Während in Deutschland die Abiturprüfungen mehr oder weniger „Privatsache“ sind, über die landes- oder länderweit nur dann diskutiert wird, wenn es mal wieder neue Regelungen gibt, ist das französische Zentralabitur, das Bac(calauréat) eine eine Woche lang bis ins kleinste Detail von den Medien verfolgte öffentliche Angelegenheit, bei der die Kameras den in zentralen Prüfungssälen schwitzenden Absolventen bis auf die Pelle rücken. Und wenn dann der Großteil erfährt, dass er sein Abitur in der Tasche hat, sind die Medien erst glücklich, wenn sie die Bilder von hyperventilierenden Mädels und victory-coolen Jungs im Kasten haben. Und dann geht es in die wohlverdienten Sommerferien.
Und « der Spiegel » macht eifrig mit, in dem er selber einen Schüler « live » nach der Prüfung interviewt
Es mag schon sein, dass die Medien ein bisschen zu viel mit dem Bac übertreiben. Aber das bleibt immerhin ein landesweites Ereignis, das mehr als 600.000 Menschen (+ die ganzen Familien) betrifft. Für die Medien ist es also die Garantie, ein sehr breites Publikum erreichen zu können.
Ich freue mich jedes Jahr, die Fragestellungen in Philosophie und Geschichte bzw Geographie zu bekommen. Oft sind sie sehr interessant, und das freut mich, dass ich sie nicht beantworten muss
Während in Frankreich noch alle Schwitzen ist hier schon alles gelaufen. Bei uns gab es letzte Woche die Ergebnisse und heute war « Chaostag », die Abiturienten zogen mit Trillerpfeiffen und Waserpistolen durch die Stadt und haben haben hinterher noch die « ehemaligen » Mitschüler nassgemacht. Gibt es so was in Frankreich auch? Hier haben die Abiturienten auch immer eine Mottowoche, wo sie alle verkleidet, je nach Tagesmotto, in die Schule gehen. Die haben immer tolle Ideen, Märchengestalten, Helden der Kindheit, Horror, Hippies usw.
Meine Erfahrung ist nicht repräsentativ und mein Lycée war wirklich nicht das Beste: Abiball, Abiparty und T-Shirts des Abijahrgänges gab es bei uns nicht. Wir hatten zwar eine Reise nach Barcelona ein paar Monate vor den Prüfungen aber das war mit der Abisaufreise nach Mallorca nicht vergleichbar.
Wir haben einfach Abi gemacht, extrem viel gelernt, die Stimmung kurz vor den Prüfungen war gespannt - wir mussten ja alle wahnsinnig viel lernen und wir waren so gestresst! Wir hatten keine Zeit für Mottoabende und fürs Suchen eines T-Shirt-Spruches.
Als die Prüfungen hinter uns waren, haben wir uns aus privater Initiative alle im Restaurant getroffen und dort zusammen den letzten Abend verbracht. Mehr nicht.
Genau wie Mislep geniesse ich es jedes Jahr, die Fragestellungen und Prüfungen meiner damaligen Fächer zu googeln und schätzen, ob ich es geschafft hätte, oder nicht. Man kann auch mit seinem Jahrgang vergleichen - und zurückblickend wundert man sich echt darüber, dass man damals 4 Seiten über eine einfache Frage in Philosophie schreiben konnte…
Vor langen , langen Jahren ( in meiner Jugendzeit) hatten wir ein erstes Abitur « premier bac »( in der vorletzten Klasse des Lyzeums) und ein zweites Abitur « deuxième bac »( in der letzten Klasse.) !!!
Aufpassen mit dem Wort „Lyzeum“ im Deutschen. In dem von dir beschriebenen Zusammenhang bedeutet „Lyzeum“ ein reines Mädchengymnasium. Die gab es in Deutschland meines Wissens noch bis in die 70er Jahre. Und es gab natürlich blöde Witze: Die machen da das Puddingabitur.
Danke für die Bemerkung , Woolito ! Hab natürlich das frz. Wort „lycée“ wortwörtlich durch „Lyzeum“ übersetzt.
Sicher hätt ich " Gymnasium" sagen sollen , oder ?
Genau, Gymnasium. Aber ich hoffe natürlich, dass ihr im „Lycée“ auch einen ordentlichen Sportunterricht hattet bis zum Abitur. Anspielung auf das frz. Wort „gymnase“
Über unserem Schulportal stand in goldener Schrift " Höhere Mädchenschule" Die ersten Jungen wurden in dem Jahr aufgenommen,in dem ich Abi machte. Ende der 60er-Jahre. Den Ausdruck Puddingabitur höre ich das erste Mal. Lustig.
Habe dieses Jahr auch Abi gemacht, allerdings hier in Deutschland
Hatten eine Abizeitung, eine Abifahrt, Abishirts, einen Abigottesdienst, einen Abischerz, Abiball … ist sowas im heutigen Frankreich auch üblich?
Anscheinend findet der „Bacwahn“ auch in Deutschland statt
Abigottesdienst… das musste man sich einfallen lassen Richtet man dabei seine Gebete an die Heilige Rita?
Nicht ganz Soweit ich weiß ist der Abigottesdienst ähnlich wie ein normaler Schulschlussgottesdienst aufgebaut, mit dem Unterschied dass er sich eben nur an die Abiturienten richtet. Der Gottesdienst wird von den Abiturienten selbst gestaltet, ist also nur schwer mit einem „normalen“ Gottesdienst zu vergleichen (modernere Lieder, Ansprache statt Predigt, …). Der Gottesdienstbesuch ist freiwillig, meiner Einschätzung nach kommen meistens auch nur gut 20% aller Abiturienten.
Ach du sch… nein, erst recht kein Abigottesdienst, das würde in Frankreich an einer (öffentlichen) Schule NIE geben. Wir haben ja nicht einmal Religionsunterricht!
Der Abigottesdienst ist freiwillig (und wird deshalb zugegebenermaßen auch von entsprechend wenigen Schülern besucht), aber dass es sowas in Frankreich nicht gibt, wundert mich eigentlich nicht… könnte mir vorstellen, dass ein solcher Gottesdienst vor allem in Frankreich zu Protesten seitens der Nicht-Christen führen würde…
Habt ihr denn sonst wenigstens eine Abizeitung oder einen Abiball?
Christen, die ihre Religion in ihrer Bildung einbeziehen möchten, gehen in eine katholische Schule. Wer in eine öffentliche Schule geht, weiss auch, dass dort kein Religion-Unterricht angeboten wird. Von daher kommt es nie zu Protesten - und Frankreich hat sowieso eine „anti cléricale“ Tradition, und das schon zu Zeiten, als die Menschen gläubiger waren als heute…
Einen Abiball oder eine Abizeitung gibt es auch nicht, es gibt eigentlich gar nichts. Vielleicht ein Treffen aus Initiative der Schüler, seitens der Schule ist aber nichts zu erwarten. Für die Organisation gibt es eh bei fast 10 Prüfungen keine Zeit