Heute Morgen habe ich Das Lied der Welt (Le chant du monde) fertiggelesen. War toll! Die Geschichte ist einfach, es geht um Antonio und einen alten Mann, der nur « der Matrose » genannt wird, die zusammen den Sohn des Alten suchen, der wiederrum nur « der Zwilling » oder « der Rothaarige » heißt. Antonio ist ein echter Naturbursche, er lebt beinahe wie ein Fisch im Fluss und lässt sich von den Jahreszeiten treiben. Die beiden machen sich auf in das Land Rebeillard, wo der Sohn ein Floß bauen sollte. Unterwegs kämpfen sie sich durch die Natur, treffen Bauern und eine blinde junge Frau, Klara, die mit Hilfe Antonios und des Matrosen ihr Kind im Wald zur Welt bringt.
Man findet den Zwilling schließlich in einem Dorf bei seinem Onkel, wo er sich versteckt vor dem großen Viehzüchterclan der Haute Provence, den Maudrus. Er hat nämlich eine Sprössin der Familie verführt und versteckt sich mit ihr, zudem räumte er seinen Nebenbuhler, auch aus jenem Clan, aus dem Weg.
Wie es ausgeht schreibe ich lieber nicht, vielleicht will den Roman noch einer von euch lesen
Die Geschichte ist aber nicht der Star nicht des Buches, und auch nicht die Personen, beide verwirren eher und treten hinter die Natur zurück. Le chant du monde ist ein Paradebeispiel des französischen roman de la terre, der die Natur verherrlicht und ihr durch Worte ein Leben einhaucht, das man nicht für möglich gehalten hätte, auch als Freund der Landschaft. Beispiel?
« Er fühlte das Leben des Flusses. Das war immer wieder ein Erlebnis für Antonio. Er hatte den ganzen Tag beobachtet, wie der Fluß im Sonnenschein über die Muscheln strömte - diese weißen Pferdchen, die im Wasser galoppierten, mit blinkenden Schaumspritzern an den Hufen - und weiter oben den grauen Wasserrückenm an Azsgang der Schluchten, der sich hoch aufbäumte im Zorn über die Enge des eben verlassenen Felesenkorridors - und wie dann der Fluß, den weiten Wald vor sich, den Rücken senkte und zwischen die Bäume trat. Jetzt ist er da, der Fluß, dicht um ihn, hält ihn fest, umklammert ihn von den Füßen bis zu den Knien. » (S.9)
Auch wenn Giono die Haute Provence beschreibt, so fiel es mir schwer, dieses Land wiederzuerkennen und ich habe mir schon ganz früh unwillkürlich ein eigenes Land gebastelt, so wie er es beschreibt. Das gefällt mir sehr gut, so dass es schade ist, dass es nicht der wirklichen Provence entspricht.
Wunderschönes Buch. Gionos Beobachtungs- und Beschreibungstalent kann man nur bewundern. Es hat sich auf alle Fälle gelohnt, dieses Buch zu lesen, es ist wirklich eine Bereicherung und verleiht einem selber andere Augen für seine Umwelt.
Das Buch habe ich übrigens aus der Grabbelkiste meines Lieblingsantiquariats in Hamburg, es ist von 1957 und hat vergilbte Seiten, die ekelhaft riechen. Aber es hat eben auch diese wunderbaren Notizen meines Vorgängers drin, der es mir erspart hat, selber die schönsten Stellen zu markieren, denn er hat sie wirklich alle auch entdeckt. Außerdem waren da überall Kalenderblätter von 1956 drin. Interessant, welche Sprüche da damals draufstanden.