Hier können sich alle Hobbyautoren austoben :)

Dieses Thema ist dazu gedacht, dass Hobbyautoren hier ihre Kurzgeschichten reinstellen können.
Schreiben ist ja meine große Leidenschaft, ich arbeite gerade an einem Roman und schreibe außerdem viele Kurzgeschichten.
Jeder der möchte kann sich hier mit anderen über das Schreiben austauschen und selbst Kurzgeschichten reinstellen.

Ich stelle hier mal eine Weihnachtsgeschichte von mir herein, die an die Wichtigkeit der deutsch-französischen Freundschaft und an die Sinnlosigkeit des Krieges erinnern soll.
Zugegeben…historisch korrekt ist sie nicht, da an Weihnachten 1916 die Gefechte in Verdun seit acht Tagen beendet waren.
Und ich habe meine Lieblingsromanfiguren, Alexandre Dumas Musketiere, die mich zu einem großen Frankreichfan gemacht haben, in diese Geschichte eingebaut, sie also aus ihrer Zeit herausgenommen und in eine andere verpflanzt.
Einen solchen Weihnachtsfrieden gab es damals wirklich, allerdings an der Westfront, zwischen Deutschen und Engländern an Weihnachten 1914.

Verdun, 24. Dezember 1916

“Ist ja gut, d´Artagnan, ich bin bei dir. Heute kann dir nichts mehr geschehen, bis morgen früh wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Und ich werde weiter auf dich aufpassen, bleib im Schützengraben immer an meiner Seite, ich werde dir alles beibringen was du wissen musst. Alles wird gut, du wirst diese Hölle überleben, und schon bald ist der Krieg zu Ende”, sagte Athos zu dem leise vor sich hin wimmernden sichtlich verstörten Jungen aus der Gascogne.
Er wollte dem erst Achtzehnjährigen Mut machen , obwohl er selbst daran zweifelte, dass einer von ihnen die Hölle von Verdun überleben würde. Seit zwei Jahren war er jetzt schon als Musketier in diesem Krieg dabei und hatte in dieser Zeit unzählige seiner Kameraden fallen sehen. Diese schrecklichen Bilder würde er nie wieder aus dem Kopf bekommen, sie verfolgten ihn Nacht für Nacht bis in seine Träume.
Von den Männern, mit denen er sich zu Beginn des Krieges in seinem Regiment angefreundet hatte, lebten nur noch ein gutmütiger Hüne namens Porthos und ein ehemaliger Priesterschüler namens Aramis, der immer ein Notizbuch mit sich herumtrug, um jederzeit seine Gedanken in Form von Gedichten zu Papier bringen zu können. Aramis hieß in Wirklichkeit Rene d´Herblay und Porthos Isaac de Portheau. Beide hatten, genau wie er, falsche Namen angenommen, weil sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen wollten oder mussten. Athos, Aramis und Porthos wurden von ihren Kameraden “die drei Unzertrennlichen” genannt, weil man sicher sein konnte, die drei fast immer zusammen anzutreffen. Nachts schliefen sie Seite an Seite, sie teilten ihren Proviant miteinander und kämpften im Schützengraben stets alle drei nebeneinander. d´Artagnan war erst seit einer Woche im Regiment, er gehörte zu jenen jungen Männern, die kaum dem Kindesalter entwachsen waren und sich freiwillig als Soldaten gemeldet hatten. Übermütig und voller Tatendrang hatte er am ersten Tag kurz nach seinem Eintreffen damit geprahlt, dass er ein meisterhafter Schütze sei, der die Deutschen erlegen würde wie ein Jäger die Hasen. Doch schon am zweiten Tag hatte er sein erstes Gefecht mitmachen müssen und gesehen wie seine Kameraden von Maschinengewehren niedergemäht wurden und wie manche, die nicht sofort tot waren, sich schwer verwundet unter schrecklichen Qualen am Boden wanden und verzweifelt nach ihren Müttern oder Frauen schrieen, bis ihre Schreie schließlich leiser wurden und dann gänzlich verstummten. 10.000 Granaten und Minen gingen stündlich vor Verdun nieder und erzeugten eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse, die viele Männer an den Rand des Wahnsinns trieb. Innerhalb weniger Wochen hatte sich das Schlachtfeld in eine Kraterlandschaft verwandelt, von den Wäldern um Verdun waren nur Baumstümpfe geblieben. Und in der Luft lag ständig der Gestank von Blut, Schweiß, Urin und Verwesung. Täglich kamen bis zu siebentausend Pferde auf dem Schlachtfeld um und ebenso wie viele der getöteten Männer mussten sie liegen gelassen werden. Im Sommer war der Gestank schlimmer gewesen, doch auch jetzt, im Winter lag er in der Luft. Der vorher so großspurige d´Artagnan hatte sich dadurch in ein zitterndes Nervenbündel verwandelt, und Athos hatte sich seiner angenommen, da der Junge ihm sehr leid tat und irgendwie väterliche Gefühle bei ihm weckte. Es war ihm völlig gleichgültig ob er selbst diesen Krieg überlebte oder nicht, doch er wollte versuchen den Gascogner durchzubringen, da der Junge noch sein ganzes Leben vor sich hatte. Athos hatte in den letzten Monaten hier in Verdun mit ansehen müssen, wie Männer gestorben waren, weil sie verseuchtes Regenwasser aus Granattrichtern oder ihren eigenen Urin tranken, weil sie nichts anderes mehr zu trinken hatten. Er hatte mehrere Tage ohne Nahrung auskommen müssen und oft tagelang seine Gasmaske tragen müssen, wenn die Deutschen wieder einmal Gas einsetzten. Ein Junge, der aus dem selben Dorf wie der Gascogner stammte, war gestern gefallen und seine Leiche lag noch irgendwo dort draußen. Athos machte sich Sorgen um d´Artagnan, befürchtete, dass dieser den Verstand verlieren könnte. Das war hier schon mehrmals vorgekommen, dass junge Männer ins Lazarett gebracht werden mussten, weil sie sich in sabbernde, stammelnde Wesen verwandelt hatten, die nicht einmal mehr ihren eigenen Namen aussprechen konnten, die ständig zitterten und deren Blicke immer ins Leere gingen.

