Mein Bretagne-Urlaub begann lange vor der eigentlichen Reise. Seit dem Frühling googelte ich täglich das Wetter in Concarneau, um meinen skeptischen Mitreisenden sagen zu können: Siehste, da scheint die Sonne und es ist wärmer als hier. Als im Juni eine Hitzewelle über Nordfrankreich rollte und im Juli noch eine, war ich selig, sah mich unter Palmen sitzen und feierte mich als Entdeckerin einer geheimen Südsee im Norden. Muss ja nicht immer die Provence sein, war das Motto dieses Urlaubs und das blieb es auch bis zum Schluss, auch wenn das mit der Hitze dann doch nichts wurde.
Muss ja nicht immer die Provence sein, redete ich mir auch ein, als ich gegen Ende der Woche an der sonnigen Südküste des Zipfels bei strömendem Regen, gleichzeitigem Nebel (ich wusste bis dahin gar nicht, dass das möglich ist) und 80km/h Sturm am Cap de la Chèvre stand und versuchte mit dem Rücken zum Cap stehend ein Foto hinter meinen Rücken zu machen, weil das Peitschen des Regens im Gesicht nicht zu ertragen war. Das Ergebnis zeige ich später.
Sommer in Concarneau
Nein, IMMER Provence muss es wahrlich nicht sein, aber wenn man an norddeutsche Sommer gewöhnt ist, merkt man erst bei einer regnerischen Woche in der Bretagne, dass dieses Land des Lichts und des Lavendels doch hin und wieder eine Notwendigkeit sein kann, wenn man quengelnde Mitreisende vermeiden möchte und auch, dass sie mit einem „Siehste!“ auf die Bindfäden über dem Meer und die dicken Algenbüschel an den Stränden zeigen.
Nun gut, wenigstens erlebte ich die Cornouaille so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Als maritim geprägte Landschaft, die mit ihren Grün- und Blautönen spielt, Geschichte atmet und demonstriert, was Elemente sind.
Der Anreisetag war der letzte warme Tag des Sommers (Ich lehne mich weit aus dem Fenster…). Wir speisten auf der sonnigen Terrasse mit der Meeresbrise im Haar und dem Blick auf den Hafen von Concarneau. Alles hier ist Meer, man riecht es, sobald man sich der Küste nähert und es riecht jeden Tag anders. Man nennt das les arômes de la mer. Auch hier: die Bretagne ist vielfältig. Mal ist der Atlantik frisch, mal salzig, mal süßlich, mal beißend, den Geruch von faulenden Algen mitbringend. Nein, lieblich wie das Mittelmeer zeigt sich dieser Ozean nicht.
Ebbe im Hafen von Concarneau. Die Sonne glitzert in den Prielen, ein junger Mann ist zu Fuß vor der Ville Close unterwegs und holt Muscheln aus dem Schlick. Ein Seidenreiher stakt durch das niedrige Wasser und irgendwie ist alles gut. Durchatmen, rasten. Es ist Urlaub, die schönste Zeit im Jahr. In der Altstadt herrscht Windstille, aus der Mauer der Festung wächst an einer Stelle Petersilie. Ich frage mich, wie die dort hingekommen sein mag. Durch die Schießöffnungen weht Atlantikluft und ich kann mir an diesem Sonntagmorgen nichts Schöneres vorstellen, als auf dieser Mauer die Ville Close zu umkreisen und Eis zu essen.
Concarneau hat eine Hafengeschichte. Eine Historie, die von Fisch erzählt, von Stürmen und Schiffen und auch vom Krieg. Ist man auf dem Sentier Littoral unterwegs, dem Küstenwanderweg, trifft man auf die Bunker der Nazis, die manchmal wie einer der großen Granitsteine wirken, fast stören sie nicht. Doch der Gedanke an den Atlantikwall ist immer da, an die wohl nie mögliche Heilung der Landschaft. Die Stürme hingegen, die gehören dazu und man wird den Eindruck nicht los, dass die Bretonen sie mögen, verehren, die Erinnerung an sie wie einen schrecklichen Schatz tragen. Während anderswo die Postkarten für die Touristen die schönsten Strände und exotische Blumen zeigen, sind hier auf den Fotokacheln Abbildungen der größten Stürme zu sehen. Leuchttürme, die in der Gischt verschwinden, überspülte Strände, Wasserfontänen, die gegen Granitsteine prallen. Ein Spiel um das Vorrecht des Stärkeren: Mal gewinnt die Küste, mal das Meer. Der letzte tödliche Sturm suchte Concarneau 1930 heim: 207 Seeleute und Fischer kehrten nicht zurück. (1)
Fußnoten:
(1) escales.wordpress.com/2012/11/2 … e-oubliee/
Links für Interessierte:
Blogeintrag zur Cornouaille bei Meinfrankreich.com (dt)
Internetauftritt des Fremdenverkehrsamts Finistère (dt, frz)
Sendungsausschnitt von France 2: Visites privées, 01/2017: Concarneau (frz)