Faites mieux! Vers la révolution citoyenne Jean-Luc Mélenchon

In diesem 2023 erschienenen Buch analysiert Jean-Luc Mélenchon , der Chef der Partei „La France Insoumise”, soziale und ökologische Probleme unserer Zeit in Verbin-dung mit historischen Bezügen zur Geschichte des Kapitalismus und unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen sozialen und politischen Entwicklung Frankreichs… Zugleich gibt er Handlungsanweisungen mit dem Ziel einer sozial und ökologisch ge-rechten egalitär geprägten Welt. Die sehr detaillierte Analyse ökologischer Probleme sowie der Versuch, soziale Fehlentwicklungen des Kapitalismus aufzuzeigen und zu erklären, sind sehr aufschlussreich. Dass der Autor die ökologischen und sozialen Probleme auch deutlich in Bezug setzt zur fatalen demographischen Entwicklung der Menschheit, ist sicherlich ein oft in der öffentlichen Diskussion vernachlässigter Denk-ansatz. Auch die akribische Untersuchung des in sozialer und ökologischer Hinsicht schädlichen Profitstrebens nicht nur in der Finanzwelt ist in großen Teilen nachvoll-ziehbar. Mélenchon setzt seine Hoffnung in eine weltweit wirkende neue Ära des „Volks” und eine permanente Revolution der politisch und sozial bewusst handelnden Bürger, die sich gegen die in ökologischer und sozialer Hinsicht schädlichen Oligarchen wen-den sollten. Dabei idealisiert er die aktuellen sozialen Bewegungen Frankreichs (Gelb-westen, Rentenreformproteste, Protestbewegung gegen die Polizei) als Anzeichen einer neuen Form der Übernahme politischer und sozialer Verantwortung, die sich im Zeitalter der digitalen Kommunikation in weltweitem Maßstab positiv auswirken sollte. Digital verbreitetes Wissen und eine mit politisch-sozialen Zielen und Handlungen verbundene digitale Kommunikation, die frei zugänglich und möglichst auch für sozial Schwache kostengünstig sein sollte, sind weitere Idealvorstellungen des Autors. Erfreulich ist, dass der Autor ein Literaturverzeichnis im Anhang bietet, sodass man ansatzweise nachvollziehen könnte, auf welche wissenschaftlichen Grundlagen sich Mélenchon bezieht. Leider sind die meist indirekten Zitate im laufenden Text nur vage und nicht mit konkreten Seitenangaben verbunden, sodass der Versuch der Überprüfung der Thesen des Autors doch einen erheblichen Aufwand erfordern würde. Die Analyse der aktuellen politischen Situation in Frankreich weist erhebliche Differenzierungs-schwächen auf; Gewaltexzesse und Formen der Intoleranz in den sozialen Protestbe-wegungen werden verschwiegen oder bagatellisiert, wobei stattdessen die „Polzeige-walt” herausgestellt wird. Dass Mélenchon Fehlentwicklungen in der vorherrschenden neoliberalen Entwicklung herausstellt, kann man zwar verstehen, aber auch hier fehlt die Differenzierung. Dasselbe gilt auch für seine Ablehnung der Europäischen Union und der NATO, auch wenn seine Idee einer neuen außenpolitischen Weltordnung, die nicht von klassischen Großmächten dominiert wäre, durchaus seinen Reiz hat. Der Autor ver-sucht, seine Thesen auch historisch zu begründen, zeigt aber immer wieder, dass er Geschichte nur plakativ kennt oder versteht. Die deutsche Wiedervereinigung schlicht-weg als Annexion der DDR durch die BRD zu bewerten, ist ein völlig unverantwortli-ches Werturteil, das übrigens auch im Gegensatz steht zu anderen Thesen des Autors. Der Spagat vom antiken römischen Plebejeraufstand gegen die Patrizier oder vom Spartacus-Aufstand zu den aktuellen sozialen Protestbewegungen ist historisch völlig unhaltbar.
Insgesamt bleibt der Eindruck, dass dieses Buch zwar lesenswert ist und wichtige Denkanregungen gibt, aber einen politisch interessierten und weiter denkenden Leser voraussetzt.