Für Athos war es bereits das dritte Weihnachten im Felde, doch der arme Gascogner hatte im letzten Jahr das Fest im Kreise seiner Familie, sicher und geborgen an einem warmen Kamin, gefeiert.
Der Junge schniefte leise und blickte mit Augen, die wie die eines verängstigten Rehs wirkten, zu ihm auf.
“Ich will nach Hause! Ich hätte nicht gedacht, dass der Krieg so brutal ist, so grausam und so blutig! Ich dachte es ist wie in den Abenteuerromanen die ich immer gelesen habe, ein bisschen Scharmützel und dann kann man nach Hause gehen und ist ein Held. Ach, warum habe ich nicht auf Vater und Mutter gehört……ich bitte dich, Athos, rede mit unserem Hauptmann und sage ihm, ich hätte mich geirrt und will nach Hause gehen. Ich halte das nicht mehr aus, ich werd hier noch verrückt! Ich will nicht sterben! Ich habe Angst! Ich will nicht so sterben wie mein Freund Gaston, dem die Eingeweide aus dem Bauch quollen, während er sich die Seele aus dem Leib schrie! Ich bin doch freiwillig hier, da muss man mich doch gehen lassen!”
Er schüttelte traurig den Kopf, weil er genau wusste, dass er nichts für den Jungen tun konnte. Dieser hatte sich zwar freiwillig gemeldet, doch wer das tat, konnte das Regiment nicht einfach so wieder verlassen.
Porthos schenkte dem Jungen ein aufmunterndes Lächeln und klopfte ihm auf die Schulter.
“Bald kannst du wieder nach Hause, d´Artagnan. Die Deutschen können Verdun niemals einnehmen, es sind schon so viele gefallen und hier wird es genauso laufen wie vor zwei Monaten bei unseren Kameraden in Fort Dounaumont…schon in ein paar Tagen können wir gewiss als Sieger nach Hause zurückkehren.”
“Im Krieg gibt es keine Sieger, sondern auf beiden Seiten nur Verlierer”, erwiderte Athos mit düsterer Miene.
“Da kann ich Athos nur zustimmmen”, meinte Aramis, der an die stollenartige Wand des Schützengrabens gelehnt saß und an einem Gedicht schrieb, “dieser Krieg ist so sinnlos wie alle Kriege und wir sind nichts weiter als Schachfiguren der Mächtigen, Lämmer die man zur Schlachtbank führt. Diejenigen die diesen Krieg angezettelt haben, müssen jetzt nicht im Schützengraben frieren und hungern, die feiern mit ihren Familien am warmen Kamin Weihnachten, schlagen sich den Bauch mit gutem Essen voll und trinken Rotwein. Wenn die einmal die Schrecken des Schlachtfeldes am eigenen Leib erfahren müssten, hätte ihre Kriegstreiberei gewiss ein Ende.”
“Ja, und das Schlimmste ist, dass sie uns gegen unseren Willen in diesen Krieg zwingen”, meldete sich Jean-Baptiste Soleil, ein breitschultriger Mann, in dessen braunem Haar sich erste graue Strähnen zeigten, zu Wort “bei der Musterung haben sie mich als kriegstauglich eingestuft und ich konnte nichts dagegen tun. Ich hätte lieber weiter als Lehrer in Paris gearbeitet, als mir diesen Wahnsinn, dieses sinnlose Morden anzutun. Die wenigsten von uns sind aus freiem Willen hier.”
Der Mann hatte einen schlimmen Husten und sein Atem klang rasselnd, seine Chancen, lebend aus Verdun herauszukommen wurden mit jedem Tag geringer. Und er war nicht der Einzige, vielen machte die Kälte und Nässe in den Schützengräben schwer zu schaffen. Wenigstens hatten sie gestern neuen Proviant bekommen, Wein und altbackenes Baguette mit Wurst und Käse, doch schon nach Weihnachten würden die Rationen wieder kleiner ausfallen und vor allem aus Trockenfleisch und dünner Brühe bestehen. Es hatte zu schneien begonnen und ein schneidend kalter Wind wehte, in dicke Mäntel gehüllt suchten die Männer Schutz an den Feuerstellen im Schützengraben, die sie heute auch nur deswegen anzünden konnten, weil an diesem Tag die Gefechte ruhten. Viele schrieben Briefe an ihre Familien, andere saßen einfach nur da, starrten ins Leere und wischten sich gelegentlich verstohlen eine Träne von den Wangen.

Vor drei Jahren habe ich noch gemeinsam mit Anne gefeiert und mich für den glücklichsten Menschen der Welt gehalten, dachte Athos traurig. Damals hatte er noch nicht gewusst, dass ihre Liebe nur eine Chimäre war und er ihr gar nichts bedeutete. Sie hatte ihn mit dem Dorfpfarrer, den sie ihm gegenüber als ihren Bruder ausgegeben hatte, betrogen, und als er dahinterkam, hatte der Pfarrer rasch das Weite gesucht, und Athos hatte, nicht Herr seiner Sinne, von Wut und Enttäuschung beherrscht, seine Frau an einem Baum auf der Waldlichtung, auf der er die beiden ertappt hatte, erhängt. Das war in jenem Sommer gewesen, als Frankreich als Verbündeter Russlands in den Krieg eingetreten war. Er hatte sich unter falschem Namen als Freiwilliger gemeldet, nur wenige Tage nach Kriegsbeginn, und seitdem wurde er von Reue und Schuldgefühlen gequält. War es richtig gewesen, einfach davonzulaufen? Hätte er sich nicht stellen und die Strafe für seine grausame Tat verbüßen sollen?
Schneeflocken segelten sanft wie Federn zu Boden, wo sie eine dünne weiße Decke bildeten, die die Spuren des Blutes der am Vortag Gefallenen verdeckte.
“Wenn es an Weihnachten schneit, geht Vater immer mit mir und meinen jüngeren Brüdern nach draußen und wir machen eine Schneeballschlacht”, schniefte d´Artagnan, dem jetzt dicke Tränen über die Wangen liefen, “und wenn wir wieder hereinkommen wartet Mutter mit Bratäpfeln und heißem Punsch auf uns. Ach ich wünschte ich könnte jetzt bei ihnen sein, sie fehlen mir so sehr. Wahrscheinlich sehe ich sie niemals wieder.”
“Du wirst bald wieder bei ihnen sein”; versuchte der ehemalige Comte de La Fère dem Jungen Mut zu machen, “und das nächste Weihnachtsfest feiert ihr wieder alle zusammen.”
“So ein Unsinn, Athos, wir sind alle dem Tod geweiht”; mischte sich Marc Chablis, ein hagerer, stets missmutiger und gehässiger Kamerad ein, “früher oder später enden wir doch hier alle als Kanonenfutter. Erst recht solche Küken wie der Gascogner da, die kaum ihren ersten Bartflaum bekommen haben.”
“Halt den Mund”, fuhr Athos ihn verärgert an, “siehst du denn nicht, wie verängstigt er ist? Warum musst du es für ihn noch schlimmer machen?”
“Aber ich habe doch Recht”; beharrte Chablis, “damals, im Sommer vor zwei Jahren wurde uns gesagt, dass wir bis Weihnachten längst den Krieg gewonnen hätten und wieder zu Hause wären. Alles Lügen…hätte mir damals jemand gesagt, dass ich drei Weihnachten hintereinander in irgendwelchen Schützengräben hockend und um mein Leben bangend verbringen muss, hätte ich mich sofort, nachdem ich meinen Einberufungsbefehl erhielt, nach Amerika abgesetzt.”
Athos hielt den weinenden Gascogner fest in den Armen, wie ein Vater der seinen Sohn tröstet, und es tat ihm im Herzen weh, dass er dem armen Jungen nicht helfen konnte den Schrecken des Krieges zu entkommen und zu seiner Familie zurückzukehren. Er war der Meinung, dass es eine Schande war, dass man solche Jungen, die noch halbe Kinder waren, überhaupt als Freiwillige aufnahm.

