Der Klang der Städte

Autos, LKW, Motorräder - das sind die Akteure des öffentlichen Raumes, die den Klang unserer Städte heutzutage bestimmen. Doch was passiert wenn endlich, in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft mehr und mehr Elektroautos die Straßen beherrschen, die ja theoretisch lautlos fahren könnten? In der Wissenschaft, in Politik und Gesellschaft ist man sich einig, dass Wagen einen Klang brauchen um sich anzukündigen und somit Gefahr für Passanten zu mindern. Aber welchen Klang sollen diese Autos haben? Unter anderem damit beschäftigen sich in diesen Tagen Forscher und Künstler in Frankreich. In Paris und 50 weiteren Städten findet das achte Mal die « Semaine du Son », die Klangwoche, statt. Es geht darum, den Klang unserer Umwelt zu verstehen und darüber zu diskutieren, neben den gesundheitlichen Themen rund ums Hören finden auch Veranstaltungen zu Musik und Technik statt.

Im Rahmen der Klangwoche stellen nun also auch internationale Automobilhersteller ihre Entwürfe zum Klang des Autos der Zukunft vor, die sich noch irgendwo zwischen Raumschiff und Playstation befinden… Immerhin sind sich die Sounddesigner einig, dass nicht jeder seinen eigenen Klang erfinden kann und zum Beispiel mit Heavy Metal durch Paris fahren soll und der andere vielleicht mit Schafsgeblöke. Ein Universum der Klingeltöne übertragen auf das E-Auto ist wohl kaum wünschenswert, würde diese Kakophonie lediglich die alte aus Motorengedröhne ersetzen, aber nicht besser machen.
Aber allein die Tatsache, dass wir den Klang unserer städtischen Umwelt beeinflussen können, ist noch nicht im Kopf der Menschen angelangt. Dabei wäre es eine Überlegung wert, denn Klänge könnten Städte lebenswerter machen. Wie soll die Stadt der Zukunft eurer Meinung nach klingen?

Und wie klingt Frankreich eigentlich? Es gibt definitiv nationale Unterschiede, aber hat mal jemand genau hingehört und Vergleiche gezogen?

In Deutschland erforsche ich zumindest hauptsächlich drei Klangwelten: Hamburg, meine Kleinstadt und mein Dorf. Das ist hochinteressant. In Hamburg gibt es sehr wenig Klänge, weil alles extrem laut ist. Unmengen an Autos, die an Ampeln, die alle paar Minuten rot oder grün werden, bremsen oder beschleunigen. Laster, die beim Bremsen dieses typische Schnaufgeräusch machen. Das schrille Quietschen der S-Bahnen beim Losfahren, das Piepen der sich schließenden Türen, die Durchsagen. Obwohl es so viele Menschen gibt, hört man sie kaum. Man sieht den Wind nicht, weil es wenig Bäume gibt. Dafür ist der Klang, wenn er zwischen die Häuserschluchten fährt, um so schärfer. Die einzigen Vögel sind die zahlreichen Tauben. Interessant ist auch, in einem hohen Gebäude oben aus dem 14. Stock aus dem Fenster hinauszuhorchen. Erst da hört man den gesammelten Krach als undefinierbare Masse. Für viele Leute ist das die Stille, aber weil ich den ländlichen Vergleich habe, weiß ich, dass es Krach ist.
Schiffe, Container, die pflügenden Barkassen, Möwen. Ruderer auf der Alster, deren Kommandos oder Musik bis zum Ufer schallt. Enten und Schwäne, eine große Trauerweide im Wind, Radfahrer und Jogger auf den Sandwegen. Das Rauschen der Walkie Talkies der Polizei vor der amerikanischen Botschaft. Das ist alles. Wirklich alles.
Wie wohl Marseille als mediterraner Gegenpol klingen mag?

In einem deutschen Dorf hört man, wenn die Leute ihre Haustüren aufschließen, und es sind schwere und selten alte Türen. Doppeltverglaste und gut isolierte Fenster klingen beim Öffnen anders als die französischen. Man hört die Monstertrecker, die sich nicht an die Höchstgeschwindigkeit halten und ich bilde mir ein, dass sie anders klingen als in Frankreich. Man hört den Wind in den Pappeln, Birken und Buchen, der viel stärker rauscht als in den hartblättrigen Pinien. Auch der Wind in den in Frankreich vorherrschenden Platanen ist anders. Das Hupkonzert der Autos ist größer. Unverständliches vom Sprecher und Geklatsche aus den antiken Arenen.

Hört man auch in den französischen Städten die Zikaden im Sommer, oder nur auf dem Land? Gibt es andere Vögel als Tauben und je nach Gegend Möwen? Musik? Gespräche? Hört man die Bars wirklich oder glaubt man nur, sie hören zu können? Klingen die Kolonnen von französischen Kleinwagen anders als die der deutschen Limousinen? Ich bin ganz Ohr.

Links:
Internetseite der Semaine du Son
Artikel zum Klang der Städte vom Goethe Insitut

:astonished: :astonished:
noch nie davon gehört,aber exellent!!!
:wink:

Die Idee ist gut.Einige Vorschläge könnten und haben schon Früchte getragen.Aber übertrieben gesagt:Eine Großstadt als Kleingartenanlage der Stille ist für mich völlig undenkbar.Ein gewisser Charme würde für mich dabei verloren gehen.Wie in Trance möchte ich auch nicht leben :wink:

…und eines Tages wird aus den französischen Elektroauspuffen dezente Klänge von MM die Menschheit betören… :wink:

Marseille ist französische Partnerstadt von Hamburg und beide sind Hafenstädte. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied. In Hamburg hat es, gibt es und wird es wohl immer ein Bewusstsein als Hafenstadt, als „Tor zur Welt“ (ge)geben. Das sitzt im Kopf eines jeden Hamburgers, das wird gepflegt, das wird gelebt, und das wird sogar erfolgreich vermarktet.
Nichts von alledem in Marseille. Der Hafen (ein dem normalen Bewohner von Marseille fast unbekannter Ort) ist trotz gewisser Kosmetik in Hinblick auf 2013 ein von der Stadt völlig getrennter Ort mit zwei Schwerpunkten: Container und Korsika/Algerien/Tunesien-Fähren. Der Hafenstadtteil Joliette (zerschnitten von zwei Ausfallautobahnen) ein ziemlich seelenloser, moderner Business-Distrikt, der spätestens um 20 Uhr in Tiefstschlaf verfällt, und einen „Seemann“ sieht man in Marseille genauso häufig wie in der Lüneburger Heide. Der berühmte Vieux Port, zu dem alle Besucher der Stadt strömen, ist eine Bootsanlegestelle, hat aber mit dem Hafen von Marseille nichts zu tun.
Also, wie soll Marseille klingen, wenn es keine Autos mehr gibt. Ganz einfach: im Zentrum eine Mischung aus Arabisch und französischem und touristischem Terrassengeplauder, und ansonsten zwischen 8 Uhr und 19:30 busy, busy, busy und danach relativ ruhig, am Wochenende an der Küsten-Corniche zwischen dem Pharo und Point Rouge recht lebhaft wegen der vielen Kneipen und Restaurants. Allerdings kann ich mir diese Strecke ohne Autos kaum vorstellen.