbewußte Denkprozess unterbrochen.Das Hirn suchst sich in diesem Fall den für ihn leichteren, begehbaren Weg,nämlich die " Schokoladenseite". :wink: Meine kenne ich :smiley:

es gibt perfekt und perfekt,
ich lebe seit sehr langer zeit in frankreich und mein französisch ist immer noch « mittelmässig » :blush:
trotzdem « denke » ich nun so ca. 80% in französisch.
mir ist es bisher noch gar nicht aufgefallen aber parisienne hat recht.der emotionale part…
ich fluche oft auf deutsch,in stresssituationen fange ich an « im kopf » ins deutsch zu übersetzen :open_mouth:
:wink:

Dieser in unserem Falle deutsche Erfahrungshorizont bleibt meiner Meinung nach ab einem bestimmten Alter (ca. 16 Jahre) dominierend und wird durch neue Erfahrungen, so sehr sie im Alltag auch in den Vordergrund drängen, „nur“ überdeckt. Gerade diejenigen, die bewusst versuchen, ihren ursprünglichen Erfahrungshorizont aus welchen Gründen auch immer zurückzudrängen, sich also als Franzose oder was anderes fühlen zu wollen, „ticken“ oft sehr deutsch. Wenn ich jemanden sagen höre: Ich denke inzwischen wie ein Franzose etc., dann werde ich immer „misstrauisch“. Mir fällt gerade Dr. Ruth Westheimer („Dr. Ruth“) ein. Sie ist auf natürliche und unverkrampfte Weise Amerikanerin geworden, sie fühlt und lebt jeden Aspekt amerikanischen Denkens, aber sie hat nie versucht, ihren ursprünglichen hessisch-deutschen Erfahrungshorizont zu verdrängen, obwohl ihre Eltern in Auschwitz ermordet wurden. Inzwischen besitzt sie sogar neben der amerikanischen auch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft.

youtube.com/watch?v=eZn4ehCCYVA

youtube.com/watch?v=Ful2danCTbc

ich glaube es geht hier darum in welcher sprache man denkt und nicht « wie ein franzose oder deutscher »
den ursprünglichen national oder kulturellen grundstein werden wir nicht los.
aber nach 20 jahren frankreich färbt schon einiges ab :stuck_out_tongue: :laughing:

ich bin so oft im « ausland », habe unzählige kontakte mit fremdsprachlern, da bleibt es nicht aus, mal anders zu denken.
sprechen tue ich in deutsch und englisch. beide sprachen fast perfekt, flämisch kann ich gut verstehen und lesen, sprechen recht mager. französisch noch fast viel schlechter.

wenn ich mich dann mit einem belgier, dessen heimatsprache in der wallonie französisch ist, der gebrochen flämisch spricht, über stunden über weine und reisen etc. spreche, so geschieht dies mit händen und füssen und zumeist in englisch mit wortfetzen der jeweiligen « randsprachen ». da verliert sich das deutsche schon ein wenig. und es passiert mir immer wieder, das ich aus einer drehung zu meiner frau dann in vlaams rede.

ich bin da schon ein wenig europäisiert… und meine verachtung auf alles typisch deutsche prägt da auch mit.
also irgendwie sitze ich da zwischen den stühlen, aber der vorteil ist der, das alle immer verzweifelt zu erraten versuchen, aus welchen lande ich denn nun sei.

Was mich betrifft, ich spreche, schimpfe und denke seit ich ca. 14 bin auf französisch ohne vorher zu übersetzen, deutschen Akzent habe ich seit der Zeit auch keinen.Mit englisch ist es fast genauso - nur geht das nicht so akzentlos. Englisch wurde erst nach dem Abitur für mich reine Freude. Nachdem mein einziger (!!!) Englischlehrer verschwunden war…
Ich muss bemerken dass ich in einem multikulturellem Familien- und Freundes-Umkreis aufgewachsen bin, was sicher einen Einfluss hat.Trotz 40 Jahren in Frankreich suche ich noch nicht nach vergessenen Worten meiner Muttersprache.

???
Wenn mich auch viel typisch deutsches schon seit langer Zeit sehr stört, wûrde ich es als Deutsche nie verachten

youtube.com/watch?v=cyahbRmlhW8