Allmählich wurde es dunkel und zwei Feuerstellen und ein paar tragbare Petroleumlampen bildeten die einzige Lichtquelle in den Schützengräben. In der Ferne konnte man in den Gräben der Feinde ebenfalls das Flackern mehrerer Lichter erkennen und außerdem hörte man festliche Gesänge.

“Stille Nacht, Heilige Nacht,
Alles schläft, Einsam wacht
Nur das traute hochheilge Paar,
holder Knabe im lockigen Haar,
schlaf in himmlischer Ruh”,
schlaf in himmlicher Ruh”

Die deutschen Soldaten sangen ein weltbekanntes Weihnachtslied, ihren Gesang konnte man bis zu den Schützengräben der Franzosen hören, die zwar fast alle den deutschen Text nicht verstanden, denen die Melodie jedoch geläufig war, eine Melodie, mit der sie die Erinnerung an glücklichere Weihnachtsfeste im Kreis ihrer Familien und Freunde verbanden. Vielen liefen Tränen über die Wangen, so sehr bewegte das Lied sie, in diesem Moment schienen Krieg und Leid vergessen zu sein, wenn auch nur für wenige Augenblicke. Einige begannen nun ihrerseits den Text auf französisch zu singen und immer mehr Soldaten fielen in den Chor mit ein. Für viele bedeutete dieser Moment, das Singen dieses Weihnachtsliedes einen inneren Frieden, den sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. An Kämpfen dachte an diesem Abend niemand.
Behutsam löste Athos sich aus der Umarmung des Gascogners.
“Kann ich diese geschmückten Tannenzweige haben, die deine Mutter dir geschickt hat?”; fragte er den Jungen, “ich gebe sie dir später zurück.”
d´Artagnans Mutter hatte ihm neben den Zweigen, bei denen schon ein paar Nadeln ausgefallen waren, auch noch einige Süßigkeiten geschickt, die er mit seinen Kameraden geteilt hatte.
Der Gascogner nickte nur, er befand sich noch immer in einer Schockstarre, so dass ihm gleichgültig war, was mit den Zweigen geschah.
Mit einer brennenden Kerze in der einen und den Zweigen in der anderen Hand kletterte er aus dem Schützengraben heraus, seine Schritte knirschten im frisch gefallenen Schnee als er in Richtung der Schützengräben in denen die Deutschen lagerten ging.
“Athos, was tust du denn da? Die werdern dich abknallen wie einen räudigen Hund!”, rief Aramis, “wirf dein Leben nicht so weg!”
Als der ehemalige Comte unbeirrt weiterging, folgten Porthos und Aramis trotz ihrer Angst ihrem Freund um ihn zurückzuholen.
Auf halbem Weg zwischen den Schützengräben der Deutschen und dem der Franzosen blieb dieser schließlich stehen und rief laut auf Deutsch:
“Ich komme als Freund zu euch, zumindest am heutigen Abend. Ich bin der Meinung, dass wir in der heiligen Nacht ein Zeichen der Versöhnung setzen und zusammen feiern sollten. Heute stehen wir uns nich als Feinde gegenüber, sondern als verängstigte, traurige Männer die einfach nur heim zu ihren Familien wollen und die sich nach dem Ende des Krieges sehnen.”
Als die Deutschen diese Worte vernommen hatten, hörten sie auf zu singen und es herrschte eine ganze Weile lang beklemmendes Schweigen. Mittlerweile hatten Aramis und Porthos ihren Freund erreicht und versuchten ihn zum Schützengraben zurückzuzerren.

Doch genau in diesem Moment kamen drei deutsche Soldaten, die in dicke Uniformmäntel gehüllt waren und die für die deutsche Armee typischen Pickelhauben auf dem Kopf trugen, mit zaghaften Schritten auf die drei französischen Musketiere zu, ihre tief in den Höhlen liegenden Augen schweiften misstrauisch über die Umgebung, fast so als ob sie einen Hinterhalt vermuten würden. Eine ganze Weile standen sich Deutsche und Franzosen gegenüber und niemand sagte ein Wort.
Der Comte begann sich zu fragen, ob er nicht etwas voreilig gehandelt hatte. War es überhaupt möglich, dass Männer, die noch am Vortag aufeinander geschossen hatten, jetzt gemeinsam den heiligen Abend feierten?
“Unsere Offiziere haben für heute Waffenstillstand angeordnet, und wenn das hier eine Falle ist wird es euch Franzmänner teuer zu stehen kommen”, meinte einer der Deutschen, während er die Musketiere argwöhnisch musterte.
“Beruhige dich Heinrich”; meinte einer seiner Kameraden und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter, “ich glaube dieser Franzose meint das wirklich ernst. Zumindest heute scheinen sie nicht als Feinde zu uns kommen. Ein Mann der uns erschießen will, kommt wohl kaum mit Tannenzweigen und Kerzen zu uns.”
Der dritte Deutsche stand nun direkt vor Athos und betrachtete wehmütig die festlich geschmückten Tannenzweige in dessen Hand.
“Können Sie mir einen Zweig geben?”, bat er ihn, “der Geruch von Tannenzweigen erinnert mich an glücklichere Weihnachtsfeste, die ich im Kreis meiner Familie verbracht habe. Ach, könnte ich jetzt nur in Berlin sein.”
Der Comte nickte verständnisvoll und reichte ihm einen der Zweige, daraufhin rieb der Mann mit den Fingerkuppen an den Nadeln, dann schnupperte er an dem Zweig und seufzte wehmütig.
Auf beiden Seiten lugten jetzt die Soldaten aus ihren Schützengräben, alle waren angespannt und fragten sich, was diese sechs Männer beider Nationen dort gerade taten. Ein paar Soldaten kletterten jetzt aus ihren Gräben heraus, schulterten ihre Gewehre und kamen vorsichtig näher. Alle hatten Angst, dass jemand die Waffenruhe brechen könnte und sie am heiligen Abend, an dem alle sich ausruhen und an ihre Familien denken wollten, doch noch kämpfen mussten.
“Wie wäre es, wenn wir hier ein Feuer machen und etwas essen?”; schlug der stets hungrige Porthos vor, “diese Stelle ist gut, hier ist nirgendwo eine Granate eingeschlagen und Tote liegen hier auch keine.”
“Ich hoffe nur wir bekommen keine Schwierigkeiten mit Treville”, gab einer der französischen Soldaten, die sich inzwischen zu den drei Unzertrennlichen gesellt hatten, zu bedenken, “gewiss wird er es uns als Verrat auslegen wenn wir mit den Preußen feiern, und ihr wisst ja, dass Verräter genau wie Deserteure mit dem Tod bestraft werden.”
“Der Hauptmann ist ein vernünftiger Mann, er selbst hat die Waffenruhe für heute mit den deutschen Offizieren vereinbart”, erwiderte Athos, “sicherlich wird er uns nicht alle erschießen lassen, nur weil wir für eine Nacht die alte Erbfeindschaft vergessen und gemeinsam feiern.”
Unter den deutschen Soldaten, die sich vorsichtig und argwöhnisch der Gruppe näherten, waren auch einige Jungen wie der Gascogner, halbe Kinder noch, mit verstörten Gesichtern, deren Augen das Grauen widerspiegelten, das sie hier schon durchlebt hatten. Einer der Jungen, ein dünner Blondschopf, trug einen Verband am Kopf, und er zitterte am ganzen Körper.

