Ich habe jetzt alle Bände mit den Kurzgeschichten von Guy de Maupassant gelesen und bin begeistert davon.
Am besten fand ich die Geschichte « Schmalzkügelchen », die die Doppelmoral des 19. Jahrhunderts deutlich zur Geltung bringt.
Wie findet ihr die Kurzgeschichten von Maupassant? Ich finde es erstaunlich, wie gut er sich in die Charaktere einfühlen konnte, wie authentisch die alle wirken.
Und gibt es vielleicht noch andere französische Autoren, die Kurzgeschichtenbände in einem ähnlichen Stil herausgebracht haben?
Ich liebe diesen Schriftsteller und seinen eleganten Stil , besonders , wenn er die Bauernschaft in der Normandie im XIXten Jahrhundert mit großem Talent und Humor schildert.
Ich auch habe viel « Schmalzkügelchen » (Boule de Suif) gemocht, als ich ein junges Mädchen war. Das ist eine gute Darstellung der egoistischen Scheinheiligkeit der Konformisten. Diese Kurzgeschichte hat mich um so mehr beeindruckt , als ich als Gymnasiastin mich für das Lernen der deutschen Sprache und Kultur sehr begeistert war. Ich wollte die Ursache der Konflikten zwischen Preußen und Frankreich verstehen. Ich erinnere mich auch an einen sehr alten Film dessen Titel « Sans Trambour ni Trompettes » lautet, der auch eine ironische Darstellung dieses Krieges zeigt.
Ich denke, Boule de Suif illustriert das Frankreich dieser Epoche mit der richtigen bissigen Ironie . Die Spontanität und Großzügigkeit der jungen Prostituierten gegenüber das sogenannte Pflichtbewusstsein der kleinbürgerlichen Mentalität zeigt auch mittelbar die Absurdität des Krieges. Ich erinnere mich an eine andere Figur der Prostituierten von Guy de Maupassant. Es geht um eine junge Frau, die die Ehrenmedaille beantragte, weil sie als Überträger der Geschlechtskrankheiten gekämpft hatte.
Guy de Maupassant ist mit Abstand mein Lieblingsschriftsteller - nicht nur, weil die « Bühne » seiner Erzählungen meine Heimatregion ist.
Meiner Meinung nach sind seine Beschreibungen zeitlos und universell: fast ausschliesslich ALLE seine Romanfiguren, seien es die Hauptcharakter oder die « Nebenrollen », haben Macken, Schwächen und machen Fehler. Das ist weit vom Schwarz-Weiss-Bild entfernt, worauf man oft trifft. Er schildert die Gesellschaft, wie sie ist: nicht schön, nicht frei von Fehlern… was etwas pessimistisch klingen kann, aber auch etwas realistisch.
Boule de Suif ist seit meiner Gymnasium-Zeit mein Lieblingsbuch, gerade aus dem oben genannten Grund: KEINER ist bloss nur gut. Alle profitieren, aus Egoismus, von Boule de Suifs « Opfer »-Tat, auch der Kommunist, der ihr sympathisch ist, ihr aber nur mit blossem Pfeiffen hilft.
Besonders gefällt mir es, dass er sich für die « Aussenseiter » einsetzt: zB in der Novelle « Le lit 29 » ist die Heldin eine… Hure, doch wird sie verpönt.
So einen Maupassant bräuchten wir in unserer aktuellen Gesellschaft. Ich bin mir sicher, seine Bücher wären kaum anders.