Allmählich begannen die Soldaten beider Seiten, die zu der Gruppe kamen, zu begreifen, dass sich hier kein weiteres Gefecht sondern eine Art Frieden auf Zeit anbahnte. Männer beider Länder schüttelten einander die Hände wie alte Freunde. Einige, darunter auch Athos, gingen zurück in ihre Gräben um etwas Essbares und Feuerholz zu besorgen.
“Was geht hier eigentlich vor, Athos?”, wollte d´Artagnan wissen, der sich noch nicht aus dem Graben herausgewagt hatte, “was hast du da eben bei den Deutschen gemacht? Denen darf man nicht trauen, das sind alles grausame Kriegstreiber und hassen uns Franzosen. Die sind hinterhältig und bösartig und gemeingefährlich. In Tarbes hat einer meiner Lehrer immer gesagt, dass die Deutschen nichts lieber tun als französische Männer zu töten und französischen Frauen Gewalt anzutun.”
“Du solltest nicht alles glauben was deine Lehrer dir so erzählen. Heute haben wir Waffenstillstand und werden zusammen feiern und ich bin davon überzeugt, dass dieser Abend dir eine wertvolle Lektion bescheren wird die du niemals vergisst.”
“Was ist wenn das eine Falle ist und sie uns alle draußen in einen Hinterhalt locken um uns zu erschießen? Oder uns etwas Vergiftetes zu essen geben?”
“Das tun sie gewiss nicht, genau wie wir sehnen sie sich einfach nur nach etwas Ruhe und Frieden.”
Der Gascogner schmollte zwar noch, weil ihm diese Verbrüderung mit dem Feind ganz und gar nicht geheuer war, doch weil er vor Athos großen Respekt hatte und in ihm eine Art Ersatzvater sah, fügte er sich und half ihm und den anderen, Feuerholz, Baguettes, Trockenfleisch und Käse nach draußen zu bringen. Doch sein finsterer Blick verriet deutlich die Verachtung die er für die gegnerischen Soldaten empfand.
Die Deutschen steuerten Trockenfrüchte, altbackenes Schwarzbrot, ein paar Konserven mit Bohnen und Pfirsischen und ein Fass Bier bei. Wenig später saßen sie alle um ein wärmendes Feuer inmitten der Kraterlandschaft zwischen den beiden Schützengräben und ließen sich diese Sachen schmecken. Es war für keinen der Männer viel, dennoch beklagte sich niemand, da die meisten an solche Entbehrungen schon gewöhnt waren. Alle merkten nun, wie ähnlich sie und ihre Schicksale einander waren, dass es zwischen ihnen und ihren Ländern mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gab. Neben Athos saß ein Mann namens Eugen Schwickerath, der aus Frankfurt kam, wo er eine eigene Schneiderei besaß. Nachdem er und Athos gemeinsam mit Wein angestoßen und getrunken hatten, zeigte der Mann ihm stolz lächelnd ein Bild von seiner Frau und seinen Töchtern. “Ich kann es kaum erwarten die drei wiederzusehen. Nächsten Monat wird meine Erna sechs Jahre alt und ich hoffe, dass ich dann Heimaturlaub erhalte. Sind Sie eigentlich verheiratet, Monsieur Athos?”
“Nein, ich lebe alleine”; erwiderte Athos, während er an seinem Wein nippte, “ich bin der Meinung dass Frauen sowieso nur Unglück bringen, besonders die Blonden. Nein, das ist nichts für mich.”
“Warten Sie nur ab, bis Ihnen die Richtige begegnet”, meinte Eugen versonnen lächelnd, “dann werden Sie die Sache mit Sicherheit ganz anders sehen.”
Porthos plauderte mit einem Deutschen der in München als Koch arbeitete, während Aramis sich mit einem Jungen aus Münster unterhielt, der genau wie er eine große Leidenschaft für die Dichtkunst hegte. Ein paar Männer beider Nationen hatten sich zu einem Würfelspiel zusammengesetzt und wieder andere unterhielten sich voller Stolz über ihre Familien. Da ein Teil der Deutschen ein Gymnasium besucht und dort Französisch gelernt hatte, konnten die Soldaten sich ohne Probleme miteinander verständigen. Treville und die deutschen Offiziere duldeten diese kleine Feier, gesellten sich jedoch nicht dazu sondern blieben in ihren jeweiligen Schützengräben.

“Ist das nicht absurd, dass wir morgen schon wieder gegeneinander kämpfen sollen?”; sagte Eugen Schwickerath nach einer Weile zu Athos, “nach diesem Abend wird mir der Krieg noch sinnloser erscheinen als zuvor.”
Vor zwei Jahren hätte niemand, weder Deutscher noch Franzose etwas derartiges geäußert, und eine friedliche Zusammenkunft beider Nationen wäre nicht möglich gewesen, da sie damals noch alle von Kampfeswillen erfüllt gewesen waren und beseelt vom Hass auf die Gegner. Aber nach fast zweieinhalb harten, entbehrungsreichen von Leid und Tod erfüllten Jahren waren beide Seiten kriegesmüde und sahen die Dinge aus einem etwas anderen Blickwinkel.
“Ja, mir wird das Töten jetzt auch noch schwerer fallen”, stimmte Athos traurig zu, “ich wünschte es gäbe endlich Frieden.”
Doch leider konnten die Soldaten gegen diesen Wahnsinn nichts tun, denn wer sich weigerte zu kämpfen oder desertierte der wurde erschossen.
“Ich werde mich immer an diesen Abend erinnern”, meinte Schwickerath sichtlich nachdenklich, “noch vor zwei Jahren hielt ich euch Franzosen für brutale grobe Monster, doch jetzt sehe ich die Dinge anders. Genau wie wir wollt ihr einfach nur in Frieden mit euren Familien leben.”
“Frieden wünschen wir uns doch alle”, antwortete Athos, der genau wusste, dass er diesen Frieden nach Annes Tod niemals finden würde. Trotzdem wünschte er sich für all diese Männer beider Nationen, dass sie bald zu ihren Familien zurückkehren konnten.
Währenddessen schrieben Aramis und der junge Deutsche namens Martin Berger zusammen ein Gedicht in französischer Sprache und Porthos und der Koch entwickelten ein gemeinsames Rezept für eine delikate Pastete.
Nur der Gascogner sprach mit niemandem, doch er wirkte nicht mehr ganz so grimmig wie zuvor sondern eher nachdenklich. Nach all den Schauergeschichten die seine Lehrer in Tarbes ihm über die Deutschen erzählt haben, war es für ihn seltsam, sie jetzt dermaßen menschlich zu erleben.
Bier und Wein machten bei Deutschen und Franzosen die Runde, und nachdem alle ihre Rationen aufgegessen hatten, sagen sie noch einmal zusammen “Stille Nacht-Heilige Nacht”, sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch. Die Männer teilten die Pakte mit Süßigkeiten die sie von ihren Familien bekommen hatten, untereinander auf, und so kam es, dass manch ein Deutscher zum ersten Mal in seinem Leben Macarons aß, und manch ein Franzose seine erste Nussecke.
Nach zwei Stunden brannte das Feuer allmählich herunter und die Männer begannen trotz ihrer dicken Mäntel zu frieren. Deutsche und Franzosen umarmten einander oder schüttelten die Hände, bevor sie zu ihren jeweiligen Schützengräben zurückkehrten, sogar der Gascogner schüttelte zaghaft einem jungen Deutschen zum Abschied die Hand.

Als sie wieder im Stollen des Schützengrabens waren und sich hinlegten um noch ein paar Stunden Schlaf zu finden, wandte sich der Gascogner an seinen väterlichen Freund.
“Du hattest Recht, Athos, ich habe heute wirklich eine wertvolle Lektion erhalten. Ich war ganz überrascht wie freundlich diese Deutschen waren, ich hatte sie mir eher wie Raubtiere vorgestellt, gefährlich und durch und durch böse. Ich will nicht mehr gegen sie kämpfen und es macht mich traurig, dass ich das ab morgen wieder tun muss. Wir feiern zusammen Weihnachten, nur um dann am nächsten Tag einander wieder erschießen zu müssen, das ist doch absurd.”
“Ja, da hast du Recht, das ist wirklich absurd. Ich wünschte auch, wir müssten es nicht tun. Aber ich glaube daran, dass der Krieg nächstes Weihnachten zu Ende sein wird. Es sind jetzt fast zweieinhalb Jahre, da müsste es jeden Tag vorbei sein.”
“Ich hoffe auch, dass es bald vorbei ist”; sagte Porthos, “Paul Michels hat mich nämlich nach München eingeladen sobald der Krieg vorbei ist, dann will er mir ein vorzügliches Menü kochen. Nach der ganzen faden Konservenkost der letzten Jahre wird das eine wahre Wohltat sein.”
“Und ich werde nach dem Krieg wieder in den Jesuitenorden eintreten”, meinte Aramis, “nachdem ich fast zwei Jahre an der Front war, kann ich gar nicht mehr verstehen, warum ich mich über das Leben im Orden immer so beklagt habe. Alles ist besser als hier im Schützengraben zu liegen.”
“Ich bin froh, dass du jetzt weißt, dass sie Menschen sind wie wir auch, d´Artagnan, “nach dem heutigen Abend will ich mir den Glauben daran bewahren, dass Deutsche und Franzosen eines Tages einander die Hände reichen und in Frieden leben werden.”
“Diese Erbfeindschaft wird mit Sicherheit irgendwann ein Ende haben”; meinte Aramis und blickte nachdenklich seine Freunde an, “aber bis dahin muss wohl leider noch viel Wasser die Seine hinunterfließen.”
Der Gascogner blickte zaghaft zu den drei Unzertrennlichen.
“Ich bin euch dreien so dankbar, dass ihr euch um mich gekümmert habt, als ich verrückt zu werden glaubte, ich hoffe, ich kann mich dafür irgendwann bei euch revangieren. Einer für alle und alle für einen, das soll ab heute unser Motto sein, was meint ihr?”
“Einer für alle, alle für einen, ein wirklich guter Wahlspruch”; meinte Athos lächelnd, “unsere Freundschaft ist in diesem Krieg das Einzige das uns Halt bieten kann, uns Kraft gibt wenn wir verzweifelt sind, und deswegen ist dieser Spruch wohl ganz zutreffend.”
Porthos und Aramis nickten. “Ja, einer für alle, alle für einen, das klingt sehr ermutigend, zeigt, dass wir einander haben und nicht alleine sind.”
Und von dieser Nacht an waren es nicht mehr drei Unzertrennliche sondern vier Unzertrennliche, die stets füreinander einstanden und in ihrer Freundschaft ein Bollwerk gegen die Schrecken des Krieges sahen. Und keiner der vier vergaß jemals die Nacht jenes Weihnachtsfriedens, noch Jahre später erinnerten sie sich oft daran und fragen sich, was wohl aus jenen deutschen Soldaten, mit denen sie damals gefeiert hatten geworden war.

Keine schlechte Idee. Mal sehen, was daraus wird. Ein paar „Hobbyfabulierer“ auf die eine oder andere Art gibt es ja hier auch schon. Mir fallen gerade Jollylolly und Avonlea ein. :wink:

@Woolito

Das freut mich ja, dass es hier ein paar Hobbyautoren gibt, ich tausche mich immer gerne mit anderen über das Schreiben aus :smiley:
Vielleicht stellen die beiden ja dann auch mal ein paar Texte von sich hier rein, das würde mich echt freuen.

Danke Lady Athos für den neuen Faden und die sofortige Eröffnung mit Deiner interessanten Kurzgeschichte.

Durchaus bringe ich auch gerne mal ein paar Zeilen auf’s Papier, allerdings brauche ich dafür immer enorme Muße. Bislang habe ich mich meistens auf Reiseberichte beschränkt, denn das ist meist die Zeit die mir genug Freiraum zum Schreiben gibt. Aber vielleicht gelingt mir ja mal « nebenbei » auch etwas anderes, Ideen hätte ich da ja schon.

@Jollyjolly

Schön, dass hier außer mir auch noch andere Hobbyauoren sind, ist ja immer interessant sich mit anderne über das Schreiben auszutauschen :smiley:
Reiseberichte lese ich auch sehr gerne, vor allem wenn es welche über Frankreich sind :smiley: Ich hab auch schonmal einen geschrieben, über Prag und einen über Rom. Wenn du willst, kannst du auch gerne Reiseberichte hier reinstellen, das sind zwar keine Geschichten, aber auch sehr interessant zu lesen.

Ich schreibe nicht mehr, mir fehlen Ideen und Energie. Ich habe in der Schublade noch einen Roman aus 2011, zu dem ich nur noch die Korrekturen abtippen müsste, aber selbst das schaffe ich nicht. Dabei bin ich seltsamerweise zufrieden mit dem Werk und glaube, dass es ganz gut in unsere Zeit passt, es geht um den Mikrokosmos des Dorflebens, Rechtsextremismus, Einsamkeit, Das Ende von Freundschafen. So traurig wie es klingt ist es aber tatsächlich nicht.
Ich tröste mich damit, dass ich meine Hobbyautorenkarriere auf dem Höhepunkt beendet habe. :slight_smile:

Meine Kurzgeschichten habe ich nie irgendwo veröffentlicht, weil ich damit immer an Wettbewerben teilgenommen habe und da dürfen sie nicht vorher irgendwo stehen. Aber es gibt immer weniger Wettbewerbe und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich nochmal irgendwo mitmachen werde. Warum also nicht hier einstellen? Ich suche demnächst mal eine schöne aus und schenke sie euch gerne.

@Lady Athos: Leider kannte ich die historische Geschichte hinter deiner Kurzgeschichte schon, sodass der überraschende Moment, den eine Kurzgeschichte ausmacht, leider wegfiel. Hast du überlegt, mal mehr den Blick auf den Stil als auf den Inhalt zu legen? Auch davon leben Kurzgeschichten. Es gibt so schöne Stilelemente, mit denen man akzentuieren kann und den Leser Dinge sehen lässt, die er in der Realität zwar kennt oder sich vorstellen kann, in der Betrachtungsweise aber jenseits seiner Vorstellungskraft lagen.

Ein sehr guter Einfall eigentlich. Auch wenn ich ganz und gar nicht die Denkweise und das Talent von Adelbert von Chamisso besitze :wink: :wink: , um mein Gefühl und Begeisterung dafür auf Deutsch auszudrücken.
Da mein Mann i seit kurzem ein Hobbyautor geworden ist , schreibe ich gerne. Rezensionen seiner Romane und kurzer Geschichten.

@Avonlea

Die Themen, mit denen dein Werk sich beschäftigt, klingen sehr interessant, so ein Roman, der sich mit aktuellen Problemen beschäftigt würde bestimmt viele Leser finden. Vielleicht solltest du den Roman ja mal an die Verlage schicken, falls du es irgendwann doch noch schaffst, ihn zu korrigieren.
ich kann dich aber verstehen, dass du vielleicht im Moment keine Zeit mehr dafür findest, ich habe auch festgestellt, dass es sehr viel Zeit kostet einen Roman zu schreiben, als Leserin von Romanen habe ich die ganze Arbeit, die dahintersteckt gar nicht so wahrgenommen, so viel Spaß es auch macht, man muss viele Stunden investieren, was nicht immer leicht ist.
Es freut mich, dass du hier eine deiner Geschichten demnächst reinstellen willst, ich werde sie dann auch gleich lesen und dir was dazu schreiben.
Kurzgeschichten fallen mir persönlich immer noch leichter als Romane, ich habe mehrere Ordner voller Kurzgeschichten die ich in den letzten Jahren geschrieben habe. Da ist alles dabei von Historie, Fantasy, Horror, Thriller.
Und danke für deinen Tipp mit den Stilelementen, ich werde mal sehen, ob ich diesbezüglich noch ein wenig an der Geschichte herumfeilen kann. Meintest du damit, dass ich noch mehr auf die Gedanken der einzelnen Protagonisten eingehen soll, oder dass ich die Beschreibungen noch ausführlicher machen soll?

@Valdok

Es freut mich, dass dir der Einfall gefällt, der kam ganz spontan und ich hatte die Geschichte dann innerhalb von zwei Abenden geschrieben. So ist das bei mir immer, wenn eine Idee kommt, habe ich nicht eher Ruhe, bis ich sie komplett niedergeschrieben habe.
Das finde ich ja schön, dass dein Mann das Schreiben auch für sich entdeckt hat, das ist ja auch wirklich ein sehr schönes Hobby, das wirklich viel Freude macht. Und dann habt ihr ja ein gemeinsames Hobby, wenn du dann für ihn Rezensionen zu seinen Romanen schreibst.

@Hallo LadyAthos
Danke für Deine Antwort. ich soll gestehen, ich bin jetzt an das Hören eines Buches gewohnt, wenn es um deutsche Romane geht. Oft genieße ich auch die geschriebene Version gleichzeitig.Was die deutsche Sprache angeht, vertreten das Hören und das Lesen ein wirkliches Vergnügen. Soll ich zwischen die Beiden wählen, so werde ich das Hören bevorzugen. Jedoch habe ich deine kurze Geschichte mit viele Vergnügen gelesen.
Was die Urheberrechts angeht, frage ich mich, ob Du nicht fürchtest, dass jemand Deine Geschichte plagiieren würde, um sich Gewinn zu bringen.

Deine Geschichte erinnere mich an den Figuren Erich Maria Remarques.

Zwar sind Deine Figuren keinesfalls Oberschüler, die von ihren Lehrer indoktriniert werden, aber diese Erzählung ist die Empfindung der Atmosphäre der Schutzgrab auch sehr drückend.

Ich habe eigentlich gehört, dass solche Erlebnisse der deutsch-französischen Freundschaft in Schutzgraben nicht so seltsam waren.

Während des Zweiten Weltkriegs hatte ein junger deutschen Soldat an die Tür meiner mütterlichen Urgroßmutter geklopft. Mein Urgroßmutter Mädchenname war Hohl, so hieß dieser Jungen

Die Fortsetzung dieser Anspielung auf Alexandre Dumas’ Roman könntest du die schreiben. Wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs hatte deine Geschichte implizit eine „Zwanzig Jahre Später“.

Ich soll gestehen, am Anfang habe ich als Französin es schwer gefunden, die Hauptfiguren der dritten Musketieren in einer deutschsprachigen Geschichte mir zu vorstellen. Allerdings habe ich allmählich das Verhältnis zwischen die Sprache und die Hauptfiguren vergessen, indem ich die Lesung fortgesetzt habe. Die Hauptsache eigentlich die Brüderlichkeit zwischen feindlichen Soldaten, die gleichen Leiden und Verurteilung der Absurdität des Krieges. Jetzt im Gegenteil finde ich es sehr interessant und rührend. Dann kann ich es mir nicht erklären, in meinem Kopf sprachen die Musketieren ein Deutsch mit einem Akzent aus Südwest Frankreichs.

Und deinen Satz

habe ich natürlich auf die folgende Weise interpretiert.
Da ein Teil der Franzosen ein Gymnasium besucht und Deutsch gelernt hatte :wink:
Übrigens habe ich es geschaffen, mir Deine Geschichte auf meine eigene Art vorzustellen. Ich finde sie um so rührend als die Hauptfiguren sind für mich Franzosen, die sich auf Deutsch ausdrücken und zeigen den Weg zur Annäherung der Völker.
Vielen Dank Mylady :wink:

Danke, dass du das Thema interessant findest. Ich hatte die Idee ein paar Jahre lang mit mir herumgetragen, aber die Umsetzung war dann doch anders als gedacht. Ich habe sechs Wochen gebraucht, es war ein netter Zeitvertreib nach meinem Studium, aber auch ziemlich viel Arbeit.
Leider habe ich nur Menschen um mich herum, die nicht gerne lesen und auch nicht, wenn ich es geschrieben habe. Nichts ist demotivierender. Als ich freudestrahlend mit meinem Roman ankam, war die Antwort eher ein „Uff. Muss ich das jetzt alles lesen?“.

Ich werde ihn allerdings niemals an einen Verlag schicken und kann das auch keinem, der es ernst meint mit der Literatur, empfehlen. Ich habe durch mein Studium einen ganz guten Einblick in den Literaturbetrieb bekommen und als Ergebnis festgehalten, dass ein ungewünscht eingesandtes Buch keine Chance hat, auch nur gelesen zu werden. Es läuft alles über Agenturen und man kann es den Verlagen nicht verdenken. Es sichert Qualität und Erfolg. Also wenn, dann gleich eine Agentur einschalten. Wenn sie das Manuskript nehmen und den Verlagen anbieten, ist das ein Erfolg.

Auf keinen Fall. Eine Kurzgeschichte legt den Schwerpunkt nicht auf die Gedanken mehrerer Personen, sondern auf das große Ganze. Ich würde fast sagen, du hast ein bisschen zu viel Innenperspektive. Bei einer Kurzgeschichte lenkt und gestaltet der Autor das Geschehen, nicht die Protagonisten.

@Valdok

Das ist wirklich eine gute Idee, Hörbuch und geschriebenes Buch gleichzeitig zu genießen. Vielleicht sollte ich das auch mal bei französischsprachigen Büchern versuchen. Bisher schrecke ich vor längeren Büchern noch zurück und lese nur Kurzgeschichten in Französischer Sprache. Die Musketiertrilogie will ich irgendwann auch einmal im Original lesen, denn der letzte Band, der Vicomte de Bragelonne ist in Deutschland nur in der um zwei Drittel gekürzten Ausgabe zu haben, die 5550 anstatt 1.500 Seiten hat.
Und wenn man dazu auch Hörbücher genießt, lernt man sicherlich die Aussprache auch besser. Dein Deutsch ist übrigens wirklich sehr gut, chapeau, hast du das schon in der Schule gelernt?
Was Urheberrecht angeht, da würde ich mir keine Sorgen machen, diese Kurzgeschichte hier habe ich in mehreren Foren veröffentlicht und könnte deswegen beweisen, das sie von mir stammt, falls jemand sie mir klaut.
Ich habe viele Geschichten von mir ins Internet gestellt, und auf einer Seite sogar mal einen ganzen Roman, da bin ich eher unbesorgt, weil ich denke, dass das Datum der Veröffentlichung als Beweis reichen würde, dass die Geschichen von mir sind.
Remarques Buch habe ich nicht gelesen, nur die Verfilmung gelesen, und ich muss zugeben, dass diese mich tief erschüttert hatte, als ich den Film vor ein paar Jahren gesehen habe.
Das mit der Urgroßmutter und dem Soldaten mit dem gleichen Namen gefällt mir, daraus ließe sich wirklich eine gute Fortsetzung machen, so weit habe ich gar nicht gedacht, dass man infolge der darauffolgenden Ereignisse ein « Zwanzig Jahre später » machen könnte.
Es freut mich, dass du das interessant und rührend fandest. Ich habe die Musketiere noch nie in französischer Sprache gelesen, da meine Sprachkenntnisse noch nicht so weit sind, deswegen weiß ich nicht, wie sie im französischen Original sprechen, ich finde es aber interessant, dass sie in deiner Vorstellung ein Deutsch mit französischem Akzent sprachen. Ich freue mich schon, wenn ich die Romane irgendwann in französischer Sprache lesen kann.
Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat und ich finde es interessant, dass du sie beim Lesen als Franzosen, die sich auf Deutsch ausgedrückt, gesehen hast.
Danke dass du die Geschichte gelesen und mir deine Meinung dazu geschrieben hast. :smiley:

@Avonlea

Ja, ich weiß was du meinst, einen Roman schreiben bedeutet wirklich viel Arbeit, ich habe das auch gemerkt, wenn man einen Roman liest, ahnt man ja nicht, wie viele Stunden intensiver ARbeit des Autors dahinterstecken, das merkt man erst, wenn man selbst anfängt zu schreiben.
Mir gehts genau wie dir, in meinem Umfeld sind fast nur Lesemuffel, da brauche ich auch nicht mit Romanen oder Kurzgeschichten anzukommen, da hat keiner die Zeit (und Lust) mal etwas von mir zu lesen. Deswegen habe ich einen meiner Romane und mehrere Kurzgeschichten in verschiedenen Internetforen veröffentlicht, weil ich einfach mal wissen wollte wie die Geschichten und der Roman ankommen.
Hast du denn schon einmal darüber nachgedacht, deinen Roman online zu stellen? Also ich würde ihn lesen, und ich bin sicher, du würdest noch viele andere Leser finden.
Was die Verlage betrifft, da habe ich auch so meine Erfahrungen gemacht…nur Absagen. Und was die Literaturagenturen angeht, da war mal eine, die « Deutsche Literaturgesellschaft », die meinen Roman an den Verlag zu bringen versuchte und mir sogar einen Platz auf der Frankfurter Buchmesse versprach…allerdings nur, wenn ich 10.000 Euro an diese Agentur bezahlte, hab ich natürlich nicht gemacht, da beginnen bei mir alle Alarmglocken zu läuten. Ich werde, wenn mein Roman fertig ist, versuchen, diesen als E-book im Internet zu vermarkten, denn den Agenturen kann ich auch nicht recht trauen, da sind viele, die tausende von Euros verlangen, damit sie die Werke ihrer Autoren vermarkten.
Bis heute, vier Jahre später, bekomme ich immer noch regelmässig Werbeflyer von dieser Agentur, die mich mit kostenpflichtigen Angeboten zu ködern versucht. Ich habe auch den Eindruck, dass die Verlage die willkürlich eingesendeten Romanauszüge gar nicht liest, sondern dass da alles nur über Vitamin B läuft.
Danke für deinen Tipp, dann werde ich die Innenperspektive in der Geschichte wirklich noch etwas reduzieren, beim Schreiben ist mir das gar nicht zu bewusst gewesen, dass ich davon zu viel verwendet haben könnte.

Dieser Verlag ist mir bekannt. Ich halte nichts von Bezahlverlagen dieser Art. Entweder findet sich ein Markt für ein Buch und es wird von einem vernünftigen Verlag für gut befunden, oder man lebt damit, dass es eben nicht klappt. Niemand kann die Vermarktung selber übernehmen und Erfolg damit haben, wie es das Konzept solcher Verlage ist. Das sind Traumverkäufer, sie nutzen die Leidenschaft der Hobbyautoren aus.

Im Internet möchte ich nichts veröffentlichen und ich lese auch grundsätzlich keine Werke anderer, die online veröffentlicht werden. Für mich gehört das Haptische eines Buches oder von Papier zum Lesen und ich denke außerdem weiterhin, dass Lektoren auch eine Instanz sind und schon ein gutes Händchen für Qualität haben. Ich möchte die Auswahl nicht selber übernehmen, was aber der Fall ist beim Lesen aus dem Internet oder Veröffentlichungen aus dem Eigenverlag. Zeit ist kostbar, da vertraue ich auf die Kompetenzen von Verlagen, die ich mag.

Ich habe jetzt eine Kurzgeschichte ausgewählt, die ich vor fast zehn Jahren geschrieben habe. Ich war 17, glaube ich. Jetzt, wo ich sie wieder lese, erkenne ich natürlich einige Schwächen, aber ich würde sie jetzt nicht mehr verändern wollen. Also, hier ist sie. Meine einzige Internetveröffentlichung:

Schlaf / Trunken

Langsam spürte er, wie der Sauerstoff durch die Lunge floss, ein und aus, kühl und frisch. Ohne die Augen öffnen zu müssen, wusste er um das Licht der Neonröhren über ihm und er fühlte sich bloß ohne die schützende Dunkelheit in seinem Kopf.
Und dann wurde alles weit und offen und leer.
Er konnte sich nicht bewegen, nur ein Kribbeln im kleinen Finger verband seinen Körper mit den Erinnerungen.

Wie das war, mit Steinen auf blaue Bauernbusse zu werfen. Und immer wieder große Trecker mit panzerartigem Donnern, die sich nichts aus kinderäugigem Staunen machten.
Alles, alles war heller in der Erinnerung, als es in Wirklichkeit gewesen war.
Die dunklen Wolken vor dem Regen, der die sandigen Fußstapfen der Treckerreifen fort wusch. Dann stand die Straße schwarz und gebückt unter den Pfützen, mit einem Zischen für jedes Auto, das ihr folgte.
Er dachte an die Wut der Jugend , aber es war nicht die Zeit um zu bereuen. Zu gut hatte es sich angefühlt, abends so mutig zwischen den Blütenrändern der Straße zu gehen, zwischen den Apfelbäumen und dahinter dem weiten Feld, mit einer Flasche in der Hand auf dem Gartentor zu sitzen oder Langeweile kriminell werden zu lassen.

Immer wieder kühle Luft, die ihn erschöpfte. Alles wurde müde,

wie der Abend auf den drei Betonstufen vor dem Haus gegenüber der schon schwachen Sonne. An Sätze erinnerte er sich kürzer als sie gewesen waren, und auch die orange Scheibe stand nicht mehr lange über der Straße, wieder die Straße. Das Mädchen erzählte stundenlang und er wusste nichts zu sagen und zu tun außer die Kronenkorken nervös hin- und her zu drehen, sie am warmen Asphalt zu kratzen.

Dann wurde es wieder wach und alles wurde zu einem Stromstoß Energie in das Fleisch, in die Haut. Ein Kribbeln im kleinen Finger.
Sie kam im grünen Kittel leise zur Tür herein mit einem dünnlippigen Lächeln und dem Ausdruck zwischen den Brauen, der Tränen in den Augen ankündigt. Sie setzte sich ans Bett und wagte nicht zu atmen. Alles still, nur das gleichmäßige Schnappen der Geräte.

Er fuhr die Straße ins Dorf, an der sich halbhohe Strommasten aus Holz im Viervierteltakt entlang hangelten. Jede Rille in der grauen Masse ließ die grünen Flaschen im Kofferraum klappern. Junge tote Vögel kündigten den Frühling an und das Fest war am ersten warmen Tag des Jahres. Eine gute Zeit.
Dann stand alles verlassen und leer. Seine Leute zogen fort wie der Rest der Vögel. Dem Tod noch nicht altersgerecht verließen beide Eltern das Haus in schwarzen Särgen, in schwarzen Autos die Straße entlang, die wie ewig kommt und geht, von links, rechts, ein steter Fluss, Erinnerungen, Erfahrungen, Einsamkeit.

Jetzt war es Zeit.

Nicht mit Mühe, aber mit Mut öffnete er vorsichtig die Augen und sah das Licht über ihm, über dem Gerät auf der Nase. Da waren Schmerzen im Körper, nicht nur ein Ziehen im kleinen Finger. Und der Rest taub. Der Rest taub. Taub.

Verschwommen bog er in die lange Straße zum Hof ein, die sich wie eine Ader durch das Land wand, die letzte Dose des Abends tropfte liegend auf dem Beifahrersitz. Ein bisschen frische Abendluft durch das Fenster herein, das wird gut sein.
Der Apfelgarten war schon da als er kam. Kraftlos fielen ihm die Augen zu und das Holz, ja das Holz wurde zum Prüfstein seines Lebens.

Sie war da, er sah ihr schwarzes Haar. Gut, dass das Mädchen noch da ist. Sie sind immer alle Wege zusammen gegangen.

Die Straße stand verlassen, eine dünne Linie am Rand des Feldes. Der Hof blühte längst nicht mehr wie die Jugend, doch alles, alles was immer gewesen war, stand im Asphalt geschrieben.
Er würde nur noch langsame Wege gehen, gebückt und dunkel schleichend zwischen Apfelbäumen hindurch, zwischen Blütenrändern und kühlem Dampfen in den Knochen nach dem Regen.
Zur Bestätigung atmete er flach und die frische Luft wurde dünn und schmal.

NR, 2006

@Avonlea

Ich war übers Wochenende weg, deswegen komme ich erst jetzt zum Lesen.
Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen, ich konnte mich richtig in den Protagonisten hineinversetzen.
Gleich am Anfang wird man neugierig, fragt sich wo er wohl ist…vermutet, dass es ein Krankenhaus ist und ist neugierig darauf, zu erfahren, wieso er dort ist, wieso er sich nicht bewegen kann…fragt sich, ob es ein Autounfall gewesen sein könnte.
Dann die Erinnerung an die Kindheit, die man als Erwachsener wohl immer verklärt, auch das hast du wirklich gut beschrieben, man fühlt beim Lesen mit.
Dann eine Jugend in der Langeweile ihn kriminell werden ließ, da beginnt man sich als Leser zu fragen, ob er deswegen im Krankenhaus liegt, was die Neugieder und die Lust zum Weiterlesen noch verstärkt. Dann dieses Mädchen an das er sich erinnert…eine Jugendliebe? Sie besucht ihn also im Krankenhaus?
Und der Schluss lässt dem Leser Raum für Spekulationen…ist der Protagonist am Ende gestorben und hat vorher noch einmal seine Rückkehr in das Dorf seiner Kindheit durchlebt, das Wiedersehen mit dem Mädchen? Oder ist etwas Zeit vergangen und er wurde aus dem Krankenhaus entlassen, körperlich geschwächt, aber bereit, noch einmal in dem Dorf neu anzufangen?
Ich mag ja solche Geschichten, bei denen ich als Leserin selbst Spekualtionen anstellen kann, das finde ich sehr interessant. Ich habe es ja so interpretiert, dass er am Ende stirbt…aber vielleicht hast du das ja ganz anders gemeint.
Auf jeden Fall hat die Geschichte mir wirklich gut gefallen, weil man sich gut hineinversetzen kann in den Protagonisten und Raum für eigene Spekulatione hat.

Danke für deine positive Kritik!
Die Idee war, dass er durch den Autounfall unter Alkoholeinfluss gelähmt ist. Ziemlich simpel, daher musste ich es gut verpacken. Ich hätte den Moment der Erkenntnis noch besser darstellen können. Es geht um diese Zeilen hier, die eigentlich alles erklären sollten: